Immer wieder gibt es im Internet Mutproben, die viral gehen. Nicht ausgeschlossen, dass sie auch mal schiefgehen und mit Verletzungen enden.
„Blackout-Challenge“ und Co.Verletzte oder gar Tote – wer haftet bei gefährlichen Internet-Mutproben?
Virale Internet-Mutproben wie die „Blackout-Challenge“ fordern immer wieder Verletzte, in Extremfällen sogar Tote – häufig trifft es Kinder und Jugendliche. Aber wer haftet eigentlich in solchen Fällen?
Nach „Hot Chip“ und „Deospray“ ist es nun die „Blackout-Challenge“, die Schulen und Eltern in Aufregung versetzt. Bei dieser sehr speziellen Mutprobe würgen die Teilnehmenden sich selbst oder andere so lange, bis ihnen schwarz vor Augen wird, und posten den Prozess dann auf Videoplattformen wie TikTok.
In einer Grundschule in Berlin-Kreuzberg landete jetzt eine Schülerin im Krankenhaus, die bis zur völligen Bewusstlosigkeit gewürgt worden war. Ähnliches ereignete sich auch an einer Schule in Kaiserslautern. Weltweit wird die Challenge, die seit 2021 kursiert, sogar mit mehreren Todesfällen in Verbindung gebracht, wobei die meisten Opfer jünger als zwölf Jahre waren.
Besitzen Opfer die nötige Reife, um der „Challenge“ zuzustimmen?
Bei der Aufarbeitung der Fälle stellt sich auch die Frage nach der juristischen Verantwortlichkeit. Würgt man sich nur selbst, ist das als Selbstverletzung straflos. Würgt man hingegen einen anderen, liegt meistens eine Körperverletzung vor – sofern der Täter oder die Täterin mindestens 14 Jahre alt und strafmündig ist. Allerdings können Minderjährige ab 14 Jahren in die Tat einwilligen, was dann die Strafbarkeit ausschließt – jedoch nur, wenn die Betreffenden die dafür nötige Reife besitzen und die Tat nicht als „sittenwidrig“ zu werten ist.
Hier kommt es auf den Einzelfall an. Die Polizei in Kaiserslautern zum Beispiel ermittelte aufgrund einer angenommenen Einwilligung in die „Blackout-Challenge“ nicht, während die Schulleitung in Berlin eine Anzeige erwägt. Da Kinder unter 14 regelmäßig nicht einwilligen können, macht sich ein strafmündiger Täter damit immer strafbar.
Auch die Eltern können sich strafbar machen
Wissen Eltern, dass sich ihr Kind mit gefährlichen Challenges befasst, kommt für sie sogar eine Strafbarkeit wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht in Betracht. Das führt zur Frage nach denjenigen, die die Challenge auf TikTok und Co. verbreiten. Einige Eltern haben das Gefühl, dass ihre Kinder dadurch angestiftet würden. Stimmt das auch im strafrechtlichen Sinne? In Betracht käme hier der öffentliche Aufruf zu Straftaten, wofür man – wie bei der Anstiftung – so bestraft wird wie der oder die Täter selbst.
Klassischerweise gehen die Internet-Challenges aber nicht mit eindeutigen Aufrufen einher, es einem nachzumachen. Die Motivation liegt vielmehr darin, selbst Teil des „Hypes“ zu sein. Dafür kann man wohl niemanden direkt verantwortlich machen.
TikTok, Instagram und Co.: Die Sozialen Netzwerke haften nicht
TikTok selbst haftet für diese Fälle in der Regel ebenfalls nicht. Im Jahr 2022 verklagten die Eltern einer Zehnjährigen, die als Folge der „Blackout-Challenge“ gestorben war, die Plattform. Die US-Justiz hielt TikTok allerdings nach dortigem Recht für „immun“. Ähnliches würde auch in Europa unter dem europäischen Digital Services Act (DSA) gelten. Danach haften Plattformbetreiber nicht unmittelbar für gepostete Inhalte. Sie müssen allerdings sicherstellen, dass rechtswidrige Inhalte einfach gemeldet und zeitnah gelöscht werden können.
Tatsächlich reagiert TikTok bei solchen Challenges zügig. Schon jetzt sind dort keine Videos, Hashtags oder Accounts mit dem Stichwort „Blackout Challenge“ mehr zu finden. Allerdings entwickeln sich schnell auch Umgehungsstrategien, etwa indem die Videos umbenannt oder die Suchbegriffe leicht abgeändert werden.
Eltern ist daher dringend zu raten, ihre Kinder für die Gefahr von Internet-Challenges zu sensibilisieren.
Dieser Text ist eine Folge unserer Rechtskolumne „Recht & Ordnung“. In dieser Serie schreiben die Staatsanwältin Laura Neumann (Düsseldorf), die Kölner Strafrechtsprofessorin Frauke Rostalski sowie die Rechtsanwälte Thomas Bradler (Verbraucherzentrale NRW, Leiter Markt und Recht), Martin W. Huff (ehem. Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln), Tony Rostalski (Partner der Frankfurter Kanzlei Rettenmaier) und Christian Solmecke (Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.Legal). In ihren Kolumnen geben sie Auskunft zu oft kniffligen Fragen des Rechts, können aber keine Rechtsberatung bieten oder in konkreten Fällen den Gang zu einem Anwalt ersetzen. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Dann schreiben Sie uns eine Mail an: recht-und-ordnung@kstamedien.de