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Drei Alternativen zum BürojobIch fang' nochmal was Neues an - aber wie?

Lesezeit 17 Minuten

Nico Rosberg hat aufgehört. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere, nach dem Weltmeistertitel hat er seinen Mercedes für immer in der Boxengasse geparkt. Rosberg will mehr Zeit für die Familie, nicht mehr um die Welt jetten von einem Land und einer Betonstrecke zur nächsten und seiner Tochter nur per Skype beim Laufen lernen zusehen.

Rosberg ist damit ein gutes Beispiel für seine Generation. „Seit den Nullerjahren beobachten Personalverantwortliche, dass Berufseinsteiger genaue Vorstellungen haben von ihrer Work-Life-Balance“, weiß die selbstständige Personalberaterin Kirsten Rückert. Während früher ein Dienstwagen oder Bonuszahlungen lukrativ waren für Uni-Absolventen, zögen diese Trümpfe in Einstellungsgesprächen heute oft gar nicht mehr. Stattdessen fragten die Jobstarter nach flexiblen Arbeitszeiten und den Möglichkeiten eines Home-Office, schon im Hinblick auf die Familienplanung.

Nico Rosberg erntet Respekt, aber auch Kopfschütteln

Rosbergs Entscheidung mit 31 Jahren, nach Erfüllung der Mission Formel-I-Weltmeister, aufzuhören erntet neben Respekt aber auch Kopfschütteln. Wie kann er das, was er am besten kann, freiwillig an den Nagel hängen? Er könnte doch noch jahrelang im Kreis fahren und sich mit seinen Konkurrenten um die Pole Position prügeln. Will er aber nicht.

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Nico Rosberg hat seinen Formel1-Karriere an den Nagel gehängt und etwas Neues angefangen.

„Erfolg schützt nicht vor Unzufriedenheit“, sagt Horst Conen, der seit Jahren Führungskräfte coacht. Er nennt es Viren-Check, wenn er mit seinen Klienten, denen ihr Job mehr Frust als Lust bereitet, eine erste Standortbestimmung durchführt. „Es geht darum, sich zu fragen, ob ich da, wo ich bin – in meinem Job an dieser Stelle im Unternehmen – noch richtig bin.“ Ein Job, der vor einiger Zeit noch der Traumjob war, kann einige Jahre später nicht mehr passen. Weil der Chef gewechselt hat, weil man eine Familie gegründet, weil sich die innere Einstellung geändert hat, die Gründe können vielfältig sein. Tatsache ist, dass Menschen keine Monolithen sind, sondern sich verändern.

Begeisterung für die Sache

Auch Rückerts Klienten suchen oft nach neuen Ufern, nicht weil sie keinen Erfolg hätten, sondern weil ihre aktuelle Aufgabe ihnen keinen Spaß mehr macht. Oft seien es Frauen und Männer zwischen 45 und 55 Jahren, routiniert im Job, aber irgendwie unzufrieden. Ihnen geht es meist nicht um höheren Status oder mehr Geld, sondern um Begeisterung für die Sache. „Tatsächlich verbringen wir sehr viel Lebenszeit mit unserem Beruf, zu viel, um sich dauerhaft mit einer Aufgabe zu begnügen, die einen nicht ausfüllt oder sogar unglücklich macht. Da kann das materielle Auskommen noch so gut sein.“

Durch gezieltes Fragen versucht Rückert dann herauszufinden, was es genau ist, was das Arbeitsleben des Klienten wieder mit Sinn erfüllen könnte. „Wenn ich das richtige Thema anspreche, sehe ich, wie die Augen desjenigen auf einmal aufleuchten. Das ist sehr spannend und berührend, wenn man das erlebt. Deshalb hat es mich auch gereizt, eine solche Veranstaltung gemeinsam mit Horst Conen einmal einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.“

Clueso: Es ist nicht zu spät

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„Ein guter Plan ist mehr als eine Idee“, heißt es bei Cluesos Song "Neuanfang". 

Zu 70 Prozent wird Rückert von Unternehmen auf die Personalsuche geschickt. Headhunter nennt man ihre Zunft im Branchen-Sprech. Rückert sucht Köpfe für Unternehmen, die freie Positionen, meist im Führungssegment zu besetzen haben. Zu etwa 30 Prozent wird sie für höhere Angestellte aktiv, die nach einer neuen Aufgabe suchen und sie privat beauftragen.

„Ich habe immer auch die Unternehmensbrille auf und kenne die Anforderungen. Jemand aus dem Bankbereich kann man nicht so ohne weiteres in eine produzierende Branche verpflanzen, dafür hätte er aber vermutlich im Dienstleistungssektor gute Chancen.“ Liegt Veränderung denn grundsätzlich im Trend, wenn es um heutige Erwerbsbiografien geht?

Ja und nein, findet Rückert. 40 Jahre am selben Schreibtisch, das gebe es kaum noch, dennoch schätzen Unternehmen loyale und zufriedene Mitarbeiter, die auch für Kontinuität in den Geschäftsbeziehungen sorgten. Im Vertrieb etwa sei es wichtig, dass sich Kunden nicht laufend auf neue Verhandlungspartner einstellen müssten. Garant für Kontinuität ist unter anderem auch ein gutes Unternehmensklima. Doch daran scheitert es oft.

Laut Gallup-Studie zur Arbeitszufriedenheit aus dem Jahr 2015 haben 15 Prozent der Arbeitnehmer innerlich gekündigt. Genauso groß ist der Anteil derjenigen, die für die Unternehmensziele brennen und mit Leidenschaft bei der Sache sind. Der große Mittelteil – immerhin 70 Prozent – macht Dienst nach Vorschrift.

Wegen dem Chef gekündigt

Tatsächlich ist der Anteil der innerlich Gekündigten im Vergleich zu den Jahren zuvor von einem Höchstwert im Jahr 2012 von 23 Prozent gesunken. Dennoch scheinen erstaunlich viele Menschen ihren Job als nicht besonders ausfüllend zu erleben. Schuld daran sind oft die Führungskräfte. Ein Viertel der befragten Arbeitnehmer habe sogar schon mal wegen einem Chef gekündigt. Das Hauptproblem: Mangelnde Wertschätzung. Viele Mitarbeiter haben das Gefühl, nie gelobt zu werden, oder zumindest eine Rückmeldung zu bekommen. Mit der Folge: „Sie geraten in eine Sinnkrise oder strampeln sich noch mehr ab, um gesehen zu werden, und landen schließlich in einem Teufelskreis“, weiß Coach Horst Conen. Doch auch die Führungskräfte stecken im Dilemma. Sie selber sind einem hohen Druck ausgesetzt, bekommen auch nur bedingt Rückmeldungen und werden in Sachen Mitarbeiterführung oft alleingelassen. Kein Wunder, dass sie aufgrund der immensen Komplexität ihres Jobs zuweilen Druck weitergeben, wenn sie selbst nur Druck spüren.

Ein Sabbatjahr nehmen?

Doch auch ein durchweg guter Chef und eine wertschätzende Unternehmenskultur können manchmal ein Gefühl des Fehl-am-Platz-Seins nicht übertünchen. Und dann? Dem Gefühl nachgeben? Ein Sabbatjahr nehmen? Wie Nico Rosberg kündigen und schauen, was das Leben noch so bereithält? Mut gehört in jedem Fall dazu. Professionelle Hilfe oder ein Seminar zum Thema Neustart im Job können das Wagnis minimieren, Weichen stellen, Ressourcen erschließen.

Meist ist es ein langer Prozess, an dessen Ende die Entscheidung zur Veränderung steht. So war es bei Selmin Ermis-Krohs, die eine Fortbildung nach der anderen machte und am Ende nicht mehr wusste, wofür sie sich so aufrieb. Ähnlich erging es Mario Binder, der vom Betriebs- auf Restaurantwirt umsattelte. Ein Neuanfang kann befreien. Alte Muster aufbrechen, Nervensägen, wie Kollegen oder Vorgesetzte, hinter sich lassen. Einen richtigen Zeitpunkt gibt es nicht, Hauptsache man verpasst ihn nicht. So erzählt es auch der Sänger Clueso in seinem Song Neuanfang.

Selmin Ermis-Krohs: Blog statt Büro

Selmin Ermis-Krohs ist eine zielstrebige Frau. Geboren 1980 in Berlin, als Tochter türkischer Eltern, ging sie ihren Weg: Abitur, Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin, Wechsel nach Köln, Partnersekretärin in einer internationalen renommierten Anwaltskanzlei, Vorstandsassistentin bei einem Software-Unternehmen, später dort Referentin im Vertrieb. In Köln, wo sie seit 15 Jahren lebt, studierte sie neben dem Vollzeit-Job vier Jahre im Abendstudium BWL, dann noch zweieinhalb Jahre International Business. „Ich steckte mir ein Ziel nach dem anderen, doch als ich Mitte 2012 endlich alle Zeugnisse in der Tasche hatte, merkte ich, dass irgendwas fehlte.“ Auf der Strecke zu immer mehr Qualifikation und immer besseren Jobs war ihr etwas abhanden gekommen: Der Spaß an der Arbeit und das Gefühl der Sinnhaftigkeit. „Auf einmal interessierte mich das alles nicht mehr, Vertriebskampagnen für Software-Lösungen konnten mich nicht mehr begeistern. Ich regte mich über Kleinigkeiten auf, ein falsches Wort in einer E-Mail konnte mich aus dem Gleichgewicht bringen.“

Abends hatte Ermis-Krohs nun Zeit, sie musste ja nicht mehr zur Abend-Uni. Bei Amazon kaufte sie sich eine Nähmaschine und fing an zu nähen. „Mein erstes Werk war eine Baby-Puppe für eine Freundin, die gerade ein Kind bekommen hatte.“ Anhand von Anleitungen im Internet brachte sie sich die Fertigkeiten und Fähigkeiten bei, die sie brauchte. Wie bei all ihren vorherigen akademischen Anstrengungen ging sie auch hier mit einem hohen Anspruch an sich selbst zu Werke. Und entdeckte bald eine neue Welt. „Beim Nähen erlebte ich ein nicht gekanntes Glücksgefühl, ich kann dabei komplett abschalten und am Ende habe ich etwas in der Hand, was ich selbst gemacht habe – einfach perfekt.“

Ein anderer Job ist nicht die Lösung

Tagsüber ging sie weiterhin ins Büro. „Ich hatte jetzt so viel studiert, hatte meine Selbstoptimierung so weit getrieben, das konnte ich doch jetzt nicht alles wegwerfen“, beschreibt sie im Rückblick ihre gemischte Gefühlslage. Dann, im August 2013 traf sie sich dreimal mit einem Coach, um Alternativen auszuloten.

Bald darauf begann sie, sich auf andere Stellen zu bewerben. „Ich wurde auch öfters zu Interviews eingeladen, spürte aber immer mehr, dass der andere Job eigentlich gar nicht das ist, was ich wollte. Nur ein anderes Büro und andere Aufgaben würden meine Situation nicht wirklich verbessern.“ Nach weiteren Monaten kristallisierte sich allmählich ein dritter Weg heraus: Die Kündigung. „Mein Freund warnte mich zwar davor, einen solchen Bruch im Lebenslauf zu riskieren, aber ich wollte mich einfach ganz dem widmen, was mir Freude bereitet.“ Natürlich quälte sie vor allem die Frage: Wie komme ich finanziell klar? „Ich hatte seitdem ich 18 war ununterbrochen gearbeitet, nebenbei studiert und mir Geld zusammengespart, aber ganz ohne die Unterstützung meines jetzigen Mannes würde es nicht gehen, das war mir klar, aber auch schwierig, mich darauf einzulassen. Meine finanzielle Unabhängigkeit war mir immer sehr wichtig.“

Blogger-Workshops und Gleichgesinnte

Schließlich sprang sie über ihren Schatten und drückte ihrem Chef im Oktober 2014 die Kündigung in die Hand. Seitdem widmet sie sich voll und ganz ihrem Herzensprojekt: Tweed & Greet heißt ihr Nähblog, auf dem sie Schnittmuster ausprobiert und vorstellt.

In ihrer Wohnung hat sie sich ein Arbeitszimmer eingerichtet: Ein Zuschneidetisch, eine Schneiderpuppe, Schnittmuster und Accessoires an den Wänden, eine Chaise Longue in der Ecke: „Mein Zimmer und ich kommen gut klar“, sagt Ermis-Krohs, die auf der anderen Seite eins dennoch vermisst: „Mir fehlt ein Team.“

Mangelnde Selbstmotivation ist aber nicht ihr Problem, den Input von anderen sucht sie inzwischen aktiv und genauso zielstrebig, wie sie ihre vorherige Karriere angegangen war: Sie meldete sich für ein Fashion-Seminar in London an, absolvierte Blogger-Workshops, sucht die Nähe von Gleichgesinnten. „Oft arbeite ich nicht von zu Hause sondern in einem Gemeinschaftsbüro in der Südstadt“. In sogenannten Co-Working-Spaces treffen sich Selbstständige, häufig Internet-Unternehmer oder Blogger wie sie, die sich miteinander austauschen, Kontakte knüpfen oder zusammen die Pausen verbringen.

2016 war bisher ihr kreativstes Jahr: „Ich habe 34 Kleidungsstücke genäht.“ Aber sie will nicht nur nähen, das Vorgehen und die Ergebnisse fotografieren und auf ihren Blog stellen. „Ich möchte Menschen mit der gleichen Leidenschaft zusammenbringen. Mein Blog ist ein Sammelsurium für Nähbegeisterte.“ Deshalb hat sie auch schon ein Näh-Wochenende in Berlin organisiert – und dort mit anderen Nähbegeisterten drauflosgenäht. Die Zahl ihrer Follower, also derjenigen, die regelmäßig ihre Webseite ansehen, hat sich vergangenes Jahr vervierfacht, freiberufliche Designaufträge sind ins Haus geflattert. Ziele für 2017? Noch mehr Leute fürs Nähen begeistern. Etwas selbst herzustellen kann so viel befriedigender sein, als ein Rädchen im Getriebe eines Unternehmens zu sein. Doch das herauszufinden, war ein langer Weg. Und den Schritt zu gehen, erforderte nicht zuletzt den Mut, sich von alten „Schnittmustern“ im Kopf zu verabschieden.

www.tweedandgreet.de

Mario Binder: Vom Berater zum Bunte-Burger-Brater

Noch vor fünf Jahren sprach eigentlich nichts dafür, dass die Karriere von Mario Binder einmal in die selbstgewählte Selbständigkeit, noch dazu einer im Gastronomie-Gewerbe, münden würde. Es lief doch alles prima. Zumindest von außen betrachtet: Nach einem BWL-Studium in Bamberg und Birmingham, das er mit der Promotion abschloss, stieg er erstmal in die Fußstapfen des Vaters, der in der Automobil-Industrie gearbeitet hatte. Binder stammt aus Ingolstadt, der Vater war bei Audi. Binder wählte die Automobilberatungs-Branche, managte Projekte für Automobilkonzerne wie VW und Volvo. Von Berlin aus jettete er um die Welt, baute Werke in Ungarn, China oder Schweden auf. „Ich war praktisch nie zu Hause“, erinnert sich der 37-Jährige, der als Vater zunehmend darunter litt, wenig am Familienleben teilnehmen zu können.

Der Sandkastenfreund als Geschäftspartner

Auch der Wechsel zu einem Kölner Motorenbauer brachte keine Besserung. Hinzu kam, dass der Arbeitgeber in puncto modernes Arbeitszeit-Management eher konservativ eingestellt war. „Von Home-Office hatten die da noch nie gehört.“ Seine Bereitschaft, auszusteigen, wuchs schleichend.Doch ohne einen Verbündeten wäre es vielleicht nie so weit gekommen: Binders Sandkastenfreund Ulrich Glemnitz ist sein Partner im zweiten Berufsleben. „Wir haben auch zusammen studiert und später Kontakt gehalten.“ Glemnitz war schon in Köln, als Binder vor fünf Jahren herzog, wodurch auch die räumliche Nähe der alten Freunde wieder hergestellt war. Man sah sich öfter, tauschte sich aus, auch über Berufliches. Bald wurde klar, dass beide einen ähnlich toten Punkt in ihrer Erwerbsbiografie erreicht hatten: Glemnitz steckte mit seinem Internet-Unternehmen in einer Sackgasse, Binder mit seinem Auto-Job. „Wir wollten beide raus“, erinnert sich Binder. Doch was tun? Sie kombinierten schließlich drei Trends, die Anfang 2010 in den Großstädten der Republik Fahrt aufnahmen: Vegane Ernährung, Burger und Foodtrucks. In Berlin erstanden sie einen Oldtimer-Truck, den sie selbst ausbauten zu einem fahrenden Imbiss, einem Foodtruck.

Vegane Klaviatur abseits des Burger-Konzepts

„Die Investition war überschaubar, wir brauchten erstmal auch keine Angestellten“, sagt Binder über den Anfang. Im Jahr 2014 meldeten sie schließlich ihr Gewerbe an, Binder kündigte endgültig seinen Job und tauschte den Schreibtisch gegen die Foodtruck-Küche. „Wir stellten uns in der Mittagspause an Orten auf, an denen Büroangestellte vorbeikamen, um unsere Burger zu essen. Außerdem waren wir auf Festivals und Märkten.“Seitdem servieren sie den Bob-Marley-Karibik-Burger, den König-Ludwig-Alpen-Burger oder den Don Corleone-Italo Burger. Jeder bunte Burger –so heißt inzwischen auch ihr Restaurant in der Ehrenfelder Hospeltstraße – besteht aus rein veganen Zutaten, alle Pestos werden hausgemacht. In der Restaurantküche entwickeln inzwischen vier Köche weitere Rezepte, alle 14 Tage gibt es einen Burger-Spezial, an Montagen einen veganen Menü-Abend, an dem die Köche, die zum Teil vorher in Sterne-Restaurants beschäftigt waren, die vegane Klaviatur abseits des Burger-Konzepts bespielen können.

Der Foodtruck rollt auch weiterhin, denn die Gastronomie ist kein Feld, in dem man sich auf seinen Lorbeeren ausruhen kann. „Wir mussten viel lernen“, sagt Binder. Trotzdem ist das Wagnis mit den Bunten Burgern gelungen. „Ich hatte vorher so viele Projekte für andere gemanagt, es tat einfach gut, endlich mal ein eigenes Projekt zu verwirklichen.“

Bunte Burger Hospeltstraße 1, 50825 Kölnwww.bunteburger.de

Das rät der Coach: Wie der Neuanfang gelingt

Herr Conen, Viele Menschen verharren in einem Beruf, der sie nicht erfüllt, wieso?

So lange ich noch das Gefühl habe, meine Arbeit dient einem wichtigen Zweck, mache ich weiter. Das ist eine Art Kompensation. Viele Ratsuchende in meinen Coachings antworten auf die Frage warum: Ich arbeite, um genug Geld zu verdienen, damit ich meine Familie versorgen kann. Solange der Ausgleich funktioniert, machen sie weiter. Auch wenn die Jobzufriedenheit nur 50 Prozent beträgt.

Wann ist ein Punkt erreicht, an dem man über einen Neuanfang nachdenken sollte?

Es gibt eine Vielzahl von Symptomen, wie etwa extreme Dünnhäutigkeit. Wenn mich alles sofort aufregt oder ängstigt und auch meine Aggressivität zunimmt und das alles über einen längeren Zeitraum anhält, sollte man sich Gedanken machen. Wenn temporäre Frustphasen zu konstanter Unzufriedenheit werden, wenn sich zudem auch körperliche Symptome wie Schlafstörungen, Rücken- oder Magenschmerzen verstetigen, spätestens dann sollten die Signale ernst genommen werden. Dann ist der Leidensdruck dauerhaft zu hoch.

Einfach den Job wechseln, um den fiesen Chef loszuwerden oder um mehr Geld zu verdienen, ist eine Sache. Einen kompletten Neuanfang zu wagen ist die andere – wie finde ich heraus, was zu mir passt?

Goethe hat einmal gesagt: Unsere Wünsche sind Vorboten der Fähigkeiten, die in uns liegen. Wir sollten versuchen, herauszufinden, ob da ein echter Wunsch nach Veränderung in uns reift. Wenn ja, nutzt wegdrücken nicht viel. Unzufriedenheit ist wie Wasser, sie bahnt sich mit Macht ihren Weg. Wir sollten unsere Wünsche also lieber ernst nehmen. Denn sie wollen uns ja etwas darüber sagen, was alles in uns steckt oder welches Leben uns mehr Sinn geben könnte. Wenn wir darüber reflektieren, finden wir auch Mittel und Wege für Veränderungen. Dafür lohnt es sich, beizeiten zu üben. Der große Knall kommt nicht von heute auf morgen. Es ist sinnvoll, sich darauf vorzubereiten, die Brücke eines Tages wirklich zu überschreiten. Schon einmal zu trainieren.

Wie kann ich den Neuanfang trainieren?

Ich kann mir Vorbilder und Leitbilder suchen. Vielleicht fasziniert mich eine konkrete Person in meinem Bekanntenkreis oder im beruflichen Umfeld. Ich kann denjenigen ansprechen, mich mit ihm beraten. Auch ein Coaching kann helfen, die Schritte zu klären, die zu gehen sind. Und die Gedanken zu ordnen, Prioritäten zu setzen. Viele sortieren ihr Leben erst, wenn sie mit Schwung vor die Wand gefahren sind, etwa im Burnout landen oder einer anderen Lebenskrise.

Oft sind wir im Zwiespalt: Wir sehnen uns nach DEM sicheren Job, nach Kontinuität, doch genauso wünschen wir uns Veränderung.

Bin ich noch am richtigen Punkt? Passt das noch für mich?

Das hat mit unserer Ich-Entwicklung zu tun. Die findet unterbewusst statt. Das kann man sich wie ein Virenprüfprogramm vorstellen, das uns schützen will. Sind wir in Übereinstimmung damit, was zur Zeit geschieht, wollen wir auch, dass es so bleibt. Stimmt es nicht mehr überein, was wir im Job oder in der Beziehung leben, schaltet sich die Sehnsucht nach Veränderung ein. Damit einher geht eine Sinnsuche. Es ist in der Tat sinnvoll, sich diese Entwicklung bewusst zu machen und sich immer wieder zu fragen: Bin ich noch am richtigen Punkt? Passt das noch für mich?

Eine Führungskraft etwa, die schon lange nicht mehr happy ist, etwa weil der Druck immer höher wird oder der Einsatz immer weniger wertgeschätzt wird, sucht dann nach Alternativen, um nicht kaputt zu gehen. Oder eine Frau, die Kinder großgezogen hat, sagt dann eines Tages: Jetzt bin ich wieder dran. Jetzt will ich etwas für mich tun. Der entscheidende Punkt ist dann der Mut, sich darin auch zu vertrauen und es nicht abzutun oder es sich von anderen ausreden zu lassen. Wenn ich merke, dass es mit Kompensation nicht mehr getan ist, kann ich die vorherigen Fragen nur mit „Nein“ beantworten, sonst belüge ich mich selbst.

Wenn ich nun aber nicht mehr mit mir übereinstimme, mir aber der Mut fehlt für einen Neuanfang, kann ich mir mein (Berufs-) Leben auf andere Art leichter machen?

Wichtig ist, nicht im Jammern zu verharren, sondern sich auf seine eigenen Handlungsmöglichkeiten zu besinnen. Das Gefühl der Hilflosigkeit und das den Umständen-Ausgeliefertseins ist das Schlimmste. Es gilt, sich gar nicht erst in der Opferrolle einzurichten, sondern etwas zu tun. Handelnde Selbstfürsorge ist etwas, das jeder lernen und trainieren kann. Dazu gehört, dass man sich das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten bewahrt. Wenn man es stärkt, kommt man besser durchs Leben. Das ist auch ein gutes Rezept, um in Zeiten von Niederlagen und Krisen die Kraft nicht zu verlieren.

Nichts in sich hineinfressen

Wie kann diese Selbstfürsorge im Berufsalltag aussehen?

Man kann zum Beispiel eine Red Line ziehen. So nennen wir das Identifizieren von Grenzen, sprich, wenn ein Kollege oder Chef mir das Leben schwermacht, sollte man denjenigen damit konfrontieren. Das Gespräch suchen, eine Lösung finden anstatt wochenlang zu leiden. In größeren Unternehmen kann ein Abteilungswechsel manchmal hilfreich sein. Auch wenn ein Team nicht funktioniert, kann das helfen. In jedem Fall: Reden hilft, nichts in sich hineinfressen.

Viele setzen sich selbst unter Druck durch ein Streben nach Perfektion, privat, als Mutter/Vater, Ehemann/Ehefrau, und im Beruf: Wie können wir den Druck herausnehmen?

Wir möchten für andere da sein, gemocht und respektiert werden, dafür tun wir eine ganze Menge. Das Problem dabei ist unser Anspruch an uns selbst. Ist er dauerhaft zu hoch, so ist das wie ein Tier, das immer größer wird und am Ende nicht mehr zu bändigen ist. Dann hilft nur eins: Sich selbst und sein Vorgehen in Frage zu stellen und einen anderen Umgang mit sich selbst zu üben. Dazu kann gehören, auch mal Nein zu sagen. Oder im Job mehr zu priorisieren. Muss ich wirklich an jedem Meeting oder Termin teilnehmen, jede Info lesen, alles selbst machen? Oder kann ich das Skript für den Tag auch umschreiben? Das ist kein leichter Prozess. Dem müssen wir uns aber stellen, wenn wir nicht nur Getriebene, sondern auch Regisseure unseres Lebens sein wollen.

Das Gespräch führte Lioba Lepping

„Neuanfang“ - Vortrag und Workshop im studio dumont

Der Kölner Coach und Bestsellerautor Horst Conen und die Personalberaterin Kirsten Rückert erklären, wie sich ein beruflicher Neuanfang umsetzen lässt. Dabei sind auch Selmin Ermis-Krohs und Mario Binder, die den Neustart gewagt haben.

Zeit: Dienstag, 31. Januar, 19 Uhr (Einlass 18 Uhr).Ort: studio dumont, Breite Straße 72, KölnEintritt: 14,75 Euro inkl. VVK, 12,75 Euro für Abo-Card-Inhaber

Für Interessenten, die schon konkrete Schritte auf dem Weg zum Neuanfang definieren möchten, bieten Horst Conen und Kirsten Rückert einen Workshop an. Dabei werden individuelle Strategien für den Neustart erarbeitet.Zeit: Samstag, 4. Februar, 11-17 UhrOrt: studio dumont, Breite Straße 72, KölnTickets: 98 Euro, für Abo-Card-Inhaber 93 Euro,

Service-Center Breite Straße 72, Köln0221/2801 www.koelnticket.de