Doku „Gringo Trails“Was Backpacker anrichten können
Wie verändern Backpacker die Orte, die sie besuchen? Und wie verändert Reisen die Menschen? Der neue Dokumentarfilm „Gringo Trails“ liefert Antworten auf diese Fragen. Vom bolivianischen Dschungel über die Partystrände Thailands, von der Wüste im malischen Timbuktu bis zum abgelegenen Bhutan: „Gringo Trails“ lässt Backpacker und Einheimische zu Wort kommen. Ein Interview mit Regisseurin Pegi Vail.
Aus Ihrer Sicht: Warum verreisen Menschen eigentlich?
Pegi Vail: Schwierige Frage. Es gibt so viele Gründe. Mir fällt dazu ein Zitat des Schriftstellers Pico Iyer ein: „Wir reisen zunächst, um uns zu verlieren; und wir reisen dann, um uns zu finden.“ Wir reisen, um zu flüchten, um neue Kulturen kennenzulernen, um unsere Denkweisen zu überprüfen und unsere Grenzen zu testen. Manche Leute nehmen unterwegs eine andere Rolle ein oder tun Dinge, die sie zu Hause nicht tun. Auf jeden Fall verändern uns die Erfahrungen für immer – meistens positiv.
Welche Rolle hat Ihre eigene Freude am Reisen bei der Entstehung des Films gespielt?
Vail: Eine große. Seitdem ich als Teenager durch einen Schulausflug erstmals nach London und Paris gekommen bin, war mir klar: Reisen würde ein wichtiger Aspekt in meinem Leben werden. Auch meine Arbeit als Anthropologin hat mich dazu gebracht, diesen Film zu machen. In meinem Job beschäftige ich mich viel mit den wirtschaftlichen und politischen Aspekten von Tourismus und dem Einfluss, den Touristen weltweit haben.
Wie lange haben Sie an dem Film gearbeitet?
Insgesamt 14 Jahre, aber ich habe nicht ständig daran gearbeitet. Die ältesten Szenen stammen aus Bolivien, wo ich 1999 für meine Doktorarbeit recherchiert habe. 2010 und 2012 haben wir weitere Aufnahmen in Thailand, Bolivien und Bhutan gemacht. So dokumentiert der Film die Veränderungen in der Backpacker-Szene über einen Zeitraum von 15 Jahren. Das macht ihn aus meiner Sicht so spannend.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Folgen Backpacking hat.
Was halten Sie von Backpacking?
Backpacking ist super. Ich ermuntere meine Studenten immer, so viel zu reisen wie möglich. Junge Leute mögen Backpacking aus nachvollziehbaren Gründen: Es schont das Budget, man ist zeitlich flexibel und hat eher die Chance, authentische Erfahrungen zu machen. Natürlich gibt es immer Leute, die sich dabei verantwortungsvoller verhalten als andere. Und weil es inzwischen immer mehr Rucksackurlauber gibt, wirkt sich diese Art des Reisens ganz unterschiedlich aus. Einerseits hat Backpacking das Potenzial, positive Spuren zu hinterlassen: Touristen bleiben länger an einem Ort und können so die Einheimischen und ihre Kultur kennenlernen. Und obwohl Backpacker meistens ein kleines Budget haben, geben sie ihr Geld direkt vor Ort aus und nicht bei einem Reiseveranstalter.
Und andererseits?
Das zeigt unser Film ganz deutlich. Nehmen Sie nur das Beispiel Thailand: Die Vollmond-Party auf der Insel Koh Pha Ngan ist längst zur Massenveranstaltung geworden. Jeden Monat kommen tausende junge Leute dorthin, saufen wie am Ballermann und feiern eine Nacht lang als gäbe es kein Morgen. Am Tag danach gleicht der Strand einer Müllhalde: übersät mit Strohhalmen, Plastik- und Bierflaschen - und Betrunkenen, die ihren Rausch ausschlafen.
Regisseurin Pegi Vail arbeitet und lehrt als Anthropologin am Zentrum für Medien, Kultur und Geschichte der Universität von New York. Gringo Trails läuft auf diversen Festivals in Europa und den USA. In Deutschland wird der Film in Anwesenheit von Vail, Produzent Melvin Estrella und Costas Christ (Reiseredakteur vom National Geographic Traveler Magazine) am 26. Und 27. Juni im Moviemento Kino in Berlin-Kreuzberg gezeigt.
Mit diesem Bild vor Augen: Was würden Sie Reisenden gern mit auf den Weg geben?
Verhaltet euch beim Reisen so, wie wenn ihr in eurer Heimat das erste Mal jemanden zu Hause besucht. Betrachtet eure Urlaubsziele nicht einfach als Abenteuerkulisse. Versucht, euch vor der Abreise so gut es geht über die Kultur des Reiselands zu informieren. Vor Ort: Unterstützt lokale Initiativen, die den Einheimischen direkt zugute kommen. Wir sollten uns bewusst machen, wie privilegiert wir als Reisende sind: Wir können die ganze Welt sehen und so Menschen aus anderen Kulturen kennenlernen.