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Reisen im 19. JahrhundertAllein die Anreise war schon ein einziges großes Abenteuer

Lesezeit 3 Minuten
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Elefant statt Billigflieger: Fortbewegungsmittel in Indien.

Köln – Wir sitzen eingepfercht mit hundert anderen Passagieren im Billigflieger, liegen Handtuch an Handtuch am Strand und stehen Schlange für ein Foto vor dem beliebtesten Instagram-Motiv am Urlaubsort. Und bevor wir uns in ein Hotel oder Restaurant wagen, haben wir bereits hundert Rezensionen auf Tripadvisor gecheckt.

Von entlegenen Traumreiseziele trennen uns heute häufig nur zwei Stunden Flug für 20 Euro. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass allein die beschwerliche Anreise nach Florenz, Paris oder Casablanca ein einziges Abenteuer war.

Die Reise allein war Nervenkitzel genug

Bungee-Jumping über den Victoria-Fällen, Tauchen mit Haien – das war alles gar nicht nötig. Die Reise allein war schon Nervenkitzel genug, man war froh, wenn man heil ankam und endlich das ersehnte Ziel erreicht hatte.

Wenn man Glück hatte, gab es eine Fotografie von der Reise oder eine Zeichnung, während wir heute im Minutentakt Selfies von unseren Heldentaten auf Malle auf Insta hochladen können.

„Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet“

Das Gute: Reisen sind heute nichts Elitäres mehr, sie stehen fast jedem offen. Und trotzdem ist mit dem Massentourismus etwas verloren gegangen. „Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet“, hat Schriftsteller und Abenteurer Mark Twain einmal geschrieben. Es ist das Dilemma eines jeden Reisenden.

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Willkommen in Baden-Baden: Historisches Reiseplakat mit Zeppelin.

Vielleicht sehnen wir uns heute deshalb so sehr nach verlassenen Orten, nach Ruinen und verwunschenen Schlössern wie die Anhänger des Dark Tourism. Die „Lost Places“ erzählen Geschichten aus einer anderen Zeit, als das Leben an sich noch viel unwägbarer, das Reisen noch beschwerlicher war.

Survival-Trips und Retro-Reisen liegen im Trend

Und es ist sicher kein Zufall, dass heute Menschen Geld bezahlen, um sich für Survival Trips im Wald aussetzen zu lassen. Und dass andere wiederum Retro-Bahnreisen im Stile des legendären Orientexpress buchen, der Ende des 19. Jahrhunderts zwischen Paris und Konstantinopel verkehrte.

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Reisen Ende des 19. Jahrhunderts: mit dem Schnelldampfer über den Atlantik nach New York.

Und es ist wohl auch kein Wunder, dass immer mehr Bücher und Bildbände erscheinen, die uns nostalgische Reise-Erlebnisse bescheren sollen. „Nostalgia“ etwa, für das der Fotograf Sven Fennema Lost Places in Europa fotografiert hat, verfallene Palazzi, stillgelegte Fabriken und zerstörte Kirchen etwa.

„The Grand Tour“ zeigt das „goldene Zeitalter des Reisens“

Oder aber „The Grand Tour. Das goldene Zeitalter des Reisens“ von Marc Walter und Sabvine Arqué, das sich touristischen Unternehmungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert widmet. „Es lässt eine Zeit lebendig werden, in der das Reisen noch ein neues und aufregendes Erlebnis war und neben Geld und Zeit auch Fantasie und Mut erforderte“, heißt es zu Beginn des Bildbands, der historische Werbeplakate, Prospekte, Gepäckaufkleber und Fahrkarten zeigt.

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Als Venedig noch nicht überlaufen war: Cover des Bildbands „The Grand Tour“.

Das Buch veranschaulicht sechs Routen, die bei den westlichen Abenteurern, etwa den Schriftstellern Goethe, Jules Verne und Charles Dickens beliebt waren. „Von der Grand Tour durch Europa, dem traditionellen Initiationsritus englischer Adliger, bis zum Fernen Osten, der damals von westlichen Einflüssen noch nahezu unberührt war, wird jede Reise anhand ihrer einzelnen Etappen und so unterschiedlicher Transportmittel wie Zug, Schiff, Auto, Pferd, Esel oder Kamel nachgezeichnet.“

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Vielleicht – so suggerieren die Bildbände, die Trends Retro-Reisen und Dark Tourism – sind die einzigen großen Abenteuer, die wir heute noch erleben können, jene, die in die Vergangenheit führen. (rer)

Zum Weiterlesen:

Marc Walter, Sabine Arqué: The Grand Tour. Das goldene Zeitalter des Reisens, Taschen Verlag, 616 Seiten, 150 Euro.

Sven Fennema: Nostalgia - Orte der verlorenen Zeit, Frederking & Thaler Verlag; 320 Seiten; 98 Euro.