Die Delta-Variante des Corona-Virus sorgt für ein gefährliches Paradoxon in der Pandemielage: In Deutschland sinken die Inzidenzzahlen immer noch, aber die Warnungen und Mahnungen vor der neuen Virus-Variante, die als noch ansteckender und schwerer wiegend als ihre Vorgänger gilt, werden immer lauter. Kurz vor der Beginn der Sommerferien in NRW ergeben sich viele Fragen.
Welche Regelungen gelten aktuell für Reiserückkehrer?
Das hängt zunächst von der Corona-Lage im Urlaubsland ab. Das Robert-Koch-Institut (RKI) unterscheidet zwischen drei Arten von Risikogebieten: Als Risikogebiet zählen Länder, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz höher als 50 Neuinfektionen pro 100000 Einwohner liegt. Als Hochinzidenzgebiet gelten Gebiete, in denen die Inzidenz deutlich über dem Wert in Deutschland liegt, in der Regel bei einem Wert von mindestens 200. Schließlich unterscheidet das RKI noch Virusvariantengebiete, Länder also in denen besonders ansteckende Mutanten von Sars-CoV-2, wie etwa die Delta-Variante, verbreitet sind.
Welche Urlaubsländer gelten derzeit als Hochinzidenz- bzw. Virusvariantengebiet?
Als Hochinzidenzgebiet werden derzeit keine europäischen Länder eingestuft. Betroffen sind viele Länder im Nahen Osten, auf dem südamerikanischen und dem afrikanischen Kontinent.Als Virusvariantengebiet gelten unter anderem Großbritannien und Nordirland. Seit Montag werden zudem Portugal und Russland als Variantengebiete eingestuft. Das Ursprungsland der Delta-Variante, Indien, gilt weiterhin als Variantengebiet, betroffen sind auch hier viele Länder auf dem südamerikanischen und dem afrikanischen Kontinent.
Was müssen Reisende beachten?
Einreisende aus einem Risikogebiet müssen sich zehn Tage lang in Quarantäne begeben. Die Regelung entfällt allerdings, wenn ein negatives Testergebnis nachgewiesen werden kann. Kinder unter sechs Jahren sind von der Test- und Quarantänepflicht befreit. Auch wer aus einem Hochinzidenz-Gebiet einreist, benötigt bereits bei der Einreise nach Deutschland ein höchstens 48 Stunden altes negatives Testergebnis. Zudem gilt eine zehntägige Quarantänepflicht.
Anders als bei Risikogebieten kann sie frühestens nach fünf Tagen durch den erneuten Nachweis eines negativen Testergebnisses beendet werden. Auch bei der Rückkehr aus Virusvariantengebieten muss bereits vor der Einreise ein negatives Testergebnis vorliegen, andernfalls gilt ein Beförderungsverbot. Nach der Ankunft in Deutschland müssen Reisende sich umgehend in eine vierzehntägige Quarantäne begeben. Diese kann nicht vorzeitig beendet werden.
Welche Regelung gilt für vollständig Geimpfte und Genesene?
Für Personen, die bereits vollständig geimpft oder genesen sind, entfallen sowohl die Test- und Quarantänepflicht nach der Rückkehr nach Deutschland, sowie die Testpflicht vor Antritt des Rückflugs. Als vollständig geimpft gelten Personen, deren zweite Impfung mindestens 14 Tage zurückliegt. Als genesen gelten Reisende, deren Corona-Infektion mindestens 28 Tage und höchstens sechs Monate zurückliegt. Die Ausnahme von der Test- und Quarantäneregelung gilt nicht für die Rückkehr aus Virusvariantengebieten.
Wird die Testpflicht für Rückkehrer aus Risikogebieten verschärft?
Nein. Bund und Länder haben am Montag entschieden, vorerst bei der aktuellen Regelung zu bleiben. Einige Politiker hatten zuvor eine verschärfte Test- und Quarantänepflicht für Rückkehrer aus Risikogebieten gefordert.
Verändert die Delta-Variante die Einstellung zu Impfungen von Kindern?
Vor wenigen Wochen hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert-Koch-Instituts keine generelle Empfehlung für Impfungen in dieser Altersgruppe mit Biontech oder Moderna aussprechen wollen. Grund sei eine unzureichende Datenlage. Nur Zwölf- bis 17-Jährigen mit Vorerkrankungen oder anderen Risikofaktoren empfiehlt die Kommission eine Corona-Impfung. SPD-Politiker Karl Lauterbach forderte am Wochenende die Kommission auf, ihre Empfehlung zu überdenken. Das Argument der Stiko – dass Covid-19 für Kinder harmlos sei – gelte für die Delta-Variante gelte nicht, sagte Lauterbach.
Dem widerspricht Jörg Dötsch, Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Köln: Es habe auch schon bei den anderen Varianten anfangs Warnungen geben, sie seien besonders bedrohlich für Kinder. „Das war bei der Alpha-Variante ähnlich“, sagt er. „Es ist viel zu früh, auf Basis einer geringen Datenlage vorschnelle Urteile zu treffen.“ Die Entscheidung der Stiko sei zudem nicht statisch: Wenn sich aus der Delta-Variante eine neue Situation ergebe, werde sich die Empfehlung gegebenenfalls ändern.
Kinderarzt Anselm Bönte geht davon aus, dass die Ständige Impfkommission bei einer besseren Datenlage ihre Empfehlung anpassen werde. Derzeit habe man jedoch keine Gewissheit, ob es seltene, altersspezifische und unerwünschte Nebenwirkungen bei Jugendlichen gebe: „Ich würde die Schwelle für eine Impfung niedrig lassen und den Jugendlichen Bedenkzeit geben.“