Suchtmediziner warnt„In der öffentlichen Debatte über Cannabis wird viel gelogen“
- Der Suchtmediziner Kurosch Yazdi erklärt in unserem Interview, warum er strikt gegen die Legalisierung von Cannabis ist – obwohl sehr viele genau das fordern.
- In seiner Praxis sieht er täglich, wen Cannabis süchtig macht – und wen nicht.
- Außerdem widerspricht er vehement der These, dass es keinen Zusammenhang zwischen Kiffen und Schizophrenie gibt.
Herr Yazdi, Sie sind ein entschiedener Gegner einer Legalisierung von Cannabis. Warum?
Weil ich Suchtmediziner bin. Meine Aufgabe ist es, Menschen zu helfen, die Probleme mit Cannabis haben. Klar ist deshalb, dass ich ein sehr negatives Bild auf diese Vorgänge habe. Ich weiß auf der anderen Seite auch, dass es Leute gibt, die kiffen, ohne krank zu werden, für die Haschisch und Marihuana nicht das Teufelszeug sind.
Das ist doch das Gleiche mit Alkohol oder sonstigen illegalen Drogen. Aber: Es gibt momentan so viele Menschen, die Cannabis völlig verharmlosen, schönreden, aus welchem Grund auch immer. Ich sehe meine Rolle in der eines Warners. Und abgesehen von all dem: Es liegt ja überhaupt nicht in meiner Entscheidung, ob Cannabis nun legalisiert wird oder nicht.
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Sie haben Ihrem Buch den Titel „Die Cannabis-Lüge” gegeben. Warum sollte hier wer denn wen mit Blick auf diese Droge belügen?
Also, ich bin kein Verschwörungstheoretiker. Aber dass gelogen wird, liegt auf der Hand. Da braucht man sich nur die Reaktionen und vernichtenden Kritiken nach meinem Buch anschauen. Die Leute werfen mir Lüge vor, denn es sei doch erwiesen, dass Cannabis nicht abhängig mache. Ich musste hier im österreichischen Linz eine eigene Gruppe aufmachen, in der ausschließlich Cannabis-Süchtige behandelt werden.
Meine Erkenntnis: Cannabis macht süchtig - aber nicht jeden. Ein anderer Vorwurf an meine Adresse: Es stimme nicht, dass Cannabis Psychosen auslösen könne. Wir haben so viele Patienten hier, die chronische Psychosen entwickeln auf Cannabis. Das nennt man dann Schizophrenie.
Aber ist Cannabis ursächlich für die Ausbildung dieser Krankheiten verantwortlich? Oder haben hier prädestinierte Patienten unvernünftigerweise auch noch Cannabis geraucht?
Nein, manche Menschen werden durch häufiges Kiffen chronisch psychotisch und manche nicht. Aber im voraus weiß man ja nicht, wer wie viel Risiko trägt. Aus der Forschung wissen wir, dass das Gehirn von Menschen, die in der Familie Fälle von Schizophrenie haben, stärker auf THC reagieren als die anderen. Aber ohne THC bleiben viele der genetisch Belasteten dennoch gesund.
Also natürlich braucht es eine gewisse genetische Veranlagung, aber das ist auch bei jeder Krankheit so. Bei Brustkrebs, bei Darmkrebs. Dann dürften wir im Prinzip auch nicht sagen, dass radioaktive Strahlen krebsauslösend sind. Also kurz: Es stimmt nicht, dass es keinen kausalen Zusammenhang zwischen Kiffen und Schizophrenie gibt.
Sie sind noch die Antwort auf die Fragen nach den "Lügnern" und ihren Motiven schuldig geblieben.
In den USA verdienen mittlerweile unglaublich viele Menschen Geld mit Marihuana. Und schauen Sie:In den USA der 1960er Jahre hat die Zigarettenindustrie jeden verklagt, der behauptete, Rauchen sei krebsauslösend. Sobald eine Industrie mit einem bestimmten Produkt Geld verdient, und mit Cannabis verdient man mittlerweile Milliarden und Aber-Milliarden, gibt es ein wirtschaftliches Interesse.
Und in Deutschland und Österreich scharren schon viele Firmen mit den Hufen und warten auf eine Legalisierung oder Teillegalisierungen, um Geld verdienen zu können. Auf dieser Seite also wird aus wirtschaftlichem Interesse gelogen, auf der anderen Seite ist der Konsument, der sich gegen eine Kriminalisierung stemmt. Das verstehe ich ja sogar, ich selbst bin auch für die Entkriminalisierung ...
Das überrascht mich jetzt aber.
Es ist völlig sinnlos, jemanden zu bestrafen, nur weil er kifft. Ganz im Gegenteil: Dem ruiniert man sein Leben, und dann kifft der nachher noch mehr. Der Mensch ist ja kein schlechter Mensch, nur, weil er Drogen nimmt. Das gilt übrigens auch für Heroinsüchtige. Aber mittlerweile sind viele Verbände, die sich für die Interessen der Cannabis-Konsumenten zusammengeschlossen haben, ausgesprochen radikal geworden.
Es gibt Hanf-Interessengruppen, die im Grunde nur den Konsum legalisieren möchten. Aber viele werden sehr, sehr unsachlich. Die argumentieren, dass man erwiesenermaßen mit Cannabis Krebs heilen kann. Es gibt nicht eine Studie, die das nachgewiesen hat.
Beim Medizinalhanf werden aber doch eher seine schmerzlindernde Wirkung und seine Appetitförderung gepriesen. Das wird doch sogar von der deutschen Bundesregierung so gesehen.
Ja, aber es heilt nicht. Und: Es gibt medizinisch sinnvolle Darreichungsformen cannabishaltiger Medizin. Das Problem aber ist, dass beim Kiffen eine Dosierung nicht möglich ist.Trotz Cannabis-Verbots ist die Zahl junger Kiffer gestiegen.
Gestiegen ist auch der THC-Gehalt beim Haschisch, das ist der Bestandteil, der den Rausch fördert. Um das Fünffache in den vergangenen 20 Jahren. Mit einer Liberalisierung hätte die Gesellschaft, der Staat mehr Kontrollmöglichkeiten.
Natürlich könnte man mit der Aufhebung des Verbots den Markt besser regulieren, mehr Qualitätskontrollen einführen. Aber in anderen Ländern, wo legalisiert wurde, kiffen jetzt deutlich mehr Leute, gerade junge Leute, obwohl es für die gar nicht legalisiert wurde. Da hilft auch der Jugendschutz nicht.
Je mehr eine Droge von Erwachsenen konsumiert wird, umso größer wird die Zahl jugendlicher Konsumenten. Und: Es gibt kein Land in der Welt, wo der THC-Gehalt höher ist als in den USA. Dort optimieren große Konzerne ihre legalen Cannabis-Produkte.
Werden wir zum Schluss mal etwas philosophisch: Ist es in der aufgeklärten Welt mit selbstbestimmten, erwachsenen Menschen eigentlich nachvollziehbar, dem Weinliebhaber seinen Riesling zu erlauben, dem Kiffer seine Pfeife jedoch zu verbieten?
Also, als Arzt bin ich nicht für Philosophie oder Gesetze zuständig. Meine persönliche Meinung: Ja, man kann diese Unterscheidung machen. Stichwort Selbstverantwortung: Müssten wir dann nicht jedem Menschen freistellen, ob er sich beim Autofahren anschnallt oder nicht? Das heißt, der Staat gibt uns Grenzen in den Bereichen vor, wo er befürchtet, dass wir Bürger unvernünftig handeln ...
Dann müsste der Staat auch Alkohol verbieten.
Es gibt keine perfekte Lösung. Es gibt immer Bereiche, in denen wir Gerechtigkeit vermissen werden. Aber man muss ja auch schon etwas realistisch bleiben: Glauben Sie wirklich, man könnte jetzt in Deutschland oder Österreich Alkohol verbieten? Nur: Die Frage, ob wir Kiffen erlauben oder nicht, ist keine Frage der Gerechtigkeit. Cannabis ist schon verboten, es ist schlicht nicht so schwer, das Verbot aufrechtzuerhalten. Wenn wir es jetzt erlauben, werden wir es nie wieder verbieten können.