Überall ElektrosmogWir sind permanent Strahlung ausgesetzt – wie gefährlich ist das?
Köln – Johanns Handywecker klingelt neben dem Kopfkissen. Er nimmt das Handy in die Hand, scrollt kurz durch die Nachrichten. Dann geht es ab ins Badezimmer, um den Geschmack von Schlaf mit seiner Zahnbürste wegzuputzen. Gut, dass sie ihm über Bluetooth anzeigt, dass er mal wieder viel zu stark drückt – wie immer, wenn er in Eile ist. Denn er muss auch noch schnell seinen Laptop hochfahren und eine Mail rausschicken. Und dann geht’s auch schon los: Schnell steckt er sich seine schnurlosen Kopfhörer in die Ohren, um das erste Telefonat des Tages auf seinem kurzen Fußweg hinter sich zu bringen. Schließlich wartet er an der Bahntrasse auf seinen Zug Richtung Arbeit.
Elektrosmog ist überall in unserem Alltag
Das Beispiel von Johanns Morgen ist fiktiv – aber nicht ungewöhnlich. Und ungewöhnlich ist auch nicht der stetige, unsichtbare Begleiter Johanns bei all seinen verschiedenen Tätigkeiten: Elektrosmog. So bezeichnet man die Wirkung von elektromagnetischen Feldern, die durch die Luft surren. Die Strahlung kann von Hochspannungsleitungen ausgehen, von Fernseh- und Radio- oder anderen Haushaltsgeräten. In Johanns Fall sind das Handy, Bluetooth-Zahnbürste, Laptop, Wireless-Kopfhörer und die Leitungen zum Betrieb der Bahn. Die Belastungen von diesen elektromagnetischen Feldern sieht, riecht, oder schmeckt man nicht. Aber sie sind da. Wie sie sich auf den menschlichen Körper auswirken, ist noch unklar. Forschungsergebnisse lassen in diesem Bereich bislang noch viele dunkle Flecken. Vermutet werden Einflüsse auf die Schlafqualität und auf das Nervensystem, vielleicht befördern die Strahlen auch die Bildung von Tumoren.
Wer sich elektromagnetischen Feldern entziehen will, hat es nicht einfach. Eigentlich sind sie überall. „Die einfachere Frage wäre eher, wo wir ihnen nicht ausgesetzt sind“, sagt Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale Hamburg. Er ist Diplom-Ingenieur und Umweltberater und findet: All die Geräte, die Elektrosmog produzieren, sind so sehr in das Selbstverständnis unserer Zivilisations-Gesellschaft gerückt, dass sie kaum noch hinterfragt werden. Und mit ihnen auch nicht ihre möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit. Zwar ruft er nicht dazu auf, das Thema zu verteufeln – gleichermaßen sollte man es aber auch nicht verharmlosen. „Ein bewusster Umgang mit diesen Geräten ist das richtige Stichwort.“ Wer weiß, worauf er achten muss, kann bedeutende Strahlenquellen in seinem Alltag vermeiden.
Geräte auf Strahlenwerte überprüfen
Wie viel Strahlung der Körper ausgesetzt ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Eine Rolle spielen etwa die Expositionsdauer, also wie lange ein Gerät genutzt wird, die Stärke des Signals und auch, wie weit man selbst von der Quelle entfernt ist. „Halte ich zum Beispiel das Handy ans Ohr, kann die Strahlung höher nicht sein. Wer lange und viel telefoniert, könnte also beispielsweise eine Freisprecheinrichtung oder Kopfhörer mit Kabel nutzen. Dieser dann neue Abstand zum Smartphone macht schon einen großen Unterschied“, sagt Jorde.
Wer sein Handy beim Telefonieren dicht ans Ohr drückt, kennt vielleicht das Gefühl, dass sich die Haut an dieser Stelle ein wenig erwärmt. Denn das Gewebe ist an dieser Stelle in unmittelbarem Kontakt mit hochfrequentierten elektromagnetischen Feldern. Wer wissen will, wie viel Strahlung sein Handy beim Telefonieren abgibt, kann dies im Netz nachsehen: Das Bundesamt für Strahlenwerte hat alle Smartphone-Modelle nach ihrer sogenannten spezifischen Absorptionsrate (SAR-Wert) in einer Tabelle aufgeschlüsselt. Anders gesagt gibt dieser an, wie viel Sendeleistung der Körper beim Telefonieren mit diesem Gerät maximal aufnehmen kann.
Und natürlich gilt auch abseits des Telefonierens: Das Handy tragen wir in der Regel den gesamten Tag über bei uns. Schon größere Abstände können dabei sinnvoll sein – sei es nur die Armlänge Abstand neben dem Bett, anstatt es direkt neben den Kopf auf den Nachtisch zu legen.
Mehr Kabel statt Signalübertragung nutzen
Ein weiterer Tipp von Jorde: Alles, was über Signalübertragung stattfindet, kann auf Kabel umgemodelt werden. Seien es die Kopfhörer fürs Handy, die gewöhnliche Elektro-Zahnbürste statt der mit Bluetooth-Funktion oder auch der Wireless-Router, obwohl der Laptop ohnehin den gesamten Tag direkt neben dem Wlan-Anschluss steht: „Wer hier alles direkt mit dem Kabel anschließt, kann viele elektromagnetische Felder vermeiden und sich vor den Strahlen schützen.“
Doch nicht alle diese Einflüsse sind steuerbar: Wer sein Handy extra ausschaltet, dann aber in öffentlichen Verkehrsmitteln anderen 20 Geräten ausgesetzt ist, macht eine Minusrechnung. Oder? Jorde sagt: Auch hier zählt der Abstand. Dennoch sei die Strahlung dann längst nicht so hoch wie das Handy in der eigenen Hosentasche. Auch die Radare von Flugplätzen oder etwa Hochspannungsleitungen gehören zu diesen Fremdeinflüssen, gegen die man erstmal wenig tun kann. Zwar dürfen diese nicht direkt neben Grundstücken verortet sein. Aber woher weiß ich, dass sich die Strahlung nicht trotzdem auf meinen Wohnort auswirkt? „Die doppelte Entfernung bedeutet ein Viertel der Strahlung. Die dreifache Entfernung demnach ein Neuntel und so weiter“, nennt Jorde als Richtwert.
Wo welcher Schutz sinnvoll ist
Wer dennoch den Verdacht hat, dass er sich und sein Haus zusätzlich abschirmen muss, tut gut daran, Experten um Rat zu fragen. Mit speziellen Messgeräten können sie die Belastung durch elektromagnetische Felder ausmessen und individuelle Beratung zu Schutzmaßnahmen leisten. Denn bei weitem nicht jede Maßnahme gegen Elektrosmog ist hilfreich. Das Internet ist voll von Fenstergittern aus Alu und Kupferabdeckungen für Matratzen und anderen Produkten, die die Strahlung abschirmen sollen. Ist da etwas dran?
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Der Experte sagt: „Im schlimmsten Fall kann die Kupfermatratze eher wie eine Art Antenne wirken. Deshalb ist es wichtig, erst einmal den tatsächlichen Ursprung und die Quelle der Strahlung auszumachen.“ Sonst laufen Verbraucherinnen und Verbraucher beispielsweise Gefahr, ihr Fenster vor der Strahlung zu schützen – in Wahrheit jedoch ist das Haus so alt, dass die Wände der eigentliche Grund sind, warum die Strahlung bis in den Wohnraum durchdringt. Diese feinen Unterschiede gilt es dann für Spezialisten herauszuarbeiten. „Ein weiterer Tipp: Hierbei sollte man bestenfalls Angebote von zwei verschiedenen Experten einholen. Und bewusst sagen, dass es vorerst um eine Messung, nicht um eine Sanierung geht. In diesem Bereich gibt es leider viel Abzockerei“, sagt Jorde.
Das Klingeln des Handys, braucht Johann das wirklich zum Aufwachen? Würde es nicht auch ein anderer Wecker tun? Und die Bluetooth-Zahnbürste, ist die für seinen Alltag so bedeutend? Jorde wünscht sich, dass der Umgang mit all diesen Geräten wieder etwas bewusster wird. Doch: „Es ist schwierig, Leute dafür zu sensibilisieren. Vor allem, solange es noch keine fundierten Erkenntnisse über die Auswirkungen von Elektrosmog gibt. Aber so lange das so ist – da ist der vorsorgliche Schutz eigentlich umso wichtiger“, sagt der Experte.