„Nicht heilbar“Wie Todkranke mit der Diagnose umgehen
Berlin/München – Mit Atemproblemen fing es an. Martina Kopera dachte sich zunächst nichts dabei. Doch irgendwann fiel ihr das Luftholen immer schwerer - bis die Berlinerin eines Tages in die Notaufnahme eines Krankenhauses gebracht werden musste. Sie kam auf die Intensivstation.
Die Diagnose, die die Ärzte der dreifachen Mutter stellten, war niederschmetternd: Martina Kopera leidet unter LAM. Die drei Buchstaben stehen für eine sehr seltene Krankheit, bei der die Sauerstoffaufnahme in der Lunge blockiert ist. LAM ist eine in der Regel fortschreitende und schließlich lebensbedrohende Erkrankung. Von jetzt auf gleich kann es vorbei sein.
Für sich klären, was wichtig ist
„Sehr schwer oder unheilbar krank“: Das hören Jahr für Jahr tausende von Menschen von ihrem Arzt. Die Betroffenen leiden an Krankheiten wie Hirntumor, Muskelschwund oder an einer Krebserkrankung in einem fortgeschrittenen Stadium - und fallen nach der Diagnose in aller Regel psychisch erst einmal ins Bodenlose. „Das ist zunächst auch eine völlig normale Reaktion“, erklärt Pia Heußner, Krebsärztin und Psychotherapeutin am Klinikum Großhadern der Universität München.
„Entscheidend ist dann, wie die Betroffenen mit der neuen Situation umgehen“, sagt Heußner, die Vorstandsmitglied in der Arbeitsgemeinschaft für Psychoonkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft ist. Zunächst müsse jeder für sich klären, was wichtig ist. Zum Beispiel die Frage: Habe ich den richtigen Arzt, einen, dem ich bedingungslos vertrauen kann? Oder: Hätte ich gerne, dass mich jemand zu den anstehenden Arztbesuchen begleitet?
Vier geschenkte Jahre
„Entweder kämpfen oder sterben, das habe ich mir 2010, als die Krankheit festgestellt wurde, gesagt“, erzählt Martina Kopera. Die heute 46-Jährige, die an Sauerstoff-Tonnen angeschlossen ist, entschied sich fürs Kämpfen. „Ich will leben“, bekräftigt sie.
Sie wohnt in ihrem alten Zuhause - gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren Kindern. Sie erzählt, dass sie früher immer viel und gerne zu Fuß unterwegs war. Heute bewegt sie sich mit einem Rollstuhl fort. Seit langem wartet sie auf eine neue Lunge. Die Transplantation eines Spenderorgans gilt als ein Weg, das Leben um einige Zeit zu verlängern. „Die vier Jahre, die ich bislang seit Ausbruch meiner Krankheit gelebt habe, sind vier geschenkte Jahre“, sagt sie.
Depressionen und Panikattacken
Natürlich geht die Erkrankung nicht spurlos an ihr vorbei. „Warum ich?“ - diese Frage habe sie sich vor allem im ersten Jahr nach Krankheitsausbruch immer wieder gestellt. Neben Depressionen habe sie Panikattacken gehabt, Angst, dass sie gar keine Luft mehr bekommt. Im zweiten Jahr ging es aufwärts, doch dann kam ein Rückschlag. „Ich fiel psychisch regelrecht in ein Loch.“ Sie hatte regelmäßig Todesängste, musste für mehrere Tage zur Behandlung in eine Klinik.
Auch heute ist sie nicht frei von solchen Attacken. Die Energie weiterzukämpfen, schöpft sie aus ihrer Familie. „Meine Kinder geben mir viel Kraft“, sagt sie. Ihre Jüngste ist sieben Jahre alt, sie kuschelt viel und gern mit ihrer Mama. Überhaupt, in der Familie Kopera ist der Umgang miteinander sehr liebevoll. „Das stärkt mich.“
Diagnose „unheilbar krank“: Lesen Sie auf der nächsten Seite, was für Betroffene nach der schockierenden Nachricht wichtig ist und welche Beratungsstellen weiterhelfen.
Ein stabiles soziales Netzwerk - also Familienangehörige und gute Freunde - sei für die Betroffenen extrem wichtig, um psychisch aufgefangen zu werden, betont Onkologin Heußner. Unterstützung gibt es auch bei einer Vielzahl von Beratungsstellen. Selbsthilfeorganisationen können für die Erkrankten ebenfalls eine Anlaufstelle sein. „Dort haben Betroffene die Möglichkeit, sich in Gesprächskreisen gegenseitig aufzurichten und Infos über ihre Krankheit auszutauschen“, sagt Heußner.
Trotz ihrer Krankheit versucht Martina Kopera bei allen Dingen, das Positive zu sehen. Es gibt aber auch Phasen, in denen ihr alles aus dem Ruder läuft. Dann droht die Krankheit sie psychisch zu zermürben. In solchen Fällen holt sie sich professionelle Hilfe und spricht mit einem Psychologen oder Seelsorger.
Beratung über die Begleitung am Lebensende
Wer neben der Unterstützung durch Familie, Freunde oder Leidensgenossen ganz akut verbale Zuwendung benötigt, kann zum Beispiel die Telefonseelsorge kontaktieren oder die Nummer von psychiatrischen Krisentelefondiensten wählen. Benno Bolze vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband plädiert dafür, sich möglichst frühzeitig über die Möglichkeiten der Versorgung und Begleitung am Lebensende beraten zu lassen: „Das gibt für die Zeit der schweren oder unheilbaren Erkrankung Sicherheit.“
Im Internet oder über das Telefonbuch sind die Adressen der Hospiz- und Palliativdienste zu finden. Dort gilt der Grundsatz ambulant vor stationär. „Erst wenn eine Versorgung zu Hause nicht mehr möglich ist und der Patient es wünscht, erfolgt die Aufnahme in einem stationären Hospiz“, erläutert Bolze.
Auch in der Familie von Martina Kopera ist das Sterben schon Thema gewesen. Selbst mit ihrer kleinen Tochter hat sie darüber gesprochen. Vor dem Tod an sich hat die Berlinerin keine Angst: „Wir müssen ja alle eines Tages gehen.“ Aber erst will sie noch ein paar Jahre leben, mit Ehemann und Kindern zusammen sein. „Ich wünsche mir so sehr, dass für mich eine geeignete Spenderlunge gefunden wird.“ (dpa/tmn)