In Sachen LiebeMeine beste Freundin findet keinen Partner, weil sie zu schüchtern ist
- Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
- Im wöchentlichen Wechsel beantworten die erfahrenen Psychologen Damaris Sander und Peter Wehr sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex, Kindererziehung und alles, was Paaren begegnet.
- In dieser Folge stellt sich Damaris Sander der Frage, wie extrem schüchterne Menschen einen Partner finden.
Meine beste Freundin (42) ist hübsch und nett – und seit vielen Jahren Single. Ihr Hauptproblem ist, dass sie sehr schüchtern ist, wenn es um Männer geht. Online-Dating-Plattformen kommen für sie nicht in Frage, und wenn wir abends ausgehen, traut sie sich nicht, den Männern, die sie attraktiv findet, Signale zu senden – sicher auch aus Angst, einen Korb zu bekommen oder im womöglich folgenden Gespräch kein vernünftiges Wort rauszubekommen. Was unbegründet ist: Im Umgang mit ihren Freunden ist sie sehr schlagfertig und witzig. Ich weiß, dass sie sehr darunter leidet, keinen Freund zu haben. Ich weiß aber auch nicht, wie ich ihr helfen kann, ihre extreme Schüchternheit zu überwinden.
Schade, dass Ihre Freundin ihren Wünschen nach einer Partnerschaft mit ihrer Angst so sehr im Weg steht. Massive Schüchternheit kann eine große Last sein. Was die einen nur als Lampenfieber vor Prüfungen oder größeren Auftritten kennen, erleben die anderen in harmlos wirkenden sozialen Situationen: das Herz klopft, der Mund wird trocken, der Kopf ist leer. Wo einmal Schlagfertigkeit und Humor waren, ist einfach: nichts. Und ich frage mich gerade, ob die Tatsache, dass Sie sich an uns wenden und nicht Ihre Freundin selbst, auch schon Ausdruck dieser Schüchternheit ist.
Mein erster Ratschlag wird Sie vielleicht überraschen: Ihre Freundin sollte durchaus auch einmal allein ausgehen. Es ist verständlich, dass sie sich in Ihrer Gesellschaft sicherer fühlt. Allerdings kann es auf einen flirtwilligen Mann einschüchternd wirken, wenn er befürchten muss, dass sein Verhalten oder Aussehen von zwei Freundinnen gründlich analysiert wird. Den Schritt in eine Partnerschaft kann man letztlich nur allein gehen. Man könnte ihn vergleichen mit einem Schritt aus der Entwicklungspsychologie, wenn das Mädchen die Hand der Mutter loslässt, um die des Vaters zu ergreifen. Nun ist Ihre Freundin natürlich eine gestandene Frau. Nichtsdestotrotz sind wir in unserem Bindungsverhalten auch im Erwachsenenalter von frühen Mustern geprägt. Der Übergang von „Mutter“ zu „Vater“ gelingt dann gut, wenn das Mädchen sich sicher ist, jederzeit zur Mutter zurückkehren zu können, und wenn es sich beim Vater willkommen, geliebt und in seiner Weiblichkeit anerkannt fühlt.
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Sie können Ihre Freundin unterstützen, indem Sie deutlich machen, dass Sie sich nicht zurückgesetzt fühlen, wenn diese auch einmal eigene Wege geht. Unbewusst schützt Ihre Freundin nämlich durch ihr Single-Sein ein stückweit vielleicht auch Ihre gemeinsame Verbindung – hätte sie einen Partner, würde Ihr Kontakt womöglich lockerer werden.
Erfahrungen machen, die das weibliche Selbstwertgefühl stärken
Desweiteren wäre es gut, wenn Ihre Freundin Erfahrungen macht, die ihr weibliches Selbstwertgefühl stärken. Das ist ja das Verzwickte an Ängstlichkeit und dem daraus resultierenden Vermeidungsverhalten, dass keine positiven Erfahrungen mehr gesammelt werden, die die Ängste relativieren. Also: Ausprobieren ist angesagt. Sie können gemeinsam mit Ihrer Freundin überlegen, was sie sich zutraut. Vielleicht mag sie nicht abends beim Ausgehen unbekannte Männer ansprechen, hätte aber den Mut, beispielsweise gegenüber ihrem netten Sitznachbarn im Volkshochschulkurs die Initiative zu ergreifen. Was sich für jemanden stimmig anfühlt, wenn es darum geht, mit einem potenziellen Partner in Kontakt zu kommen, ist sehr individuell.
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Ihre Freundin sollte zudem wissen, dass sie mit ihrer Schüchternheit nicht allein dasteht, und sich, falls sie das möchte, auch Unterstützung suchen. Es gibt Flirtkurse, in denen man die Annäherung in einem geschützten Rahmen ausprobieren kann. Falls Ihre Freundin in hohem Maße unter ihrem Singledasein leidet, sich gleichzeitig aber nicht in der Lage fühlt, an ihrer Schüchternheit zu arbeiten, kann sie sich auch an eine Selbsthilfegruppe wenden oder sich in einer psychotherapeutischen Sprechstunde beraten lassen.Auch wenn Sie also Ihrer Freundin das Problem nicht abnehmen können, gibt es doch einiges, was Sie für sie tun können.