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In Sachen Liebe„Ich habe Glücksgefühle in der Corona-Krise – ist das egoistisch?“

Lesezeit 4 Minuten
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Mehr Zeit zu zweit – wegen der Corona-Krise. Darf man sich darüber auch freuen? (Symbolbild)

  1. Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
  2. Im wöchentlichen Wechsel beantworten die erfahrenen Psychologen Damaris Sander und Peter Wehr sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex, Kindererziehung und alles, was Paaren begegnet.
  3. In dieser Folge gibt Psychologe Peter Wehr Antwort auf die Sorgen einer Leserin, die während der Corona-Krise ein Aufleben ihrer Beziehung zu ihrem Partner verspürt.

KölnMein Partner und ich (30/27 Jahre) arbeiten derzeit im Homeoffice. Obwohl wir gar nicht weniger arbeiten und obwohl wir grundsätzlich ein soziales und kulturelles Leben sehr schätzen, fallen uns die Kontakteinschränkungen leicht. Wir genießen sogar diese Zeit, reden und kochen mehr miteinander, gehen gemeinsam an den Rhein oder frühmorgens durch die leere Stadt. Obwohl mir sehr bewusst ist, dass sich die ganze Welt in einer tiefgreifenden Krise befindet und viele Menschen leiden und sterben, überkommen mich manchmal trotzdem Glücksgefühle. Mein Freund findet das etwas befremdlich. Bin ich zu oberflächlich oder egoistisch? Muss ich diese Gefühle für mich behalten, damit ich womöglich Streit mit ihm vermeiden kann?

Am Ostermorgen habe ich mit meiner Frau einen Spaziergang gemacht. Auf dem Weg hörten wir plötzlich sanfte Saxophonklänge. Während wir weiterliefen, entdeckten wir, dass sie aus einem weit geöffneten Fenster kamen. Auf der anderen Straßenseite war ein altes Ehepaar stehen geblieben. Es klatschte, als das Stück beendet war. Wir stimmten in das Klatschen ein und gingen weiter in unser kleines Wäldchen, bis wir erneut Klänge hörten, denen wir wieder folgten. Diesmal waren es zwei Musiker, die vor einem Haus auf der Straße an der anderen Seite des Waldes spielten. Vor dem Haus saß auf Holzstühlen die Familie.

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Diplom-Psychologe Peter Wehr

Die Szenerie wirkte wie aus der Zeit gefallen, berührend, schön, durch die Klänge verbindend, beglückend. Umso mehr, als die direkten Kontakte zu anderen Menschen ja momentan sehr eingeschränkt sind. Dadurch ist die Wahrnehmung für die kleinen Dinge – wie etwa für die Musik – geschärft, so dass diese sich dann als etwas ganz Besonderes, Einzigartiges vermitteln können. Vielleicht ist es genau das, was Sie gegenwärtig mit ihrem Freund auf Ihren gemeinsamen Spaziergängen in ähnlicher Weise hin und wieder erleben.

Wertvolle Lebensqualitäten entdecken und Zusammengehörigkeit spüren

Es ist schön und drückt innere Stärke aus, dass Sie dieses kleine Glück so intensiv erfahren, dass Sie die durch die Einschränkung der sozialen Kontakte gewonnene Zeit aktiv mit Ihrem Freund nutzen, gestalten und genießen können. Vielleicht erleben Sie die Beziehung in dieser Zeit sogar als tragend und spüren dabei ein tieferes Zusammengehörigkeitsgefühl als sonst.

Vermutlich entdecken Sie so gerade wertvolle Lebensqualitäten, die Ihnen im bisherigen, stets ausgefüllten Leben in dieser Weise weniger zugänglich waren und die Sie nach überstandener Krise in Ihr Leben integrieren können: die Zeiträume für Zweisamkeit, das Besinnen auf die einfachen Dinge des Lebens. Und damit verinnerlichen Sie einen Glücks- oder Zufriedenheitsfaktor.

Leseraufruf

Regelmäßig beantwortet jemand aus unserem „In Sachen Liebe“-Team Ihre Fragen. Schreiben Sie uns, was Sie in der Liebe bewegt; was Ihnen schwerfällt, wo Sie sich einen guten Rat wünschen!

Ihre Zuschriften unterliegen dem Redaktionsgeheimnis und werden von uns in anonymisierter Form zur Beantwortung weitergegeben.

Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de

Viele Menschen empfinden die Coronakrise als entlastend

Glücksforscher haben herausgefunden, dass zwar 50 Prozent unseres Glückspotenzials angeboren ist und nur zehn Prozent den nicht beeinflussbaren Lebensumständen zugeschrieben werden.

Doch 40 Prozent unseres Glückserlebens liegen grundsätzlich in unserer Hand: durch die Art und Weise, wie wir denken und handeln. Und für diese 40 Prozent engagieren Sie sich in der gegenwärtigen Krise. Sie empfinden die Corona-Maßnahmen als notwendig, als hilfreich und sinnvoll. Dabei können Sie sich als Teil einer großen Gemeinschaft erkennen, die ebenso handelt. Manche Menschen empfinden die Kontaktsperre sogar als entlastend. Weil Sie nun nicht ständig darauf achten müssen, ob sie etwas versäumen oder befürchten müssen, von einer sozialen Aktivität ausgeschlossen zu sein.

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Dieses Erleben von Sinnhaftigkeit, Zugehörigkeit, Selbstbestimmtheit – auch unter widrigen Umständen – wird unter dem Begriff Resilienz, Widerstandskraft, zusammengefasst.

Drei schöne Erlebnisse pro Tag fördern die Gesundheit

Wenn Sie nun noch für das, was sich Ihnen gerade erschließt, Dankbarkeit empfinden können, stärken Sie Ihr Glückspotenzial sowie die damit verbundene Resilienz, die als Ressource hilft,einen bestmöglichen Weg durch die aktuelle Krisenzeit zu finden. Denn schon allein die Dankbarkeit für drei schöne Erlebnisse an einem Tag – und das können ganz kleine positive Dinge sein – fördern nachweislich sowohl die seelische als auch die körperliche Gesundheit.

Probieren Sie Letzteres doch mal gemeinsam mit Ihrem Freund aus: Sprechen Sie jeden Tag über drei schöne Momente und teilen Sie ihm zusätzlich mit, wie sich Ihnen Ihr Glückserleben vermittelt. Das wird Ihr Freund kaum oberflächlich finden, und es wird zudem seine Glücksfähigkeit entwickeln.