AboAbonnieren

Spoho-Professorin erklärtTanzen macht glücklich und wirklich jeder kann damit anfangen

Lesezeit 5 Minuten
Ein Schatten einer Tänzerin vor blau-goldenen Himmel mit Sonnenuntergang, im Hintergrund die Silhouette des Doms.

Eine Tänzerin nutzt den Sonnenuntergang am Deutzer Rheinufer zum Proben. (Archivbild)

Eine Kölner Polizistin tanzt als Ausgleich zum stressigen Alltag. Damit ist sie nicht allein. Was am Tanzen toller ist als an anderen Sportarten.

Stefanie Fuhrmann ist Polizistin in einer Führungsposition. Sie ist aber auch Mutter von zwei Kindern und alleinerziehend. Man ahnt es schon: „Der Alltag ist ziemlich ausgefüllt“, sagt sie. Trotzdem sucht sie sich Zeit für ihren Ausgleich, das eine Hobby, das sie seit 20 Jahren entspannen lässt: Sie tanzt. „Das macht mich glücklich“, sagt Fuhrmann.

Die heute 41-Jährige war Kunstturnerin in ihrer Jugend. Als sie mit 20 nach Köln zog, suchte sie sich ein anderes Hobby, das leichter umzusetzen war. Sie begann zu einer Ballettschule zu gehen, auch Modern und Jazz tanzt sie seitdem.

Es geht nicht um richtig oder falsch, sondern um das Ausprobieren.
Stefanie Fuhrmann

Als Erwachsene noch mit Tanzen anzufangen, erst recht mit Ballett, scheint vielen schwierig. Fuhrmann widerspricht: „Man braucht keine Grundkondition und Techniken kann man relativ schnell lernen.“ Manchmal merke sie, dass ihr die Grundlagen fehlen, die andere Erwachsene in ihrer Gruppe als Kinder gelernt hatten. Aber das sei nicht schlimm: „Es geht nicht um richtig oder falsch, sondern um das Ausprobieren.“

Fuhrmann erinnert sich, dass es ein wenig Überwindung gekostet habe, in eine neue Gruppe zu gehen. Aber sie sagt: „Das Einsteigen ins Tanzen ist einfach, das könnten viel mehr Menschen.“

Professorin erklärt, warum Tanzen so glücklich macht

Dass jeder tanzen kann, bestätigt auch Claudia Steinberg, Professorin an der Sporthochschule Köln und Leiterin des Instituts für Tanz und Bewegungskultur. Das allgemeine Verständnis von Tanz sei, dass man Formen und Techniken lernen muss, zum Beispiel in kommerziellen Studios. Eigentlich sei Tanz aber erst einmal frei, lehrt Steinberg, er sei von klein an in uns angelegt: „Wir singen, tanzen, springen, spielen als Kind, das ist ein anthropologisches Grundbedürfnis, dass wir uns im Rhythmus zu der Musik bewegen, auch gemeinsam.“

Die blonde Frau mit langen Haaren steht vor einem Gebäude mit moderner Fassade.

Claudia Steinberg ist Professorin für Tanz und Bewegungskultur an der Sporthochschule Köln.

Um all die positiven Effekte des Tanzens zu spüren, muss man also gar keine Schritte lernen. „Wenn man einfach zur Musik wippt und den Gefühlen und Gedanken freien Lauf lässt, ist das auch schon Tanz“, sagt Steinberg. Und das macht glücklich.

Doch Steinberg wäre keine Wissenschaftlerin, wenn sie darüber hinaus nicht noch vielschichtigere Gründe nennen könnte, etwa einen kultursoziologischen Erklärungsansatz: In einer Gruppe hätten unsere Vorfahren seit Jahrtausenden besser überleben können – und Tanzen stärke das Gemeinschaftsgefühl, was wiederum Euphorie auslöse. Sie beschreibt Tanzen als ein Mittel, Freude bei der Gemeinschaftsbindung zu erzeugen.

Nächster Punkt: Tanzen lässt sich ohne Druck. „Beim Leistungssport ist der Körper das Werkzeug, da geht es nicht um das Sinnliche oder einen Ausdruck“, sagt Steinberg. Sie stellt als Beispiel Tanzen dem Speerwurf gegenüber, heute eine Sportart, früher überlebenswichtig – anders als das Tanzen, das in dieser Hinsicht zweckfrei sei: „Es musste nicht getanzt werden, um zu überleben.“ Das klingt zwar abstrakt, aber bezogen auf Stefanie Fuhrmann überraschend zutreffend: Es dürfte für eine Polizistin zweckdienlicher sein, ausdauernd joggen oder schwimmen zu können.

Tanzsprache kann ausdrücken, wofür einem Worte fehlen

Beim Tanzen sei der Körper also nicht ausschließlich Werkzeug, führt die Professorin aus. Tanz spreche gleich mehrere Körperverständnisse an: Seine Sinne oder den Körper als Symbol. „Man kann in einer Choreografie etwas zum Ausdruck bringen, für das man gar keine Worte hatte. Mit der Tanzsprache lässt sich ein Körperwissen ausdrücken.“ Auch wenn man schwitzend, intensiv trainierend tanzt, komme bei diesem Sport immer eine ästhetische Dimension hinzu, durch die sich in Kommunikation treten lässt.

Auch anderer Sport löst bekanntermaßen Glücksgefühle aus, aber Tanzen ist in besonderem Maß multisensorisch: „Es spricht ganz viele Kanäle gleichzeitig an“, erklärt Steinberg. Man hört Musik akustisch, interagiert in einer Gruppe, nimmt die Bewegungen optisch und taktil wahr und bewegt sich rhythmisch.

Was uns zum wichtigsten Grund führt, denn zum Tanz gehört ein zweiter Glücklichmacher dazu: Musik. „Man kann auch ohne Musik tanzen, wenn man einen inneren Rhythmus oder Impuls hat oder vielleicht eine Melodie im Kopf“, sagt Steinberg, „aber zum spontanen Bewegen ist Musik ein Auslöser.“ Wenn eine Musik einem gefällt, habe sie „Aufforderungscharakter“, so nennt es die Sportwissenschaftlerin. Musik löst wie Tanzen Emotionen aus und sie potenziert die Glücksgefühle.

Tanzen ermöglicht Selbstbestimmung und das Erleben von Kompetenz und einem Miteinander

Doch damit Tanzen richtig glücklich macht, müssten auch die Rahmenbedingungen stimmen, sagt Steinberg. Wichtig sei es, Kompetenz zu erleben, miteinander und selbstbestimmt. Die Wissenschaftlerin beschäftigt sich unter anderem mit Tanzen im Unterrichtskontext und sagt: „Da muss Tanzen niederschwellig und einfach sein. So, dass man selbst entscheidet, wie schwer oder anstrengend es ist.“ Es fliege im Tanzunterricht schließlich kein Ball auf einen zu, den es zu erreichen gilt, sagt sie, „sondern ich selbst bestimme mein Bewegungstempo.“

Tanz hat in der Lebensspanne immer seinen Platz.
Claudia Steinberg, Professorin an der Sporthochschule Köln

Deswegen ist Tanzen ein gutes Training für jede Altersgruppe. „Tanz hat in der Lebensspanne immer seinen Platz“, sagt die Professorin. Dafür eigne sich kreativer, moderner Tanz besonders: „Man muss nicht irgendwelche Muster befolgen, sondern kann frei improvisieren zur Musik und sein eigenes Tempo bestimmen.“ Sogar für Senioren ab 70 Jahren gestaltet sie mit Studierenden ein Tanztraining. „Im Tanzen kann man sehr fein Motorik und Gleichgewichtsfähigkeit trainieren, das ist eine gute Sturzprophylaxe.“

Stefanie Fuhrmann räumt dem Tanz weiter einen Platz in ihrem Leben ein, auch wenn das mit Job und Kindern ganz schön vollgepackt ist. „Es war schon oft so, dass ich es fast nicht mehr zum Tanzen geschafft habe“, sagt sie, „aber wenn ich dann doch da war, tat es immer gut und ich bin entspannter herausgegangen.“ Das ist ihr Ausgleich. Sie jogge und schwimme auch, aber das bringe nicht diesen Kontrast zum ausgefüllten Alltag. „Beim Tanzen kann ich total abschalten“, sagt Fuhrmann. „Da denke ich an nichts, weil ich mich zur Musik bewege und mit der Gruppe etwas mache.“