Geheimtipps für jedes BundeslandAn diesen Orten ist Deutschland noch einsam
Berlin – Auch die Heimat kann schön sein: In diesem Jahr dürften viele Deutsche ihren Sommerurlaub im eigenen Land verbringen. Angesichts einer schwelenden Pandemie aber eher nicht in trubeligen Städten und Eventhallen, sondern abseits der Massen.
Deutschland hat zum Glück so einige Regionen zu bieten, die wild und ursprünglich oder besonders einsam sind - oder gleich beides.
Eine Auswahl zwischen Nordsee und Alpen, zwischen Eifel und Lausitz:
Bayern: Mit dem Fahrrad durch das Allgäu
Auf dem Rad reist man in seinem ganz eigenen Tempo - zum Beispiel auf dem Iller-Radweg entlang des gleichnamigen Flusses. Die Route führt über 146 Kilometer vom bayerischen Oberstdorf im Allgäu bis nach Ulm, wo die Iller in die Donau mündet - die Stadt mit dem berühmten Ulmer Münster liegt schon in Baden-Württemberg. Wenn unterwegs der Schweiß läuft, können sich Radwanderer direkt in der Iller abkühlen.
Die Allgäuer Töpferkünstlerin Sophie Mische empiehlt den Auwaldsee bei Fischen als ihren Lieblingsplatz entlang der Route. Hier ist Baden allerdings verboten. Dafür lasse sich bei einem Spaziergang rund um den See eine herrliche Aussicht genießen.
Tipp für Bergprofis: Wen es hoch hinauf zieht, der kann sich am Jubiläumsgrat versuchen, der auf dem Gipfel der Zugspitze beginnt – eine ebenso fordernde wie berühmte hochalpine Tour. Allzu voll dürfte es trotzdem nicht werden – schließlich sind Kondition, absolute Schwindelfreiheit und Klettertechnik notwendig. Nur bei gutem Wetter machen und im Zweifel mit Bergführer gehen.
Mecklenburg-Vorpommern: Wo der Moorfrosch quakt
Die Mecklenburgische Seenplatte kennt jeder – aber warum nicht mal ein Küstenmoor kennenlernen? Das geht östlich von Graal-Müritz im Großen Ribnitzer Moor. Ein neun Kilometer langer Exkursionspfad mit Infotafeln führt durch die Landschaft. Wer Glück hat, bekommt den Blauen Moorfrosch zu Gesicht.
Soll es doch die Seenplatte sein, empfiehlt der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommerns die Ivenacker Eichen. Sie sind um die 1000 Jahre alt und zählen zu den ältesten Bäumen in Deutschland. Besucher finden dort auch einen der beliebten Baumwipfelpfade.
Nordrhein-Westfalen: Besuch bei den Wildpferden
Mit einer „Oase im Alltag" wirbt die Touristikzentrale Paderborner Land, wenn es um die Moosheide geht. Das Naturschutzgebiet in der Senne in Ostwestfalen sei eher noch weniger bekannt. Es liegt in der Region des Teutoburger Walds unweit der Grenze zu Niedersachsen, dort entspringt auch die Ems. Rundwanderwege führen über Dünen und durch Täler, zu offenen Heideflächen und durch Kiefernwälder.
Das besondere Highlight der Moosheide hat jedoch Hufe, denn dort lebt die älteste Pferderasse Deutschlands. Die Senner Wildpferde wurden im Jahr 1160 zum ersten Mal erwähnt und lassen sich von Ende April bis Ende Oktober beobachten. Ein Wildweiteprojekt hat dafür gesorgt, dass die Tiere in ihre alte Heimat zurückkehren konnten.
Schleswig-Holstein: Landschaft wie ein Gemälde
Wer Eisvögel, Seeadler und Kraniche sehen möchte, ist im Naturpark Lauenburgische Seen richtig. Der älteste Naturpark Schleswig-Holsteins liegt südlich von Lübeck und östlich von Hamburg und bietet eine eiszeitliche Hügellandschaft aus Seen, Wäldern, Wiesen und Feldern – ein Sehnsuchtsort für Naturfreunde.
Der Park selbst wirbt mit einer Landschaft „wie auf Gemälden alter Meister, lieblich, weich und zugleich geheimnisvoll und mystisch, aufregend und mächtig". Im Frühjahr blüht der Raps, Reetdächer und Fachwerke liefern pittoreske Fotomotive.
Eine Alternative in Deutschlands nördlichstem Bundesland ist das Naturschutzgebiet Geltinger Birk, ganz weit im Norden am Meer. Dünen, Sümpfe und lichte Wälder laden zum Wandern und Radeln ein. Hier wurde auch die alte Ponyrasse Konik ausgewildert.
Niedersachsen: Naturerlebnisse bis zu den Wurzeln
Aktivurlaub in der Natur ist nicht nur im Harz oder Erzgebirge angesagt, sondern zum Beispiel auch im Weserbergland. Dort wartet der Naturpark Solling-Vogler auf Wanderer und Erholungsbedürftige. Gäste können einen 40 Meter hohen „Klimaturm" im Wald erklimmen, während eine Erdhöhle den Blick auf Baumwurzeln freigibt. Zudem gibt es unter anderem Klöster, Ausgrabungsstätten, wild lebende Exmoor-Ponys, Mountainbike-Trails und einen Wildpark.
Für wildromantische Gefühle sorgt in Niedersachsen alternativ der Naturpark Elbhöhen-Wendland mit reichlich Wald-und-Wiesen-Charme, Heideflächen und Streuobstwiesen. Charakteristisch für die Region sind die gut erhaltenen, historischen Rundlingsdörfer.
Baden-Württemberg: Kahnfahrten und Mammutbäume
Erkundungen zu Wasser können Ausflügler im Naturschutzgebiet Taubergießen unternehmen. Im traditionellen Stocherkahn geht es durch die verwunschene Auenlandschaft am südlichen Oberrhein. Wer sich mit Vögeln auskennt, kann hier vielfältigsten Stimmen lauschen. Und vielleicht lässt sich sogar ein seltener Sumpfbiber erspähen.
Einen Hauch von Nordamerika und urzeitlicher Größe vermitteln wiederum die Mammutbäume im Exotenwald in Weinheim. Schlossherr Christian Freiherr von Berckheim ließ hier 1872 die ersten Bäume pflanzen, heute gibt es etwa auch chilenische Andentannen und japanische Magnolienbäume - eine Art botanische Weltreise.
Brandenburg: Zwischen Buchen und Flussaue
Freunde des deutschen Waldes werden in der Uckermark ihre Freude haben. Der idyllische Buchenwald Grumsin im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin zählt zum Unesco-Weltnaturerbe. Vielleicht kein Geheimtipp mehr, aber dennoch empfehlenswert.
Eine geschützte Flussaue hat Brandenburg im Nationalpark Unteres Odertal zu bieten. Dort zeigen sich viele Wasservogel-Arten.
Thüringen: Flussromantik pur
Wer gerne am Wasser ist, der dürfte auch den Naturpark Thüringer Schiefergebirge - Obere Saale mögen. Entlang der Saale, an Stauseen und auf Höhenzügen lässt sich hier die Natur genießen. Der Hohenwarte-Stausee mit seiner 412 Meter breiten Mauer ist der viertgrößte Deutschlands. In den Wäldern leben zum Beispiel Tiere wie Feuersalamander, Rauhfußkauz und Schwarzstorch.
Noch ein Thüringen-Tipp: das Schwarzatal am Rennsteig. Das Tal erstreckt sich von der Quelle der Schwarza bis zur Mündung in die Saale bei Rudolstadt. Die Region rühmt sich mit ihrer Vielfalt an Kräutern, von denen einige zu Heilzwecken verwendet werden.
Sachsen: Wassersport auf Bergbau-Seen
Auch auf dem Wasser kann man abseits der Massen seine Ruhe haben - und dabei noch sportlich sein. Zum Beispiel beim Segeln, Surfen, Wakeboarden oder Stand-up-Paddling im Leipziger Neuseenland. Alte Tagebaulöcher aus der Braunkohle-Ära liefen hier langsam voll und haben somit eine neue Bestimmung gefunden. Ist zwar nicht in dem Sinne wild und ursprünglich, fühlt sich aber oft so an.
Mehr Ruhe und Naturerlebnis bietet in Sachsen die Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft: Unesco-Biosphärenreservat und das größte zusammenhängende Teichgebiet in Deutschland.
Sachsen-Anhalt: Menschenleere als Verkaufsargument
Wer es so richtig einsam mag, der ist in der Altmark richtig. Die Gegend ist so fernab vom Schuss, dass sie mit dem Slogan «Wenn Sie mal niemanden mehr sehen wollen» warb. Die Not wurde zur Tugend: Landflucht als touristischer Standortfaktor. Die Natur hat man hier in weiten Teilen fast für sich allein. Wem das aufs Gemüt schlägt, der besichtigt Stendal, Tangermünde oder Salzwedel.
Hessen: Wo der Wald noch einsam ist
Zur Wiederentdeckung des Waldes als Erholungsgebiet lädt auch Hessen ein. Der Rheinhardswald lockt als eines der einsamsten Waldgebiete Deutschlands. Ein idyllisches Flüsslein gibt es auch: die Holzape.
Im Naturpark Hoher Vogelsberg erwartet Besucher ebenfalls eine urige, wilde und ursprüngliche Natur. Als eines der schönsten Täler wird dort das Obere Niddertal angepriesen.
Rheinland-Pfalz: Islek und Pfälzerwald
Von seinen Gegensätzen aus rauen Höhenzügen bis 570 Meter und tief eingeschnittenen Flusstäler lebt der Islek, der nördliche Teil des Naturparks Südeifel. Die Landschaft hat teils einen fast schon spröden Charakter. Doch im Spätsommer werden Wanderer mit leuchtend bunten Eichen- und Buchwäldern belohnt. Waldfreuden pur bietet in dem Bundesland natürlich auch der Pfälzerwald.
Saarland: Besuch bei der Wildkatze
Im kleinen Saarland können Ausflügler der (gefühlten) Enge der Städte und Dörfer zum Beispiel im Naturpark Saar-Hunsrück entgehen. Hier streifen Marder, Biber, Fuchs und Dachs durchs Unterholz - und sogar die selten gewordene Wildkatze. Wer richtig Energie loswerden möchte, begibt sich auf den 410 Kilometer langen Saar-Hunsrück-Steig, einen der schönsten - und beliebtesten - Weitwanderwege in Deutschland.
Berlin: Grüne Oasen in der Stadt
Für Großstädter ist es natürlich nicht so leicht, einsame und weitläufige Landschaften zu finden, ohne ins grüne Umland zu fahren. In der Hauptstadt empfiehlt Visit Berlin den Natur-Park Schöneberger Südgelände als noch weniger überlaufenes Erholungsziel. Auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs Tempelhof ist hier über die Jahre ein dschungelartiger Wald entstanden, der sich auf Spaziergängen erkunden lässt. Lok-Halle, Brückenmeisterei und Wasserturm erinnern an früher.
Die angeblich „längste Grünfläche Berlins" liegt im Bezirk Marzahn-Hellersdorf: Der Wuhletalweg führt dort über 15 Kilometer von Ahrensfelde bis zur Mündung der Wuhle in die Spree.
Hamburg: Raus in die Wildnis
In Hamburgs erstreckt sich wiederum die Wildnis des Duvenstedter Brooks - ein Naturschutzgebiet aus Mooren, Heidefläche und Bruchwäldern, das zum Spazieren und Radeln einlädt. Die Landschaft entstand vor rund 15 000 Jahren nach der letzten Eiszeit.
Für Hamburger mit Sehnsucht nach dem Grünen empiehlt sich außerdem das Alte Land, eines der größten Obstanbaugebiete Europas. Zur Apfelblüte ist es dort besonders schön, aber auch sonst lässt sich dort bestens die Natur genießen - vor allem per Fahrrad.
Bremen: Erfolgreiche Renaturierung
Auch das kleine Bundesland Bremen hat Natur zu bieten: Die Luneplate direkt an der Weser in Bremerhavens Süden ist ein Feuchtgebiet, in dem Besucher Wasserbüffel beobachten können. Die Lune ist ein Nebenfluss der Weser und die Luneplate eine Halbinsel.
Die Umgestaltung des hafennahen Geländes in ein Rückzugsgebiet für Vögel und Domizil für Brut-, Rast- und Zugvögel wurde 2016 mit dem Europäische Hafenpreis ausgezeichnet. Die Luneplate sei ein „Hidden Place", so die Touristikgesellschaft. Selbst mancher Bremerhavener kenne die besondere Schönheit des Ortes nicht. (dpa/tmn)