Zahnpflege-MythenKann man auch zu oft die Zähne putzen?
„Karies am Milchzahn? Macht doch nichts, der fliegt sowieso bald raus!“ Wenn Eltern so auf die kranken Zähne ihrer Kinder reagieren, schlagen viele Zahnärzte die Hände über dem Kopf zusammen. Ungepflegte Milchzähne können für die betroffenen Kinder nämlich ziemlich unangenehm werden.
Doch nicht nur bei Milchzähnen halten sich einige Zahnpflege-Mythen hartnäckig. Immer noch verbreitet ist auch der Irrtum, dass Zähneputzen direkt nach dem Essen vor Karies schützt. Experten räumen mit den gängigsten Zahnpflege-Mythen auf.
Mythos 1: „Man kann nicht oft genug Zähne putzen“
Wie wichtig Zähneputzen ist, lernen wir schon als kleine Kinder. Und eine vermeintliche Weisheit wird oft gleich mit verbreitet: Zähne kann man gar nicht oft genug putzen. Aber stimmt das eigentlich? Nein, sagt Prof. Ursula Platzer, Direktorin der Klinik für Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Wer zehnmal täglich mit einer harten Zahnbürste putzt, der schrubbt den Zahnschmelz ab und schadet damit seinen Zähnen.
Zweimal täglich gründlich die Zähne zu putzen reicht völlig aus. Die richtige Putztechnik sollte man sich am besten von seinem Zahnarzt zeigen lassen. Er kann auch über geeignete Hilfsmittel wie Zahnzwischenraumbürsten beraten. Generell empfiehlt Platzer eine Zahnbürste mit kleinem Kopf und weichen, geraden Borsten.
Mythos 2: „Zucker zerfrisst die Zähne“
Entgegen der verbreiteten Annahme, Zucker würde unsere Zähne zerfressen, schadet Süßes unseren Beißern nicht direkt: „Wenn sich in unserem Mund keine Bakterien befinden würden, könnten wir so viel Zucker essen, wie wir wollen – dann bekäme man zwar Übergewicht und irgendwann auch Diabetes, würde die Zähne aber nicht unbedingt schädigen“, erklärt Joachim Hoffmann, stellvertretender Bundesvorsitzender des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ).
Das Problem ist also nicht der Zucker selbst. „Hauptschuld an Karies sind Bakterien, die sich auf unseren Zähnen befinden und den Zucker dort zersetzen. Dabei produzieren sie Säure – und diese greift dann den Zahnschmelz an“, sagt Hoffmann.
Mythos 3: „Apfel essen ersetzt die Zahnpflege“
Natürlich sind Äpfel gesund – sie enthalten viel Vitamin C und Mineralstoffe. Der Mythos, ein Apfel könnte das Zähneputzen ersetzen, stimmt deshalb aber noch lange nicht. Im Gegenteil, sagt Hoffmann: „Wie jede andere Frucht enthalten Äpfel Fruchtsäure, die den Zahnschmelz angreift. Das kann Karies verursachen.“
Diese von außen zugeführte Säure sei aber nicht der Hauptübeltäter, so Hoffmann, denn sie bleibe nicht lange auf den Zähnen. Noch schädlicher sei der im Apfel enthaltene Fruchtzucker. Dieser wird nämlich – wie in Mythos zwei erklärt – von Bakterien ebenfalls zu Säure umgewandelt. Die Bakterien können sich jedoch länger als die Fruchtsäure auf den Zähnen halten. So hat die von den Bakterien produzierte Säure viel Zeit, um sich in den Zahnschmelz zu fressen.
Es lohnt sich also, nach dem Apfelessen die Zähne zu putzen. Aber nicht sofort zur Zahnbürste greifen, sondern lieber noch kurze Zeit mit dem Putzen warten! Mythos Nummer vier erklärt, warum.
Nächste Seite: „Sofort nach dem Essen Zähne putzen“, „Milchzähne brauchen keine Pflege“ und „Immer von rot nach weiß putzen“.
Mythos 4: „Sofort nach dem Essen Zähne putzen“
In der Kindheit hat man diesen Spruch zur Genüge gehört: „Nach dem Essen Zähneputzen nicht vergessen!“ Grundsätzlich ist das auch richtig. Man sollte nur beachten, nach der Mahlzeit ein wenig Zeit verstreichen zu lassen, bevor man die Beißer mit der Bürste schrubbt.
Der Grund: Wenn wir essen, verändert sich der PH-Spiegel im Mund. Das Milieu wird sauer und der Zahnschmelz ein klein wenig weicher. „Diesen Vorgang nennt man Entmineralisierung“, erklärt Joachim Hoffmann. Nach etwa 30 Minuten setze dann aber automatisch der Remineralisierungsprozess ein: „Dann werden kleine beschädigte Stellen durch Mineralien im Speichel wieder repariert“, so der Zahnarzt. Dadurch werde der Zahnschmelz wieder härter. Wer jedoch vorher mit dem Zähneputzen beginnt, schrubbt auf den noch nicht reparierten Stellen herum und richtet so noch größeren Schaden an.
Mythos 5: „Milchzähne müssen nicht unbedingt gepflegt werden“
Manche Eltern glauben, dass die ersten Zähne keine richtige Pflege benötigen. „Das ist nicht nur völliger Unsinn, sondern eine wirklich gefährliche Annahme“, sagt Joachim Hoffmann. Würden die Milchzähne nicht ordentlich gepflegt, könne dies im Laufe der Zeit zu erheblichen Problemen mit den nachwachsenden bleibenden Zähnen führen.
Muss ein Milchzahn zum Beispiel wegen Kariesbefall frühzeitig entfernt werden, kann es vorkommen, dass ein bleibender Backenzahn nach vorne wandert und sich im Mund falsch positioniert. Dann haben andere nachwachsende Zähne später nicht mehr genügend Platz. In dem Fall kann es nötig werden, Jugendlichen schon im frühen Alter im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung einen bleibender Zahn zu ziehen.
Aus diesem Grund lassen Zahnärzte von Karies befallene Milchzähne manchmal lieber stehen – das sei oftmals das geringere Übel, so Hoffmann. Allerdings trüge dann das Kind einen ständigen Bakterienpfuhl mit sich herum, was natürlich auch keineswegs gesundheitsfördernd sei.
Mythos 6: „Immer von rot nach weiß putzen“
Früher hieß es, man solle stets von rot, also dem Zahnfleisch, zu weiß, der Zahnkrone putzen. Eine Methode, die auch heute noch für Kinder gut umsetzbar ist. „Man will damit verhindern, dass beim Zähneputzen das Zahnfleisch beschädigt wird und dass keine Keime in den Spalt zwischen Zahn und Zahnfleisch gedrückt werden“, erklärt Joachim Hoffmann.
Weil man bei dieser Art zu Putzen aber schlecht unter den Zahnfleischrand kommt, wo besonders viele Bakterien sitzen, empfehlen Zahnärzte heute eine andere und wesentlich effektivere Putz-Methode: „Die Zahnbürste sollte in einem 45-Grad-Winkel angesetzt werden. Dann mit kleinen kreisenden Bewegungen von hinten nach vorne Putzen“, erläutert Hoffmann. So könne der Zahnbelag am besten entfernt werden und Bakterien hätten dann weniger Chancen, die Zähne anzugreifen.
(mit Material von dpa)