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TV-DokuWarum man kein Obst und Gemüse aus Spanien und Italien kaufen sollte

Lesezeit 5 Minuten
Obst und Gemüse im Supermarkt

Verbraucher achten meistens nicht darauf, aus welchem Land das Obst und Gemüse im Supermarkt stammt. 

Köln – Tomaten, Gurken, Orangen – deutsche Supermarktregale sind das ganze Jahr über prall gefüllt mit frischem und günstigem Obst und Gemüse. Das kommt oft aus Südeuropa, aus Spanien oder Italien. Ware aus Spanien gilt als besonders günstig. Ein Kilo Orangen ist schon ab 99 Cents zu haben, eine Gurke ab 39 Cents. Die Lebensmittel werden in der Region Almeria angebaut. Wie kann so viel Obst und Gemüse aus einer einzigen Region kommen? Dieser Frage ist eine ARD-Dokumentation mit dem Titel „Europas dreckige Ernte“ nachgegangen.

Sklaverei und Slums – mitten in Europa

In Almeria befindet sich auf über 400 Quadratkilometern die größte Anbaufläche der Welt, die mit Gewächshäusern überzogen ist. Sie hat solche Ausmaße, dass man sie vom Weltall aus sehen kann. In diesem Mega-Gewächshaus ernten Arbeiter für wenige Euros am Tag Tomaten, Gurken und Nektarinen. Begleitet von Gewerkschaftlern, die sich für die Arbeiter vor Ort einsetzen, fahren die Reporter der TV-Doku in die Chabolas. Slums aus notdürftig zusammengeschusterten Plastikplanen und Müll. Hier treffen sie auf die Ärmsten der Armen: illegal eingewanderte Menschen ohne Papiere, Flüchtlinge, ganze Familien.

Die Bewohner sind Arbeiter der Gemüseplantagen, die sich keine Wohnung leisten können. Strom oder fließend Wasser sucht man vergebens. Laut der Gewerkschaft leben rund um Almeria 4000 Menschen in solchen Slums.

Sie berichten von Lohndumping, Schikane, Missbrauch, Betrug mit Sozialabgaben und Kündigungen.

So sollen Arbeiter mit einem Vertrag 35 Euro pro Tag verdienen, ohne Vertrag nur 25 Euro. Dabei steht ihnen ein tariflicher Mindestlohn von 46,72 Euro zu. Hinzu kommt, dass der Arbeitsschutz häufig nicht eingehalten wird. Die Feldarbeiter müssen sich giftigen Chemikalien aussetzen, ohne Schutzanzüge oder Gesichtsmasken. In der Folge klagen sie über Krankheiten. Mit den Vorwürfen konfrontiert, schweigen die Unternehmen. Zuständige Politiker reden von Einzelfällen.

Supermärkte drücken die Preise, Bauern geben Druck an Erntehelfer weiter

„Europas dreckige Ernte“ deckt auch auf, dass dieses unter menschenverachtenden Bedingungen geerntete Obst und Gemüse bei uns in Deutschland landet. Der deutsche Markt ist für spanische Genossenschaften der wichtigste. So auch für die Genossenschaft Agroiris, ein Zusammenschluss von 400 Bauern. Sie beliefern deutsche Supermärkte wie Edeka, Rewe, Kaufland und Lidl. Dem Verbraucher ist es meist egal, dass die Lebensmittel aus dem europäischen Ausland kommen, zeigt eine Umfrage in der Reportage.

In der Tat krankt es am System. Die Supermärkte drücken die Preise, drohen den Lieferanten mit Auslistung. Diesen Druck geben die Bauern an die Erntehelfer weiter, die gnadenlos ausgebeutet werden. Oxfam-Zuständige erklären: „Erntehelfer leiden mehr, je stärker Produzenten vom Supermarkt unter Druck gesetzt werden.“

Ähnliche Arbeitsbedingungen: In Italien hat die Mafia die Hände mit im Spiel

Noch schlimmer als in Spanien beschreiben Experten die Lage der Erntehelfer in Italien. In den Regionen Kalabrien und Sizilien leben viele Flüchtlinge und illegale Einwanderer in ähnlichen Slums. Sie bieten sich täglich an sogenannten Arbeiterstrichen an. Auf rund 11 Quadratkilometern sind dort rund 520.000 Arbeiter in der Agrarwirtschaft beschäftigt. Auch in Süditalien herrschen katastrophale Lohn- und Arbeitsbedingungen. Arbeiter würden in ihrer Not regelrecht versklavt – ein System, an dem die italienische Mafia mitverdient.

Sogenannte „Caporali“, illegale Arbeitsvermittler, sammeln die Arbeiter morgens mit Transportern am Straßenrand ein und bringen sie zu den Anbauflächen. Dabei kassieren sie von Arbeiter und Arbeitgeber ab. Viele Obst- und Gemüseunternehmen gehören Mafiosi, erklärt ein örtlicher Gewerkschaftler. „Überall, wo Geld zu holen ist, hat die Mafia ihre Hände im Spiel.“ So habe die kalabrische Mafia, die ’Ndrangheta, ihren Ursprung in der Landwirtschaft.

Mafia-Expertin Marisa Manzini aus Cosenza erklärt: „Diese kriminellen Organisationen schaffen es, auf illegale Weise EU-Subventionen abzugreifen.“ Denn die Mafia würde sich immer hinter Strohmännern verstecken und so das „Anti-Mafia-Zertifikat“ erlangen, ohne das es keine EU-Subventionen gibt.

EU-Subventionen als Unterstützung an die Bauern

Jährlich verteilt die EU rund 58 Milliarden Euro Agrar-Subventionen. 70 Prozent davon gehen direkt an die Bauern, die nach gewirtschafteter Fläche verteilt werden. Je mehr Hektar ein Landwirt hat, desto mehr Geld gibt es für ihn. Die Mitgliedsländer müssen alle Empfänger in einer Liste offenlegen. Die ARD-Recherchen ergeben, dass auch die in Spanien besuchten Betriebe EU-Gelder empfangen, obwohl die Arbeiter in Müll-Slums leben, über Lohndumping und fehlenden Arbeitsschutz klagen. Mit den Vorwürfen konfrontiert, sagte der zuständige EU-Agar-Kommissar Philip Hogan einen zugesagten Interviewtermin der ARD-Journalisten ab, will sich dazu nicht äußern.

Spielen Sozialstandards bei der Vergabe der Gelder also für die EU keine Rolle? Oxfam sieht vor allem die Supermärkte in der Verantwortung. Die Experten der Entwicklungsorganisation fordern eine andere Preispolitik, die sicherstellt, dass Arbeitsrechte geachtet und existenzsichernde Löhne gezahlt werden.

Und was sagen die Supermärkte? Die verweisen auf Anfrage auf Kontrollen vor Ort und auf das „Global Gap“-Zertifikat, das viele der Betriebe führen würden. „Alles Augenwischerei“, meinen Kritiker. Denn dieses Zertifikat wurde vom Handel selbst vergeben.

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Auf Fairtrade-Siegel und regionale Produkte können sich Verbraucher verlassen

Was also können Verbraucher tun, die keine Waren kaufen wollen, die unter diesen Bedingungen angebaut werden? Wer im Supermarkt zu Produkten greift, die das Fairtrade-Siegel tragen, kann sich sicher sein, dass dabei auch der Landwirt und die Erntehelfer fair entlohnt werden. Die zweite Möglichkeit ist, regional einzukaufen. Entweder im Supermarkt nur Produkte aus der Region zu erwerben oder gleich auf den Wochenmarkt oder in den nächsten Hofladen zu gehen.