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„Prora Solitaire“ auf RügenWie eine ehemalige Nazi-Ruine zum Luxus-Hotel avanciert

Lesezeit 4 Minuten
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Hochherrschaftlich: Die Emfangshalle des Hotels.

An der Rezeption der einstigen Nazi-Ruine checkt eine Familie ein, die aussieht, als sei sie in Urlaubsstimmung, so suggerieren es zumindest die Bilder des neuen Hotels Prora Solitaire auf Rügen: eine Frau in Sandalen und kurzer weißer Bluse beugt sich über das Pult am Empfang, daneben ein Mann im roten Polohemd, eine Jugendliche in grauem Kapuzenpulli und ein Teenager in kurzer Nike-Hose und Turnschuhen.

Das Hotel Prora Solitaire hat seit diesem Jahr eröffnet und verzeichnete nach eigenen Angaben in diesem Sommer schon eine Auslastung von 95 Prozent – obwohl es noch gar nicht fertig gestellt ist. Erst Mitte 2017 sollen alle Bauarbeiten in der Anlage beendet sein.

Kronleuchter, Leder-Sessel, Industrie-Chic

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Kronleuchter und schwere Sessel: die Lobby des Hotels.

In der Lobby hängen Kronleuchter von der Decke, schwere braune Ledersessel stehen vor einer hell erleuchteten Bar im Industrie-Design, große holzvertäfelte Türen geben den Blick frei auf einen weißen Sandstrand und die Ostsee. Wer im Pool vor der Tür liegt, schaut über die Dünen Richtung Meer.

Keine Frage, wer sich innerhalb des Hotels „Prora Solitaire“ aufhält, merkt nichts davon, dass er sich in einer ehemaligen Nazi-Ruine befindet. Wer allerdings an dem Hotel in „Block 2“ des einstigen Nazi-Komplexes am Strand entlang läuft und die anderen gleichförmigen vier Blöcke sieht, der ahnt, dass die Gebäude einen militärischen Hintergrund haben.

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Alles modern: Die Rezeption des neuen Hotels.

Prora – ein Stück deutsche Geschichte

Durch die Geschichte dieses Hotels könnte man gleichzeitig die Deutschlands erzählen: Die Nazis bauen monotone Betonklötze in Prora an der Küste von Rügen, die zusammen als sogenannte „Kraft durch Freude“-Ferienanlage dienen sollen. An der Prorer Wiek zwischen Binz und Sassnitz wird am 2. Mai 1936 auf Hitlers Anweisung der Grundstein gelegt.

Die Propaganda-Maschinerie der Nazis macht auch vor der Sommerfrische nicht halt. 20.000 Menschen sollen in den „Blöcken“ an der Ostsee ihre Ferien verbringen können. Doch dazu kommt es nicht mehr - der Krieg kommt dazwischen. Die Blöcke verwaisen als Ruinen.

Die NVA und die Bundeswehr zogen zwischenzeitlich ein

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Schwere Ledersessel: Die Bar des Hotels Prora Solitaire.

Zu DDR-Zeiten wird das verhinderte Seebad von der NVA, der Nationalen Volksarmee, genutzt, später, nach dem Fall der Mauer zieht die Bundeswehr ein – bis 1996. Die Anlage wird unter Denkmalschutz gestellt und vom Bund an private Investoren verkauft. Einer von ihnen ist Ulrich Busch, Sohn des bekannten DDR-Sängers und –Schauspielers Ernst Busch. Er kauft 2006 zwei der alten Naziblöcke, ist heute noch als „freier Projektentwickler“ vor Ort tätig.

Spa-Bereich mit Saunen und Außenpools

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Fast fertig: Das Hotel von außen.

100 Apartements und Suiten des Hotels „Prora Solitaire“ sind heute schon in Betrieb, 150 sollen es insgesamt werden. Die Zimmer hätten guten Mittelklasse-Standard, zwischen vier und fünf Sternen, mit Fußbodenheizung und großzügigen Balkonen, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Ab der kommenden Saison 2017 soll auch der Spa-Bereich mit Saunen, einem Schwimmbad und drei Außenpools fertiggestellt sein. Eine Woche in einem 45-Quadratmeter Appartement für zwei bis vier Personen kostet in der Nebensaison 666 Euro pro Woche, in der Hauptsaison dagegen 1200 Euro pro Woche. Das wären in der Hauptsaison rund 200 Euro pro Nacht – ein stattlicher Preis.

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Pool in den Dünen: Entspannen in einer einstigen Nazi-Ruine.

Die Betreiber legten Wert auf Individualität, so der Sprecher. Alle Zimmer und Ferienwohnungen seien individuell gestaltet. „Die unterschiedlichen Appartements und Suiten haben den Geist der Uniformität und Gleichschaltung aufgebrochen.“

Geschichte des Hotels spiele für Besucher „untergeordnete“ Rolle

Dass es sich bei dem neuen Luxushotel um eine ehemalige Nazi-Ruine und eine militärische Anlage aus DDR-zeiten handelt, spiele für die Hotelgäste „eine untergeordnete Rolle“, sagte der Sprecher. Die Besucher empfänden das nicht als „negativen Aspekt“, sondern fänden es „spannend“, was aus der Ruine geworden sei. Wer sich für die Geschichte des Gebäudes interessiere, könne sich zudem in den Museen vor Ort informieren, so der Sprecher.

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Helle Farben: ein Apartment des Hotels.

„Ein Seebad für alle“

Auch mit zweifelhaften Gästen, etwa Neonazis, die an die einstige Nazistätte pilgern und deswegen im Hotel absteigen, scheinen die Betreiber nicht zu rechnen. Im Gegenteil: „Ziel der Sanierung ist es, vor allem zu zeigen, dass dieses Gebäude gewandelt werden kann zu einer modernen Immobilie unter Vorzeichen heutiger Werte einer individuellen, demokratischen Gesellschaft“, so der Sprecher.

„Pora wird für ein Seebad stehen, in dem Menschen verschiedener Schichten leben, arbeiten und sich erholen werden.“ Ob es sich dabei nun um Mieter handele, die in Binz oder Pora arbeiten, um Unternehmer, die sich eine luxuriöse Zweitwohnung gönnten, oder um Familien, die ihren Urlaub am Strand verbringen wollten. Schon jetzt sei das Publikum sehr gemischt.

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Individuell gestaltet: die Apartments des Hotels.

Die Besucher, die auf der Buchungsplattform Booking.com eine Bewertung hinterlassen haben, gehen jedenfalls mit keinem Wort auf die Vergangenheit des Hotels ein. Über seinen Aufenthalt in der einstigen Nazi-Anlage schreibt ein User etwa bei Booking: „Alles tiptop sauber und hochwertig eingerichtet. Direkt am Strand mit Meerblick aus allen Fenstern. Personal sehr nett.“ Für die meisten, so scheint es, lässt es sich auch auf vorbelastetem Boden gut entspannen.

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Mit Material von dpa