Rechtsanwälte klären aufDarf der Chef seinen Mitarbeitern einfach das Gehalt kürzen?
Köln – Bei BMW ist das tatsächlich geplant: Mehr als 5000 hochqualifizierten Mitarbeitern soll im kommenden Jahr die Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Stunden gekürzt werden – und somit auch das Gehalt. Das wurde Anfang Oktober bekannt. Auf die betroffenen Fachkräfte kommen Gehaltseinbußen von 10.000 bis 14.000 Euro jährlich zu.
Wie sieht die rechtliche Lage in solchen Fällen aus – dürfen Arbeitgeber ihren Angestellten einfach so weniger Gehalt zahlen? Wann ist eine Gehaltskürzung unzulässig und wann müssen Mitarbeiter sie hinnehmen? Wir haben bei zwei Arbeitsrechtsexperten nachgehakt.
Darf mein Chef mir einfach weniger Gehalt zahlen?
Einfach so nicht – möglich ist es aber schon. „Eine einseitige Abänderung des gezahlten Arbeitsentgelts ist grundsätzlich nicht möglich“, erklärt Frank Otten, Rechtsanwalt aus Geesthacht. „Es handelt sich bei dem Gehalt um den Kernbereich der vertraglichen Vereinbarungen zum Arbeitsverhältnis.“
Der Arbeitgeber habe aber die Möglichkeit, eine Änderungskündigung auszusprechen. Der Mitarbeiter kann die Änderungen akzeptieren oder muss dagegen klagen, dann entscheidet ein Gericht. Ansonsten endet sein Vertrag nach der regulären Kündigungsfrist.
„Unabhängig davon kann jederzeit eine einvernehmliche Regelung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Reduzierung des Gehalts getroffen werden“, sagt Otten. Etwa aufgrund einer schwierigen Wirtschaftslage des Unternehmens. Eine solche Regelung könne völlig frei ausgehandelt und befristet werden. „Zwingend ist, dass sich die Parteien einigen.“
Wie stehen die Chancen für eine Änderungskündigung?
Der Mitarbeiter kann sich gegen eine solche Kündigung und die geplante Gehaltskürzung zur Wehr setzen: Ab Zugang der schriftlichen Änderungskündigung habe er drei Wochen Zeit, eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht zu erheben, so Otten. „Das Gericht würde dann prüfen, ob hinreichende Gründe vom Arbeitgeber zur Kürzung des Arbeitsentgelts vorgetragen und nachgewiesen wurden.“
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Arbeitsrechtsexpertin Nathalie Oberthür sieht den Mitarbeiter hier in einer relativ starken Position. Eine Änderungskündigung sei zwar denkbar, erklärt die Kölner Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht. „Die Anforderungen an den Kündigungsgrund sind allerdings sehr hoch und außerhalb einer Insolvenz des Arbeitgebers kaum zu erfüllen.“
In welchen Fällen sind die Gehaltskürzungen hinreichend begründet?
Das ist in der Regel der Fall, wenn ansonsten die Kündigung anstünde: Kann der Arbeitgeber nachweisen, dass „erhebliche Einnahmen dauerhaft weggefallen sind“, etwa weil ein wichtiger Großkunde abgesprungen ist, könnte der Arbeitgeber vor Gericht erfolgreich sein. „Die Reduzierung wäre in diesem Fall ein milderes Mittel als eine vollständige Beendigung des Arbeitsverhältnisses“, erklärt Otten. Der Mitarbeiter habe dann das Recht auszuwählen, ob er die Gehaltskürzung hinnehmen oder das Arbeitsverhältnis beenden möchte.
Warum ist das bei BMW „so einfach“ möglich gewesen?
Hauptsächlich, weil der Autobauer mit vielen Fachkräften ein spezielles Arbeitszeitenmodell vereinbart hat. Im ursprünglichen Arbeitsvertrag sind nur 35 Wochenstunden festgelegt worden. In einer guten Wirtschaftslage konnten die Wochenstunden auf 40 aufgestockt und die Fachkräfte folglich höher entlohnt werden. Die Verträge über diese Aufstockung waren allerdings immer auf die Dauer von zwei Jahren befristet. Nun werden sie bei einem Teil der Fachkräfte nicht mehr verlängert, sodass sie auf 35 Wochenstunden zurückfallen und weniger verdienen.
„Grundsätzlich ist der Arbeitgeber frei in der Entscheidung, ob er eine befristete Aufstockungsvereinbarung verlängern möchte“, erklärt Oberthür. Allerdings könne es im Einzelfall sein, dass die Befristung der Aufstockungsvereinbarung unwirksam ist. „In diesem Fall hat der Arbeitnehmer dauerhaft Anspruch auf die höhere Arbeitszeit.“
Unter welchen Voraussetzungen darf der Chef einen Teil des Gehalts einbehalten?
Um einen Teil des Gehalts einzubehalten, müssen konkrete Widerrufsgründe vorgesehen werden, erklärt Rechtsanwältin Oberthür. „Das Gehalt darf gekürzt werden, wenn der Angestellte nicht arbeitet und keine gesetzliche Regelung gilt, die eine Fortzahlung des Gehalts anordnet wie bei Krankheit oder Urlaub.“ Denkbar wäre das, wenn der Mitarbeiter wegen eines Streiks verspätet aus dem Urlaub zurückkommt oder bei Erkrankung des Kindes, wenn das vertraglich so vorgesehen ist, erklärt Oberthür. „Der Arbeitgeber darf Gehalt einbehalten, wenn er eine Gegenforderung gegenüber dem Arbeitnehmer hat“, ergänzt Otten.
Allerdings sei nicht jeder angegebene Widerrufsgrund zulässig: „Ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers rechtfertigt keine Gehaltskürzung, ebenso wenig eine finanzielle Notlage des Arbeitgebers“, so Oberthür. Letztere könne allerdings zur Anordnung von Kurzarbeit oder zur Insolvenz des Arbeitgebers führen.
Einbehalten werden dürfen maximal 25 Prozent des Gehalts und nicht mehr als bis zur Pfändungsgrenze des Mitarbeiters, erklären die Experten. „Zudem muss das Tarifgehalt verbleiben, sofern vorhanden“, sagt Oberthür. Wird nach Tarif oder sogar übertariflich bezahlt, ist das Tarifgehalt also sicher.