Verbraucher sind auch ohne vorheriges Studium den AGB eines Anbieters nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, erklärt Thomas Bradler von der Verbraucherzentrale NRW.
Unendlich lange AGBsMuss ich bei Verträgen das Kleingedruckte lesen?
Ganz gleich, ob Sie einem Fitnessstudio beitreten, einen Mobilfunkvertrag abschließen oder in einem Online-Shop einkaufen, zumeist lassen sich die Anbieter von ihren Kundinnen und Kunden bestätigen, dass diese die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) akzeptieren. Doch Hand aufs Herz: Wie oft lesen Sie vor einem Vertragsschluss im Internet das Kleingedruckte? Wenn Sie jetzt mit „manchmal“, „selten“ oder „nie“ antworten, befinden Sie sich in bester Gesellschaft. In einer Umfrage aus dem Jahr 2017 antworteten 72 Prozent der Befragten genau so.
Dabei enthält das Kleingedruckte vieles, was im Streitfall relevant werden kann. Neben den Einzelheiten zum Vertragsschluss sind dort Regelungen zur Vertragslaufzeit, zu Möglichkeiten der Vertrags- und Preisanpassung sowie Einschränkungen der Leistung durch den Anbieter, zu Kundenpflichten und Kündigungsgründen enthalten. Auf diese – beim Vertragsschluss vom Verbraucher „akzeptierten“ Bedingungen verweisen Anbieter ihre Kunden im Streitfall gerne. Mit einem rechtzeitigen Blick in die AGB können Sie also späteren Ärger vermeiden, indem Sie offene Fragen vor Vertragsschluss klären oder gleich einen anderen Anbieter wählen.
Über das Kleingedruckte können keine individuellen Verabredungen kassiert werden
Verbraucher sind aber auch ohne vorheriges Studium dem Kleingedruckten eines Anbieters nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Da es sich um Bedingungen handelt, die der Anbieter dem Verbraucher einseitig diktiert, setzt der Gesetzgeber dem Gestaltungsspielraum enge Grenzen. So können über das Kleingedruckte keine Verabredungen kassiert werden, die die Parteien im Rahmen der Vertragsverhandlungen individuell vereinbart haben.
Auch dürfen die AGB keine für den Kunden überraschenden Klauseln enthalten, die zum Beispiel beim Abschluss eines Mobilfunkvertrags zum Kauf eines Autos verpflichten würden. Darüber hinaus dürfen AGB-Klauseln den Kunden nicht unangemessen benachteiligen, zum Beispiel, indem gesetzliche Vorschriften umgangen werden oder der Vertragszweck gefährdet wird. Aus einem als „Flatrate“ beworbenen Tarif kann so keiner werden, in dem dann doch nach Verbrauch bezahlt werden muss.
AGBs müssen transparent und verständlich sein
Zuletzt muss das Kleingedruckte transparent sein. Das heißt, der Vertragspartner muss die konkrete Bedeutung der Regelungen und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten konkret nachvollziehen können. Jeder Verstoß gegen die genannten Grundsätze führt zur Unwirksamkeit der Klausel. Der Vertrag bleibt wirksam, aber an die Stelle der einzelnen unwirksamen AGB treten die gesetzlichen Bestimmungen. Diese Regeln gelten für Verbraucher bei Vertragsschlüssen sowohl im Geschäft als auch im Internet, an der Haustür oder sonst wo.
Organisationen wie die Verbraucherzentralen beschäftigen Juristen auch dafür, sich das Kleingedruckte von Unternehmen anzuschauen. Ausgestattet mit entsprechenden Rechten, können diese Verbände Anbieter darauf verklagen, die Verwendung unzulässiger AGB zu unterlassen. Das hilft im Erfolgsfall nicht nur dem einzelnen Verbraucher, der mit einem Anbieter im Clinch liegt, sondern allen. Denn auf eine Klausel, die aus den AGB gestrichen werden muss, darf sich der Anbieter gegenüber sämtlichen Kunden nicht mehr berufen.
Wenn Sie das Kleingedruckte lesen und mögliche Fallstricke erkennen, können Sie durch den Wechsel des Anbieters und eine Meldung an die Verbraucherzentrale also sich selbst und andere vor Nachteilen bewahren.
Dieser Text ist eine Folge unserer Rechtskolumne „Recht & Ordnung“. In dieser Serie schreiben Staatsanwältin Laura Neumann (Düsseldorf) sowie die Rechtsanwälte Pia Lorenz („Beck aktuell“), Martin W. Huff (ehem. Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln), Christian Solmecke (Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.Legal) und Thomas Bradler (Verbraucherzentrale NRW, Leiter Markt und Recht). In ihren Kolumnen geben sie Auskunft zu oft kniffligen Fragen des Rechts, können aber keine Rechtsberatung bieten oder in konkreten Fällen den Gang zu einem Anwalt ersetzen. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Dann schreiben Sie uns eine Mail an: recht-und-ordnung@kstamedien.de