Mein Sommer im BulliWann Urlaub mit VW-Bus ein Traum ist – und wann eher nicht so
„Heeeerrliche Freiheit!“. Das war das Top-Argument unserer fünfjährigen Tochter für den Urlaub im Camping-Bus. „Wir konnten uns gar nichts anderes leisten damals.“ So begründet meine Mutter die Bulli-Urlaube meiner Kindheit in den 80er Jahren. „Och, ausprobieren können wir es ja mal.“ lautete unser Fazit. Und wir haben es getan: Drei Wochen Sommerurlaub im brandneuen T6 meines Bruders.
Urlaub mit dem Campingbus ist gerade en vogue
Superindividualistische Entscheidung dachten wir. In Wirklichkeit machen wir mal wieder das, was alle machen. Denn Urlaub mit dem Campingbus ist gerade la derniere crie, der heiße Scheiß. Die Campingwirtschaft rechnet laut DIHK mit dem achten Rekordsommer in Folge. Denn: Die Deutschen kaufen immer mehr Wohnwagen. Seit 2013 stieg besonders die Zahl der angemeldeten Wohnmobile, zu denen auch Kleinbusse wie die VW T-Reihe mit Campingausstattung gehört – unser Modell.
Wie angesagt Urlaub im Bus gerade ist, zeigen auch die unzähligen Bilder von sagenhaften Aussichten aus der Heckklappe in sozialen Netzwerken wie Instagram. Allerorten unverstellte Blicke auf Meer, Berge, Wald und Wiesen mit Sonnenauf- oder untergang. Dazu der Hashtag #vanlife, der suggerieren soll: So einzigartig ist das Leben im Bus.
Nach drei Wochen Urlaub mit Bus kann ich sagen: Ganz so idyllisch ist es dann auch wieder nicht.
Fünf Gründe, die unbedingt für Bulli-Urlaub sprechen – und fünf, die man zumindest nicht außer Acht lassen sollte…
Urlaub im VW-Bus ist das Tollste…
… weil Bulli-Besitzer die coolsten Hunde auf dem Platz sind
Seit 70 Jahren rollt der VW Bulli über die Straßen und verkörpert abwechselnd das deutsche Wirtschaftswunder, die Hippie-Bewegung oder schlicht die Freiheit auf Rädern. Es ist ganz egal, ob man einen betagten T3 sein eigen nennt oder einen brandneuen T6 – die Leute mit den VW-Bussen profitieren vom jahrzehntealten Kultstatus dieses Autos, sie sind automatisch cool. Fast jeden Tag kommt jemand vorbeigeschlendert, der mal „einen Blick reinwerfen will“ und dann anerkennend murmelt: „Alles drin.“
… weil man alles Wichtige an Bord hat
Was braucht man wirklich im Urlaub? Was zum Schlafen, was zum Kühlen, was zum Kochen. Check, check, check – tatsächlich „alles drin“ im Campingbus. Und darüber hinaus gehören auch noch ein Tisch und zwei Campingstühle zum Inventar.
Wer denkt, eine zusätzliche Toilette an Bord wäre toll, hat noch nicht den entwürdigenden Gang mit dem Fäkaltank zur Entsorgungsstation gemacht. Mal abgesehen davon, dass auch die Akustik auf so engem Raum – sagen wir: gewöhnungsbedürftig ist.
… weil man sich überall hinstellen kann
Zumindest in der Theorie ist die Freiheit im VW-Bus ziemlich groß, denn hinstellen kann man sich damit überall (wo Wildcampen noch erlaubt ist). Aber auch auf dem Campingplatz ist die Auswahl an passenden Stellflächen größer als für Besitzer von Wohnwagen. Und das lästige Rangieren des Anhängers entfällt.
… weil er nicht nur ein Wohnmobil, sondern auch ein Zelt ist
Es gibt zwei magische Schlafplätze in einem VW-Bus: Unten, wenn die Heckklappe geöffnet ist und den Blick auf das Meer oder eine andere tolle Aussicht freigibt. Oder oben, im Hubdach, wenn eine pinienduftgeschwängerte Brise sanft durchs Moskitonetz tänzelt…
… weil damit auch die Anreise schon Urlaub ist
Ja sicher, Vati alljährlich beim Koffer-Tetris im Passat zuzusehen war lustig. Danach acht Stunden mit angezogenen Beinen auf der Rückbank zu sitzen, weil eine Tasche nicht mehr hinten rein gepasst hat, weniger. Im VW-Bus gibt es keine Platznot. Hinter der Rückbank werden Gummiboot, Koffer und Decken locker verstaut und die Bordverpflegung kommt gleich in den Kühlschrank. Im Fußraum: gähnende Leere.
Urlaub im VW-Bus nervt aber auch…
… weil eben doch nicht alles reinpasst
Wer eben noch gestrahlt hat, wie einfach das Reisegepäck in den VW-Bus passt, fragt sich spätestens auf dem Campingplatz: Wohin mit dem ganzen Zeug, wenn die Betten aufgebaut sind? Dann passt nämlich gar nichts mehr in den Bus. Lösung 1: Alles in die Fahrerkabine und tagsüber wieder zurück. Lösung 2: ein Vorzelt.
… weil es permanentes Rödeln bedeutet
Spätestens nach zwei Tagen kommt die erste leise Sehnsucht nach dem Hotelbuffet auf. Hinsetzen, frühstücken, zum Strand gehen. Beim Campen heißt es hingegen: Sitzecke aufbauen, Mahlzeiten zubereiten, essen, abräumen, spülen, einräumen und das Ganze dreimal am Tag. Will man nicht drei Wochen Dosenfutter zu sich nehmen will, muss auch noch mindestens alle zwei Tage eingekauft werden – die Ausmaße des Kühlschranks sind begrenzt.
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Ohne Vorzelt ist das mit dem Einkaufen auch so eine Sache: Entweder muss man den ganzen Bus umbauen, um alle Habseligkeiten wieder unterzubringen oder auf die Zeltnachbarn vertrauen. Und selbst dann bedeutet es: Betten abbauen und Hubdach einziehen, Kram verstauen. Unter einer halben Stunde geht das bei 35 Grad auch nicht.
… weil tiefer Schlaf darin unmöglich ist
Ausschlafen im VW-Bus? Vergessen Sie es. Abends ist es unten so heiß, dass man nicht einschlafen kann, morgens verglüht man im Hubdach. Und selbst wenn man einmal sanft entschlummert ist, wird man von jeder Drehung der Mitreisenden wieder geweckt, denn dann schaukelt der ganze Bus. Während man sich an das Schaukeln noch gewöhnen kann, so doch niemals an das Öffnen und Schließen der Seitentür, wenn mitten in der Nacht einer auf Toilette muss.
… weil alle Bilder vom Schlafen mit geöffneter Heckklappe oder Seitentür gelogen sind
Es könnte sooo romantisch sein: Abends Seitentür auf und die erste frische Brise der Nacht genießen. In Wahrheit ist es: Selbstmord. Denn mit der frischen Brise stürmen ungefähr 100 Moskitos mit in den Bus. Oder nur eine. Aber die sticht wie 100.
Nur wer sich eine ausgefeilte Lösung für ein Moskitonetz ausgedacht hat, nämlich eine, die man schnell anbringen und auch wieder abmachen kann, darf sich auf dieses Abenteuer einlassen. Ansonsten: Türen zu und flach atmen.
… weil man quasi keine Privatsphäre hat
Umziehen im VW-Bus, das ist nur möglich, wenn man entweder sehr gelenkig ist oder niemand mehr im Hubdach schläft und man das Bett hochklappen kann. Dann kann man schon mal stehen. Das löst aber noch nicht das Problem der tausend Fenster. Denn selbst wenn man im hinteren Teil des Busses alle Rollos heruntergezogen hat, kann trotzdem noch jeder durch die Fahrerkabine reinschauen.
Am Ende ist #vanlife so wie das Leben selbst: Irgendeinen Haken gibt's immer. Unser Fazit: Wir würden's trotzdem noch mal machen. Und jedem mindestens einmal im Leben empfehlen.