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Hass-Kommentar nach AmoklaufDarf der Chef Mitarbeitern wegen Facebook-Posts kündigen?

Lesezeit 5 Minuten

Der Eindruck ärgert viele Facebook-Nutzer seit längerem: Bei erotischen Bildern greift das Online-Netzwerk durch, während Hassbotschaften stehen bleiben. Dabei sind solche Kommentare strafbar.

Privat ist privat. Oder doch nicht? Darf der Chef seine Mitarbeiter abmahnen oder sogar rauswerfen wegen Meinungsäußerungen, die sie auf ihren privaten Facebook-Accounts posten? So erging es jedenfalls einer offenbar türkischen Frau aus der Nähe von Hamm. Sie nahm den Amoklauf von München zum Anlass, ihrem Hass freien Lauf zu lassen und kommentierte die Tat mit dem Hashtag #gutso. Unter anderem schrieb sie, wie der WDR zitiert: „Ich soll jetzt Mitleid haben? Nein. Warte nur ab Merkel, es wird noch schlimmer kommen.“ Weiter behauptete sie, „Deutschland will, dass Erdogan und die Türkei vernichtet werden“.

Die Kosmetik-Firma „LR Ahlen“ kündigte der Frau daraufhin als Vertriebspartnerin des Unternehmens. Außerdem kam der Inhalt des Posts zur Anzeige – die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher Volksverhetzung. Auch ein Liken solcher Facebook-Beiträge ist unter Umständen strafbar.

In der Regel müssen Mitarbeiter aber wegen Äußerungen auf privaten Accounts in sozialen Netzwerken keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen fürchten. Darauf weist Michael Eckert hin, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Heidelberg. Was jemand in der Freizeit macht, geht den Arbeitgeber erst einmal nichts an.

Mitarbeitern drohen für Meinungsäußerungen auf privaten Accounts in sozialen Netzwerken wie Facebook nur selten arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn die Äußerung Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat oder der Ruf des Unternehmens geschädigt wird. Je mehr jemand in einer herausgehobenen Stellung tätig ist, etwa als Betriebsrat oder als Geschäftsführer, desto eher kann es zu solchen Auswirkungen kommen.

Und: „Wenn sich ein Arbeitnehmer im Netz rassistisch äußert und führt das zu Diskussionen und Unfrieden im Betrieb, kann das zu einer fristlosen Kündigung führen“, sagt Prof. Jobst-Hubertus Bauer, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Letztendlich sei das jedoch immer eine Einzelfallentscheidung des Gerichts.

Ausschlaggebend ist auch, ob es außerhalb des Betriebs zu heftigen Reaktionen oder zum Beispiel zu Kundenbeschwerden kommt. Entscheidend ist zudem, was für eine Art von Aussage der Mitarbeiter trifft. Äußerungen wie „Das Boot ist voll“ seien politische Äußerungen und von der Meinungsfreiheit gedeckt, gegen so etwas können Arbeitgeber nicht vorgehen. Rassistische Parolen wie „Heil Hitler“ rechtfertigten dagegen eine fristlose Kündigung.

Wann eine Meinungsäußerung strafrechtlich relevant wird

„Zumindest im Graubereich, wo Äußerungen zwar scharf sind, aber einen gewissen Grad nicht übersteigen, ist stets abzuwägen mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit“, sagt Michael Heghmanns, Strafrechtler an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Das treffe vor allem auf bei Äußerungen mit politischem Kontext zu.

„Beim Tatbestand der Volksverhetzung ist schon das Beschimpfen einer ethnischen Gruppe wegen ihrer Herkunft verboten und steht unter Strafe.“ Die Aussagen müssten aber „geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören“, sagt Heghmanns. Solche Äußerungen im kleinen Kreise seien nicht dazu nicht geeignet. „Wenn ich das bei Facebook veröffentliche, kann es schon anders sein.“

Hetze auf Facebook

Haftet das Netzwerk?

Es stellt sich auch die Frage, ob nicht Facebook selbst für solche Kommentare rechtlich belangt werden könnte. „Facebook genießt die gesetzlichen Privilegien eines Plattform-Betreibers, die Facebook davor schützen, für jedwede Äußerung eines Nutzers verantwortlich gemacht zu werden“, sagt Thorsten Feldmann, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. „Facebook haftet allenfalls, nachdem es Kenntnis von solchen Kommentaren hat und diese nicht entfernt.“ Dafür müsse das soziale Netzwerk aber wissen, dass das Posting existiert und dass dieses eine Straftat darstellt.

Andere rassistisch zu beleidigen, ist im Betrieb tabu

Noch eindeutiger ist die Lage, wenn die rassistischen Äußerungen nicht in der Freizeit, sondern am Arbeitsplatz erfolgen. Wer sich in der Firma rassistisch äußert, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen. „Das geht gar nicht und zwar unabhängig davon, wie alt jemand ist“, sagt Prof. Bauer. Die Linie des Bundesarbeitsgericht ist eindeutig.

So ist die Kündigung eines Auszubildenden auch ohne vorherige Abmahnung wirksam, wenn dieser an der Werkbank eines türkischen Kollegen ein Schild mit der Aufschrift „Arbeit macht frei – Türkei schönes Land“ befestigt (Bundesarbeitsgericht, Az.: 2 AZR 676/98).

Laut Arbeitsgericht Berlin ist es Unternehmen auch nicht zuzumuten, Arbeitnehmer zu beschäftigen, die ausländerfeindliche Tendenzen offen zur Schau tragen (Az.: 96 Ca 23147/05). Im konkreten Fall hatte ein Mitarbeiter seinen polnischen Kollegen fast täglich als „Polensau“ oder „Dreckspolacke“ beschimpft. Der Mann wurde entlassen – seine Klage gegen die Kündigung blieb erfolglos.

Welche arbeitsrechtlichen Folgen hat ein homophober Post?

Wer sich privat in sozialen Netzwerken beleidigend über seine Firma äußert, muss mit Problemen rechnen.

„Homosexuelle Menschen gehören getötet“, schrieb Facebook-Nutzerin Sara K für alle sichtbar im Netz. Nach einer Intervention der Anti-Homophobie-Initiative „Enough is Enough! Open Your Mouth!“ verloren sie und ihr Freund den Ausbildungsplatz bei einem Pflegedienst bzw. einem Versandhandel. Darüber berichtete queer.de. Auch K.s Freund hatte sich homophob geäußert: „ich führe buch über meine morde als wäre ich adolf hitler ich schlage kinder und schwule und mir ist scheißegal was ihr über mich denkt“, lautete demnach einer seiner Kommentare.

Solche Kommentare seien definitiv justiziabel, sagte Alfonso Pantisano, Sprecher von „Enough is Enough“ in einem Interview mit der Berliner Zeitung. „Wir als Bürger müssen dagegen vorgehen, genauso die Medien, auf deren Seite diese Kommentare gepostet werden.“

Übler Facebook-Post gegen Charlie Hebdo

Einem Betriebsrat im Rastatter Daimler-Werk droht etwa ein Amtsenthebungsverfahren wegen positiver Äußerungen über den Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“. Sowohl Betriebsrat als auch IG Metall und Unternehmen beantragten beim Arbeitsgericht Karlsruhe die Amtsenthebung des Betriebsrats.

Der Mann habe mit Äußerungen auf seiner privaten Facebook-Seite wie „Jeder Mensch zahlt für seine Taten! Die einen früher, die anderen später... Fuck Charlie Hebdo“ für Aufruhr in der Belegschaft gesorgt, hieß es bei der IG Metall.

In dem konkreten Fall sei durch die Äußerung eine erhebliche Störung des Betriebsfrieden und der Arbeit innerhalb des Betriebsrates sowie die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber und den Mitarbeitern anzunehmen, erläutert Eckert. Darüber muss letztlich aber das Arbeitsgericht entscheiden.

Bloß nicht online die eigene Firma runtermachen!

Deutlich zurückhaltender sollten Mitarbeiter sein, wenn sie sich im Intranet oder über Firmen-Accounts in sozialen Netzwerken äußern. „Vieles, was im privaten Bereich in Ordnung ist, kann dort zur Abmahnung oder zur Kündigung führen“, erklärt Eckert, der im Vorstand des Deutschen Anwaltvereins ist. Dabei ist der berufliche Bezug eindeutig gegeben – schließlich nutzt der Arbeitnehmer IT-Accounts des Arbeitgebers. Dieser kann dann zum Beispiel wegen einer Störung des Betriebsfriedens aktiv werden.

Probleme bekommen Arbeitnehmer auch, wenn sie sich in öffentlich zugänglichen privaten Accounts in sozialen Netzwerken beleidigend oder geschäftsschädigend über ihre Firma äußern. Ansonsten gilt bei privaten Accounts jedoch: Auch wenn Kollegen Äußerungen geschmacklos finden – dass der Chef deswegen eine Abmahnung oder sogar Kündigung ausspricht, wird nur selten rechtlich zulässig sein. (mit Material von dpa)