In Sachen LiebeKann man sich durch zu viel Selbstbefriedigung schaden?
- Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
- Im wöchentlichen Wechsel beantworten die Psychotherapeuten Désiree Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und Kindererziehung.
- In dieser Woche erklärt Volker Wittkamp, auf was man bei der Selbstbefriedigung achten sollte.
Köln – Neulich kam mir – aus gegebenem Anlass – eine oft gehörte Warnung in den Sinn, dass Masturbation schlecht für die Gesundheit sei. Ich dachte, ich frage auf diesem Wege mal einen Arzt, ob da etwas dran ist. Timor (42)
Von solchen Warnungen habe ich auch schon gehört. Tatsächlich werde ich auch gar nicht so selten auf deren Wahrheitsgehalt angesprochen und nach meiner Einschätzung als Urologe gefragt. Die gesundheitlichen Gefahren beim Solo-Sex sollen mannigfaltig sein: Selbstbefriedigung soll Pickel hervorrufen, in besonders schlimmen Fällen blind machen, vor allem aber die Testosteron- und Spermienspeicher des Mannes leeren. Untermauert wird diese These gern mit der Spruchweisheit: „Nach 1000 Schuss ist Schluss.“
Um Sie nun nicht länger auf die Folter zu spannen, beginne ich mit der guten Nachricht: Fast alle diese scheinbar wohlmeinenden Warnungen gehören ins Medizinhandbuch „Mythen und Legenden“. Die vermeintlich großen Gefahren sind aus urologischer Sicht einzig und allein eines: großer Quatsch. In welcher Aussage ein bisschen Wahrheit steckt, erkläre ich Ihnen am Ende der Kolumne.
Hinter der Pickel-Panikmache jedenfalls steckt nichts anderes als ein simples zeitliches Zusammenfallen mit den ersten Masturbationserfahrungen in der Pubertät. Durch die Hormonumstellung des jugendlichen Körpers blüht in dieser Phase die Akne, während parallel dazu das Interesse steigt, den eigenen Körper zu entdecken. Kommt der Jugendliche dem nicht nach, hat er deshalb nicht weniger Pickel.
Durch Selbstbefriedigung lernt man seinen Körper besser kennen
In vielen Studien konnte nachgewiesen werden, dass Selbstbefriedigung Stress abbaut, das Selbstwertgefühl steigert und für ein erfüllteres Liebesleben in der Partnerschaft sorgt. Durch Selbstbefriedigung lernt man sich und seinen Körper besser kennen und kann kommunizieren, wie und wo man besonders sensibel ist.
Und keine Sorge: Spermien werden immer in ausreichender Menge nachproduziert und können sogar in ihrer Qualität gesteigert werden. Nebenbei wird – übrigens bei beiden Geschlechtern – beim Masturbieren der Beckenboden trainiert.
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Falls Sie nun noch nicht vollends von der positiven Wirkung überzeugt sind, könnte ich noch das Argument beisteuern, dass ein häufiger Samenerguss das Risiko senkt, an Prostatakrebs zu erkranken, und dass weibliche Selbststimulation bei Menstruationsbeschwerden helfen kann.
Etwas komplizierter gestaltet es sich mit dem Testosteron-Wert. Während der Selbstbefriedigung steigt dieser an. Tatsächlich konnten die höchsten Werte allerdings bei Männern nach einer siebentägigen Enthaltsamkeit nachgewiesen werden. Noch längerer Verzicht steigert das Testosteron dann aber nicht weiter. Wer auf einen hohen Testosteron-Spiegel setzt, zum Beispiel vor einem sportlichen Wettkampf, könnte also über eine zeitweilige Enthaltsamkeit nachdenken. Allerdings überwiegen auf Dauer wohl die anderen Vorteile der Masturbation.
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Ein paar Regeln für den Solo-Sex möchte ich Ihnen abschließend dann auch noch an die Hand geben. Zum einen sollte er natürlich nicht zur Sucht werden. Es kommt schon vor, dass man zum Beispiel Freunde oder den Beruf vernachlässigt und an überhaupt nichts anderes mehr denken kann. Kurze Phasen einer solchen Fixierung sind in der Pubertät allerdings nicht gleich bedenklich.
Auch sollte man natürlich nicht im öffentlichen Raum oder vor anderen masturbieren, die damit nicht einverstanden sind. Das gilt auch für die virtuellen Räume der sozialen Netzwerke. Und natürlich sollte man darauf achten, nur geeignete technische Hilfsmittel einzusetzen. Warum ich das eigens betone? Nun, ich bin halt Urologe, und glauben Sie mir, ich habe da leider schon einiges an Katastrophen gesehen.