Nachhaltig reisenWarum ein Trip nach Namibia klimafreundlich sein kann
- Reisen in weit entfernte Länder sind oft nicht nur anstrengend, sondern schaden auch der Umwelt.
- In Namibia wird nun versucht, den Tourismus möglichst umweltfreundlich zu gestalten.
- Auch Reiseveranstalter reagieren mittlerweile auf Nachhaltigkeits-Wünsche der Urlauber.
Köln/Namibia – Orte, an denen zwischen Horizont und Auge nicht viel passiert außer Grün und Blau, nur ab und zu Zikaden zirpen und der Sternenhimmel beinahe übertrieben leuchtet, sind naturgemäß selten und zugleich traumhaft schön. An einem solchen Ort liegt die Nambwa Tented Lodge im Nordosten Namibias.
Manchmal ziehen ganze Elefantenherden an dem Luxus-Camp auf Stelzen vorbei, ab und zu hievt eine Leopardin den Rest ihrer nächtlichen Beute auf einen Baum, leise beobachtet durch Fernglaslinsen. Schon kurz nach dem Frühstück spult die Natur ihre Sensationen ab.
Was die Safarigäste am Ufer des Kwando Flusses im Bwabwata Nationalpark nicht sehen ist, wie einmal pro Woche ein Anhänger jeden noch so kleinen Müllschnipsel stundenlang über die Sandpiste zu einem einigermaßen organisierten Sammelort transportiert. Wie 600 Eier pro Woche aus dem tausend Kilometer entfernten Windhuk anreisen. Oder wie ein Generator mit Diesel den Strom für das Licht produziert, wenn die Sterne mal nicht so hell funkeln.
Recycling-System für Namibias Landbevölkerung
Deshalb hat Lodge-Manager Tinus Adriaanse große Pläne. So viele Lebensmittel wie möglich will er an diesem Ort selbst erzeugen und auch wieder kompostieren.
Für Getränkedosen möchte er ein Mini-Recycling-System aufbauen, das Mitglieder der umliegenden Gemeinden betreiben sollen; die Verarbeitung von Glasabfällen zu Schmuck soll der Landbevölkerung Beschäftigung und Einkommen verschaffen.
Dieses Prinzip ist Teil des landesweiten Programms „Community based Natural Resource Management“. Es fördert die Integration der ländlichen Kommunen in touristische Unternehmen und beteiligt sie so am Gewinn der Lodges. Der Schutz von Ressourcen und Umwelt sowie die Einbindung der lokalen Bevölkerung stehen im Mittelpunkt des Programms. Ein Plan, den auch deutsche Institute wie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ oder die Naturschutzorganisation WWF unterstützen.
Namibias Tourismusziel: Kaum Spuren, viel Geld
Aber Reisende zerstören auch immer ein Stück dessen, was sie lieben – auch im Urlaub. Deshalb beantwortet Steve Felton, WWF-Kommunikationsberater in Namibia, die Frage nach perfektem Tourismus so: „Low impact, high benefit“ – der ideale Reisende hinterlässt wenige Spuren, lässt aber viel Geld im Land. Er könnte in der Nambwa Tented Lodge wohnen, im April für umgerechnet rund 800 Euro pro Nacht. „Wenn vier Leute in einem Allradwagen hier durch die Parks fahren und die Natur respektieren, passiert quasi nichts, was die Umwelt beeinträchtigt. Wenn dahinter ein Bus mit 40 Leuten fährt, sieht das schon anders aus“, sagt Felton.
Was aber kann der ganz normale Tourist tun, um möglichst nachhaltig unterwegs zu sein? „Das zentrale Problem beim Reisen ist die Ortsveränderung“, beginnt Hartmut Rein seine Auflistung der Herausforderungen am „besseren Reisen“. Der Professor an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde kennt die Fallstricke des modernen Tourismus gut.
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Vor Ort sei es recht einfach, umweltfreundliche und sozialverträgliche Konsumentscheidungen zu treffen. „Aber das CO2, das ich bei der Anreise produziere, kann ich kaum durch eine angepasste Lebensweise wieder ausgleichen.“ Möglichkeiten, die Sünden der Flugreise etwas abzumildern, gibt es aber trotzdem: den CO2-Ausstoß zum Beispiel mit Geld zu kompensieren und somit Umweltprojekte zu unterstützen, sich eine Fluggesellschaft mit möglichst modernen und damit CO2-sparenderen Maschinen auszusuchen (das geht zum Beispiel anhand des sogenannten Airline Index) – und sich seine Reiseentscheidungen schlicht bewusster machen.
CO2-Spartipp: Lange Anreise, langer Aufenthalt
„Wenn ich nach Südamerika oder nach Neuseeland will, dann sollte ich möglichst lange bleiben, damit sich der CO2-Ausstoß auf eine längere Reise verteilt“, empfiehlt Hartmut Rein.
Eine ökologische Todsünde ist demnach der Shoppingtrip übers Wochenende nach Venedig oder gar nach New York. „Das ist völlig überflüssig und solche Reisen sollte man lassen“, da ist der Professor für das Fachgebiet Nachhaltiges Destinationsmanagement ganz klar. Seine Faustregel: Fliegen erst ab 700 Kilometer Distanz, alles andere sei in Europa auch gut per Bahn, Bus oder Auto zu bewältigen. Und: Direktflüge planen, um möglichst wenige Starts und Landungen zu verursachen.
Oder ist es denn dann vielleicht sogar besser, gar nicht mehr zu fliegen? Nicht unbedingt, findet der Experte. Nachhaltiges Reisen bedeute nicht nur, umweltfreundlich unterwegs zu sein, sondern auch sozial und ökonomisch effektiv vor Ort zu leben.
Immerhin erwirtschaften viele Regionen der Welt ihre Einkommen durch den Tourismus – wenn plötzlich kein Urlauber mehr käme, weil es in die Südsee eben nur per Flugzeug geht, hätte das für die Menschen dort empfindliche Einbußen zur Folge. „Es gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, was am besten ist. Wir müssen eben immer versuchen, den bestmöglichen Weg zu gehen“, resümiert Hartmut Rein.
Auf die Malediven für ein Insstagram-Foto?
Besseres Reisen entstehe aber vor allem dadurch, sich seinen persönlichen Fußabdruck in der Welt bewusst zu machen – auch im Urlaub: Muss ich tatsächlich drei Mal im Jahr kurz verreisen, um bei Instagram neidisch-machende Fotos am weißen Strand der Malediven, auf der Wasserschaukel über dem blauen Ozean in Thailand und vom Empire State Building in New York posten zu können?
Die Kurztrips per Flieger nach Wien, Paris, London oder Rom nicht zu vergessen, um ein tolles Shopping- oder Kultur-Erlebnis zu haben? „Schon seit einigen Jahren geht es beim Reisen immer mehr um Statussymbole“, fasst Tourismusforscher Rein dieses Phänomen zusammen. Kleiner Nebengedanke: Ob sich die Urlauber bei diesen High-End-Reisen tatsächlich erholt haben, zeigt keines der Bilder in den sozialen Netzwerken. „Wir müssen den Symbolwert des Urlaubs verändern. Es sollte wieder mehr zum Status gehören, einen intensiven Urlaub zu haben, statt besonders oft und weit weg zu fahren“, wünscht sich Rein. Er selbst reist seit Jahren privat nicht mehr weit weg und sagt, er genieße seine freie Zeit lieber im Berliner Umland.
Wie aber finden diejenigen, die trotz ihres grünen Gewissens verreisen wollen, passende Angebote?
Nachhaltigkeit durch entsprechende Reise-Siegel
Ähnlich wie beim Bio-Einkauf gibt es auch für nachhaltige Reisen diverse Siegel, die dem Kunden den Weg weisen sollen. Allerdings entwickelt sich die Masse an Labeln eher zu einem Dschungel, den kaum einer mehr durchblicken kann. Ein Siegel, das gute Anhaltspunkte liefert, ist beispielsweise „TourCert“, das von einer gemeinnützigen GmbH an Reiseveranstalter, Reisebüros oder Hotels vergeben wird und zeigt, wie sozial- und umweltverträglich eine Reise ist.
Auch „Green Globe“ oder „Viabono“ weisen Unterkünfte aus, die sich um die Umwelt kümmern. Bis zu einem einheitlichen Siegel ist es offenbar noch ein weiter Weg. Dabei würde es sich lohnen: Knapp ein Drittel aller Reisenden gibt an, auf Nachhaltigkeit beim Reisen Wert zu legen. Das Problem: Nur für gerade einmal zwei Prozent der Verbraucher ist dieses Kriterium bei der Buchung dann letztendlich ausschlaggebend, weiß Hartmut Rein. Eine der Ursachen sei, dass Buchungswillige solche Angebote erst einmal wahrnehmen und identifizieren können müssen.
So finden sich zwar bei Reiseveranstaltern durchaus Hinweise auf umweltfreundliche Hotels, aber auf Buchungsplattformen wie booking.com kann der Kunde nicht nach Stichworten wie „Nachhaltigkeit“ filtern – auch wenn einzelne umweltfreundliche Hotels mit Siegeln versehen sind.
Reiseveranstalter erkennen Trend und reagieren
Wichtige Auswahlkriterien zur Nachhaltigkeit sucht der User auf Buchungsseiten im Internet hingegen vergebens. Dabei würde er gerne wissen: Befindet sich eine Ladestation für E-Autos in der Nähe? Verwendet ein Hotel nur Bio-Produkte oder arbeitet es besonders ernergiesparend?
Reiseveranstalter wie TUI, FTI oder Thomas Cook haben die gestiegene Nachfrage nach guten Reisen erkannt. Sie bieten ihren Kunden inzwischen mehr Informationen, die Auskunft geben über die Sozial- und Umweltverträglichkeit ihres geplanten Urlaubs – oder wie sie konkret danach suchen können.
Das Angebot sei auch ein Ergebnis eigener Kundenbefragungen, teilen die Unternehmen auf Nachfrage mit. Ein wichtiger Punkt sei dabei zu beachten, so Rein: Von den Veranstaltern selbst vergebene Nachhaltigkeitssiegel sollten Kunden mit Vorsicht bewerten. Hinter TUIs „Umwelt Champion“ stünden zwar ordentliche Kriterien, diese jedoch seien nach eigenen Standards gesetzt – und ließen sich nicht zwangsläufig auf andere Anbieter übertragen.
Nachhaltige Angebote auch für Pauschalreisen
Auch eine Pauschalreise kann nachhaltig sein – besonders wenn der Reisende direkt über Dachmarken wie das „Forum Anders Reisen“ bucht. Der Verband deutscher Reiseveranstalter mit 140 Mitgliedern hat sich dem nachhaltigen Tourismus verpflichtet.
Urlaube mit Anbietern aus dem Verband müssen nicht zwangsläufig teurer sein als eine herkömmliche Variante, bei der der Hotelier wenig Wert auf Solarstrom und anständige Bezahlung des Küchenpersonals legt.
„Die nachhaltigste Reise, die Sie machen können, ist ein Fahrrad- oder Wanderurlaub. Der ist nicht teuer“, sagt Nachhaltigkeitsexperte Rein. Und dennoch: Wenn eine kleine Lodge im tiefsten Namibia ihr Augenmerk auf Recycling, Bio-Anbau und Wasseraufbereitung legt, ist das bereits ein großes Stück besser als das Hotel, das sich überhaupt nicht für Müllvermeidung und faire Gehälter interessiert. Und im Bett unterm Sternenzelt, das von fair bezahltem Personal gemacht wurde, lässt es sich gleich besser entspannen – vor allem, wenn wir uns endlich wieder Zeit fürs Sterngucken im Urlaub nehmen.