AboAbonnieren

Welche Rechte Patienten habenArztpraxen mauern oft bei Einsicht in die Patientenakte

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Laut Gesetzbuch hat jeder Bürger einen Anspruch darauf, seine Akte einzusehen.

Köln – Es ist knapp fünf Jahrhunderte her, als der Nürnberger Stadtarzt Johann Magenbuch die ersten Patientenakten hierzulande anlegte. Darin fanden sich der Name des Patienten sowie Angaben zu seinen Krankheiten und die medikamentösen Verordnungen. Sie dokumentierten vor allem den Erfahrungsschatz des behandelnden Arztes, und der Patient hatte kaum eine Chance, an sie heranzukommen. Das ist mittlerweile anders. Und doch gibt es immer noch Probleme und offene Fragen, was den Umgang mit den Patientenakten angeht. Ein Überblick.

Wie lange müssen Arztpraxen die Patientenakten aufbewahren?

Laut Datenschutzrecht müssen bzw. dürfen Daten nur so lange gespeichert werden, wie es zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Einer Löschung können jedoch gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. So besteht – sofern es zu einer Behandlung gekommen ist – gemäß Strahlenschutzverordnung für Röntgenbilder eine Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren. Ansonsten sehen die Berufsordnungen der Kammern in der Regel vor, dass Aufzeichnungen für die Dauer von mindestens zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren sind.

Habe ich als Patient einen gesetzlichen Anspruch auf meine beim Arzt angelegten Akten?

Ja. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) hat jeder Bundesbürger einen Anspruch darauf, dass ihn die Arztpraxis seine Akte einsehen lässt oder ihm eine Kopie davon aushändigt. Letzteres kann in Papier- oder auch in digitaler Form, etwa auf einem USB-Stick erfolgen.

Gilt dies auch für Psychotherapeuten und andere nicht-medizinische Heilberufe?

Ja. Im BGB ist ausdrücklich von „Behandelnden“ die Rede, also nicht nur von Ärzten, sondern auch von Physiotherapeuten, Psychotherapeuten, Hebammen und Vertretern anderer Heilberufe.

Muss der Patient einen triftigen Grund haben, um Einsicht in seine Akte zu bekommen?

Nein. Egal, ob er diese Einsicht nur aus Neugierde möchte, oder auch, um dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler nachzugehen: der Behandelnde muss sie ihm gewähren. Außerdem muss der Patient die Gründe für die Herausgabe seiner Akte gar nicht nennen. Auf Nachfragen der Praxis oder der Klinik kann er auch einfach sagen: „Für meine persönlichen Unterlagen.“

Sind Ärzte kooperativ, wenn es um die Herausgabe der Patientenakten geht?

Nicht unbedingt. Die Stiftung Warentest schickte jeweils drei Testpersonen zu Hausärzten sowie Frauen-, Augen- und Zahnärzten, um ihre Patientenakte anzufordern. Sie wurde nur in zwei von 12 Fällen bereitwillig herausgegeben, in vier Praxen reagierte das Personal sogar abweisend. Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) beriet letztes Jahr über 2700 Mal dazu, wie man Einsicht in seine Patientenakte bekommt. „Dabei ging es aber nicht in jedem Fall um die Verweigerung der Herausgabe“, betont UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede. „Oft klären wir die Ratsuchenden auch einfach nur darüber auf, dass sie den Anspruch auf Einsichtnahme haben.“

Muss die ausgehändigte Akte vollständig sein?

In der Akte sollten sämtliche Diagnosen, Untersuchungsergebnisse und Therapien dokumentiert sein. Der Behandelnde darf allerdings Teile des Dokuments zurückhalten, wenn deren Inhalte den Patienten nachweislich belasten könnten, was insbesondere bei der Psychotherapie zu berücksichtigten ist, wenn etwa beim Patienten eine suizidale Tendenz besteht. Außerdem kann die Ausgabe von Dokumenten zurückgehalten werden, sofern sie vertrauliche Informationen über dritte Personen oder auch über den behandelnden Arzt oder Therapeuten enthalten.

Auch die Krankenkassen führen eine Akte

• Von der arztgeführten Patientenakte ist die Patientenakte der gesetzlichen Krankenversicherungen zu unterscheiden. Seit dem 1. Januar 2021 steht sie allen Versicherten als elektronische Patientenakte (ePA) zur Verfügung.• Die Krankenkassen bieten ihren Versicherten eine App zum Download an, mit der sie Zugang zur ePA bekommen.• Nur die Patientinnen und Patienten bestimmen, ob und welche Daten aus dem aktuellen Behandlungskontext in der ePA gespeichert werden; und auch, welche wieder gelöscht werden sollen.• Die Daten werden in der ePA verschlüsselt abgelegt, so dass sie kein Unbefugter lesen kann.

Gibt es Anforderungen im Hinblick auf die Leserlich- und Verständlichkeit der Patientenakte?

Das Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein betont: „Die Akteneinsicht verfehlt ihre Informationsfunktion, wenn die Daten auf eine Art und Weise festgehalten sind, die der Patient nicht versteht.“ Und das sei oft schon bei handschriftlichen Aufzeichnungen in Arztbriefen oder Karteikarten der Fall, wenn etwa eine unverständliche Terminologie oder Codierung verwendet wird. Wobei hier zu berücksichtigen ist, welchen Zweck die Einsicht der Akte verfolgt. „Wenn sie einem Gutachter vorgelegt wird, kann man voraussetzen, dass der sich auch in der Fachsprache auskennt“, betont UPD-Chef Krumwiede. Dann müsse man diese auch nicht weiter erläutern. Anders sieht es jedoch aus, wenn die Handschrift in der Akte unleserlich ist. „Ein unleserliches Gekrakel muss niemand akzeptieren. Weder der Patient, noch ein Gutachter“, so Krumwiede.

Muss der Patient für die Kopien seiner Akte bezahlen?

Das ist juristisch noch nicht abschließend geklärt. Im BGB steht, dass der Patient dafür zu bezahlen hat, und zwar unabhängig von den Gründen des Herausgabewunsches. Laut Datenschutzgrundverordnung der EU hätte der Patient hingegen Anspruch darauf, dass man ihm die Kopien seiner Akte kostenlos aushändigt. Der Bundesgerichtshof hat jetzt den Richtern des EUGH, also den obersten EU-Richtern einen Fragenkatalog vorgelegt, um dort klären zu lassen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Ärzte ihren Patienten eine kostenfreie Kopie ihrer Akte aushändigen müssen. Der konkrete Anlass dazu ist ein Fall aus Sachsen-Anhalt, in dem ein Mann, weil er einen Behandlungsfehler vermutet, seine Zahnärztin zur unentgeltlichen Herausgabe seiner Akte aufgefordert hat.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie sollte die Forderung auf Akteneinsicht gestellt werden? Reicht ein Telefonanruf?

Prinzipiell reicht er schon. Doch mehr Druck entfaltet ein schriftliches Gesuch. Darin sollte man auf die gesetzliche Grundlage hinweisen und eine Frist nennen, innerhalb derer man die Akte einsehen oder haben will. Üblich ist hier der Zeitrahmen von einem Monat.

Was kann man tun, wenn der Arzt oder Therapeut die Einsicht in die Patientenakte verweigert?

Hartnäckig bleiben und die Anfrage noch einmal schriftlich wiederholen, diesmal als Einschreiben. Des Weiteren kann man sich bei der zuständigen Ärztekammer beschweren, insofern ja ein Verstoß gegen die Berufspflicht vorliegt. „Dies führt nicht unbedingt dazu, dass die Kammer für den Patienten tätig wird“, so Krumwiede. Aber sie könne den betreffenden Arzt zumindest ermahnen. Im nächsten Schritt kann man einen Rechtsanwalt einschalten, um den Arzt anzuschreiben. Und wenn das auch noch keine Früchte trägt, kann man Klage einreichen und das Gericht über das Schicksal der Patientenakten entscheiden lassen.