Pilotin packt ausDer frustrierende Alltag bei einer Billig-Airline
„Ich hatte einst einen Traum vom Fliegen“, so beginnt eine junge Pilotin ihre schonungslose Abrechnung über den Alltag bei einer Billig-Airline. „Nach nunmehr zehn Jahren mache ich mir keine Illusionen mehr über die Romantik des Berufs, über die Fähigkeiten mancher Kollegen oder ein Mindestmaß an Respekt, das mir von meinem Arbeitgeber entgegengebracht werden könnte.“
Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, beschreibt die 32-Jährige unter dem Pseudonym Julia November in ihrem Buch „Kaufen Sie noch ein Los, bevor wir abstürzen“ das harte Low-Cost-Geschäft. Den Namen der Fluggesellschaft nennt die Autorin zwar nicht, welche Airline gemeint ist, wird aber schnell deutlich. Einige Auszüge über den täglichen Wahnsinn im Flugzeug lesen Sie hier.
Ansprache
Wer hätte das gedacht? Im Cockpit liegt eine Liste mit Standardansprachen für alle Eventualitäten. Die Piloten brauchen also nur ablesen. Um die Passagiere nicht zu verunsichern oder gar in Panik zu bringen, „wird im Handbuch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man keine kritischen Wörter wie Sturm, Hagel, Nebel, Schneesturm, Gewitter, Blitz, Donner, Systemausfall, Problem oder Notsituation verwenden darf“.
Essen an Bord
Speisen und Getränke hätten Imbissbudenniveau: „Optik und Geschmack der überteuert angebotenen Waren sind nichts für den Hobbygourmet, sondern eher etwas für hart gesottene Mägen und für Menschen, denen der ein oder andere Zusatzstoff keine großen Sorgen bereitet.“
Sauberkeit
Aufgeräumt und saubergemacht wird zwischen den Flügen nur grob. Schließlich müsse alles schnell gehen. „Sollten Sie bis dato gedacht haben, professionelles Reinigungspersonal würde zwischen den Flügen durch den Flieger huschen, weil Ihnen alles andere nicht zumutbar erscheint, so empfehle ich Ihnen künftig die Buchung von ausschließlich Frühflügen“, lautet Novembers knapper Rat.
Männliche Kollegen
„Nicht selten verwechseln meine Kollegen die räumliche Enge im Cockpit mit Intimität“, erzählt Julia November. Viele ihrer männlichen Kollegen blätterten während des Fluges im Playboy oder Pornoheften und gingen grundsätzlich davon aus, dass sie auf Frauen unwiderstehlich wirkten. Ihr „etwas seltsames Verständnis von Partnerschaft“ führe dazu, dass viele Piloten Affären mit Stewardessen hätten, „parallel aber Frau und Kind in einer anderen Stadt. Pikant werden die Affären zwischen Piloten und Crewmitgliedern erst dann“, so November, „wenn die Dame mehr möchte oder spontan schwanger wird“.
Und was die Autorin dann noch erwähnt, möchte sich kein Passagier vorstellen: „Viele meiner Kollegen essen fast permanent im Flugzeug, überwiegend ekliges und ungesundes Zeug, und ich hatte auch schon Kollegen, die ohne Scheu gerülpst, gefurzt oder mit Elan auf die unter dem Fenster entlanglaufenden Passagiere gespuckt haben.“
Auf der nächsten Seite: Über die Kabinencrew, das Arbeitsklima und eine Erpressung.
Kabinencrew
Flugbegleiter sind „wenn sie Glück haben, fest angestellt“. Ansonsten seien sie bei einer Subfirma angestellt, bei der sie zunächst einen kostenpflichtigen Ausbildungskurs absolvieren müssen. Auch ihre Uniform müssten sie selbst bezahlen. Die Arbeitsbedingungen sind laut November miserabel. Ein festes Gehalt gebe es nicht; die Crewmitglieder verdienten nur, wenn sie tatsächlich flögen und an Bord Essen, Getränke und zollfreie Produkte, wie Parfums, Geschenke oder elektrische Zigaretten verkauften. Einen Monat müssten sie unbezahlten Urlaub nehmen. Anderswo arbeiten dürften sie in dieser Zeit nicht. Im schlimmsten Fall seien die Flugbegleiter in dieser Zeit noch nicht einmal krankenversichert.
Arbeitsklima
„Meine Firma ist ein großer Moloch, der in den letzten Jahren massiv gewachsen ist und dessen Attitüde derartig arrogant ist, dass man nur staunen kann", berichtet November. Verhandlungen mit Geschäftspartnern würden zynisch geführt und sie kenne Geschichten von Mitarbeitern, die in Sitzungen mit Aschenbechern und Flaschen beworfen worden seien, wenn eine Nachricht der Konzernleitung nicht gefiel. Der Umgangston im Unternehmen sei rau: „Ein freundliches Wort von der Unternehmensführung gibt es nur dann, wenn wir irgendeine Leistung ohne Bezahlung erbringen oder an einem freien Tag arbeiten sollen“, bemängelt November.
Das Ende
Zuletzt wird sie von ihrem Chef zu einem Einzelgespräch gebeten, weil ihre Äußerungen und Einstellungen nicht der Firmenlinie entsprechen. „Du fällst oft durch deine bissigen und kritischen Kommentare auf“, erinnert sich die Pilotin an die Worte ihres Chefs. Um Kosten zu sparen, sollten etliche Piloten in neue, günstigere Verträge gebracht werden. Er bietet ihr an, diesen zu unterschreiben oder sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen. Julia November fasst schließlich einen Plan: Ein Buch schreiben über ihre Firma – „kurios genug ist die Luftfahrt ja, das glaubt einem kein Mensch“. (kkl)
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