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Wird das Dating fieser?Paartherapeut: „Viele Menschen, die geghostet wurden, tun das später selbst“

Lesezeit 5 Minuten
Dating, gerade das Online-Dating, kann zum Frustfaktor werden. Jede dritte Person, die sich digital verlieben will, hat schon einmal „Ghosting“ erfahren. (Symbolbild)

Dating, gerade das Online-Dating, kann zum Frustfaktor werden. Jede dritte Person, die sich digital verlieben will, hat schon einmal „Ghosting“ erfahren. (Symbolbild)

Nicht wenige Menschen machen schlechte Erfahrungen beim Online-Dating. Inzwischen gibt es sogar zahlreiche Begriffe für die kleinen und großen Unfreundlichkeiten. Paartherapeut und Autor Eric Hegmann erklärt, warum Ghosting und Co. Schutzstrategien sind – von denen man sich nicht den Spaß am Dating nehmen lassen sollte.

Herr Hegmann, laut einer aktuellen Parship-Studie wurde jeder Dritte zwischen 18 und 29 schon einmal geghostet, jeder Vierte wurde zusätzlich blockiert (Cloaking). Wird das Dating-Verhalten gemeiner?

Hegmann: Unser Dating-Verhalten wird nicht gemeiner. Was aber deutlich wird, ist, dass die Enttäuschungen und die Zurückweisungen, die die Menschen beim Dating erleben, dafür sorgen, dass sie mit Schutzstrategien reagieren. Solche Strategien gab es früher schon genauso – Ghosting ist demnach auch nichts Neues.

Also hat sich eigentlich nichts verändert?

Doch. Der große Punkt, der sich verändert hat, ist die Tatsache, dass wir heute viel mehr Menschen kennenlernen und viel mehr Beziehungen eingehen als jede Generation vor uns. Je mehr Menschen ich treffe, desto mehr Zurückweisungen und Enttäuschungen erlebe ich natürlich auch. Das macht etwas mit den Menschen. Beim Ghosting bewirkt es etwa, dass ich mir nicht einmal mehr die Mühe machen will zu erklären, warum ich mich nicht mehr treffen will. Beim Cloaking bewirkt es, dass ich die Person auch noch blockiere, damit sie mich nicht erreichen und nachfragen kann, was los ist. Man kann davon halten, was man will, in erster Linie wollen sich die Menschen mit so einem Verhalten aber schützen.

Wie kommt es zu so einem Schutzverhalten?

Ein großer Faktor sind die eigenen schlechten Erfahrungen, die man gemacht hat. Dazu kommen die schlechten Erfahrungen, von denen man gehört hat. Ein erstes Date läuft dann fast mit Fragebogen auf der Suche nach den Red Flags ab. Daraus können gar keine Begegnungen mit emotionalen Verbindungen entstehen, sondern höchstens ein Bewerbungsgespräch. Da ist die nächste Enttäuschung eigentlich vorprogrammiert und die Verzweiflung bei der Partnersuche wird immer größer.

Die Parship-Studie zeigt auch, dass sich unter Jüngeren eine positive Tendenz abzeichnet. Demnach haben 17 Prozent der 18- bis 29-Jährigen es geschafft, beim Dating für das eigene Wohl klare Grenzen zu ziehen. Wie kann man es also besser machen?

Das Problem ist, dass die meisten Menschen, wenn sie verletzt wurden, misstrauisch werden. Das führt dazu, dass wir hinter dem Verhalten immer mehr deuten. Bestes Beispiel ist eine Verspätung beim Date. Wenn mir das passiert, hat das sicherlich eine gute Begründung – der Bus kam nicht, die Katze ist krank oder es gab einen Unfall. Wenn aber der andere zu spät kommt, geht man direkt davon aus, dass er unzuverlässig ist und nicht weiß, was er will. So gibt man dem anderen gar nicht erst eine Chance und es besteht die Möglichkeit, dass man etwas verpasst. Gesundes Dating sieht anders aus und ist ehrlicher.

Aber wie teilt man denn mit, wenn man glaubt, dass es einfach nicht passt?

Mit einem ganz normalen Gespräch, in dem man kommuniziert, was einem durch den Kopf geht. Man sollte dabei immer daran denken, wie man es sich im umgekehrten Fall für sich wünschen würde.

Sie sagen, dass unsere Angst vor Enttäuschungen immer größer wird. Wie kann man eine Enttäuschung beim Dating verhindern?

Gerade beim Online-Dating kommt es oft vor, dass die Menschen wochenlang miteinander schreiben, bevor sie sich treffen. Man kommuniziert in einer Blase, die oft nichts mit der Realität zu tun hat. Da kann es leicht passieren, dass sich ein falsches Bild aufbaut. Das mag für manche funktionieren, aber für viele nicht.

Sollte man sich also schneller treffen?

Wer als Partnersuchender feststellt, dass er beim Dating immer wieder an die gleiche Stelle kommt, wo es nicht weitergeht, sollte sich vielleicht überlegen, die Strategie zu verändern. Möglichst schnell direkten Kontakt zu suchen kann sehr hilfreich sein, um schnell festzustellen, ob es passt oder nicht.

Das Thema Dating scheint teilweise ziemlich kompliziert zu sein. Hat das Internet das Dating schwieriger gemacht?

Das glaube ich nicht. Eigentlich haben es die Menschen ja sogar leichter als früher.

Warum?

Es gab noch nie die Möglichkeit, so viele Kontakte knüpfen zu können – unabhängig vom eigenen Umfeld. Das Online-Dating hat riesige Vorteile – aber natürlich auch Nachteile.

Welche Nachteile hat es?

Viele Menschen berichten mir, dass sie so viele Menschen treffen, dass ihnen das Dating keine Freude mehr macht und es eigentlich nur noch anstrengend ist. Durch die vielen Kontakte kommen dann viele Enttäuschungen und unschöne Begegnungen. Da ist es nur natürlich, dass man irgendwann misstrauisch wird. Wichtig ist aber trotzdem, darauf zu achten, dass man sich nicht das aneignet, was man erlebt hat. Viele Menschen, die geghostet wurden, ghosten später selbst. Das muss nicht sein.

Was ist beim Dating noch wichtig?

Die Menschen sollten sich anschauen, wie sie mit ihren Enttäuschungen umgehen und wie misstrauisch sie schon geworden sind. Habe ich schon eine Checkliste mit Red Flags? Sich das bewusst zu machen kann schon dabei helfen, das Verhalten wieder abzulegen. Außerdem können wir uns nicht auf andere Menschen einlassen, wenn wir zu vorsichtig sind. Ohne Risiko funktioniert die Partnersuche nicht.

Und wenn es gar nicht klappt?

Einfach mal eine Pause einlegen, sich nicht zu viel stressen und sich um sich selbst kümmern. Und: Im Alltag die Augen öffnen – es gibt neben dem Internet viele Möglichkeiten, andere Menschen kennenzulernen.