Ab Januar sollen Immobilien-Erben deutlich mehr Steuern zahlen, die Abgabe an den Staat könnte sich vervielfachen. Was Immobilienbesitzer jetzt noch machen können und wer unbesorgt bleiben kann.
Neubewertung von Immobilien Wie hoch wird die Steuerlast von Omas Häuschen nächstes Jahr?
Der Name des Gesetzes klingt so harmlos wie bürokratisch, wird aber drastische Konsequenzen für Erben von Häusern und Wohnungen haben. Im Jahressteuergesetz 2022 findet sich der Passus „Anpassung der Vorschriften der Grundbesitzbewertung“. Durch dieses Gesetz sollen ab dem 1. Januar Immobilien steuerlich höher bewertet werden. Noch ist das Gesetz nicht final verabschiedet, doch viele Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass sich daran nichts mehr ändern wird. „Das Gesetz wird so kommen, wie es gerade im Entwurf steht“, sagt auch Egbert Dahley, Vizepräsident des Steuerberater-Verbandes Köln. Doch wie stark steigen die Steuern an? Was können Immobilienbesitzer und Erben jetzt noch tun? Und wer kann trotz des neuen Gesetzes unbesorgt bleiben? Fünf Fragen und Antworten.
Warum steigen die Steuern?
Der Wert von Immobilien ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Das neue Gesetz will dem Rechnung tragen. Deswegen werden die steuerlichen Bewertungskriterien, um den Wert von Wohnungen, Häusern und Grundstücken zu ermitteln, angepasst – und damit auch die Steuern, die auf geerbte Immobilien fällig werden.
„Der Gesetzgeber setzt jetzt bereits länger zurückliegende verfassungsgerichtliche Vorgaben um“, sagt Sibylle Barent vom Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland. Ziel ist es, die Bewertung von Immobilien bundesweit zu vereinheitlichen und die Werte marktgerechter zu ermitteln.
Die Änderungen treten – die Zustimmung der Länder vorausgesetzt – zum 1. Januar 2023 in Kraft.
Was ändert sich konkret?
Für die steuerliche Bewertung einer Immobilie gibt es im Wesentlichen drei Verfahren: das Sachwert-, das Ertragswert- und das Vergleichswertverfahren. Bei zwei der drei Verfahren ändern sich bestimmte Rechengrößen zuungunsten von Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Wenn Eltern Immobilien an Kinder vererben oder schenken, schaut das Finanzamt zunächst, ob es Vergleichswerte aus Verkäufen in der Umgebung gibt. Wenn das nicht der Fall ist, kommt das sogenannte Sachwertverfahren zum Einsatz. Damit berechnet das Finanzamt, wie viel es kosten würde, die Immobilie heute zu kaufen oder zu bauen. Dieser Wert wird dann mit einer Reihe von Faktoren kombiniert, die sich künftig ändern.
So rechnet das Finanzamt ab dem 1. Januar damit, dass eine Immobilie 80 Jahre lang (und nicht wie zuvor 70 Jahre) genutzt wird. Dadurch mindert sich der Immobilienwert nicht mehr so stark wie jetzt.
Außerdem steigt der sogenannte Sachwertfaktor. Durch diesen Wert soll ausgedrückt werden, wie begehrt die Immobilie auf dem Markt sein würde. Bisher liegt der Faktor bei 0,9 bis 1,1. Ab Januar liegt er – abhängig von Immobilie und Region – bei 1,3 bis 1,5. Neu hinzu kommt der sogenannte Regionalfaktor. In boomenden Regionen wird der Wert der Immobilie dann noch einmal mit 1,1 multipliziert.
Im Ertragswertverfahren werden der sogenannte Liegenschaftszins – eine Art Prognose für die Wertentwicklung einer Immobilie am jeweiligen Standort – und die abziehbaren Bewirtschaftungskosten, wozu etwa Instandhaltungskosten gehören, angepasst.
Wie viel teurer wird es, Immobilien zu vererben?
All das hört sich kleinteilig an, allerdings ändert sich der Steueraufschlag dadurch drastisch. „Im schlimmsten Fall können sich bis zu 60 Prozent höhere Grundstückswerte ergeben“, sagt Dahley. Wie stark dadurch dann die Steuern steigen, sei sehr unterschiedlich und abhängig vom Grundstück und der Region. Eine Beispielrechnung in der Süddeutschen Zeitung kommt auf eine fünfmal so hohe Steuerlast für ein Einfamilienhaus mit 700 Quadratmeter Grundstücksfläche, wenn die Immobilie an ein Kind verschenkt wird. Das sei aber ein Extrembeispiel, so Dahley. Der Liegenschaftszins in Großstädten etwa falle bereits jetzt sehr niedrig aus. Einige Immobilien-Erben können hoffen, dass sich die Steuern auf ihr ererbtes Haus nur um zehn Prozent erhöhen. „Günstiger“, sagt Dahley „wird es aber wohl nicht werden.“
Was sollten Betroffene jetzt tun?
Wer schon länger geplant hat, Haus oder Wohnung an die nächste Generation weiterzugeben, dem rät Dahley, jetzt schnell zu sein: „Es wird wahrscheinlich schwer, noch einen Notar-Termin zu bekommen, aber wenn Sie sowieso schon geplant haben, Immobilien an die nächste Generation weiterzugeben, sollten Sie versuchen, sie noch dieses Jahr zu übertragen.“
Aus rein steuerlichen Gründen sollte man allerdings nicht sein Eigentum weiterschenken, schränkt er ein. „Selbst wenn Sie sich ein Nutzungs- oder Nießbrauchrecht in den Vertrag schreiben lassen, sind Sie dann nicht mehr Eigentümer der Immobilie. Wenn sich die Lebensumstände verändern und sie das Haus verkaufen wollen, ist das dann nicht mehr möglich.“ Auch könne es zu Streit mit den Kindern kommen. „Solche Erwägungen sollten eine größere Rolle bei der Entscheidung spielen, als Steuern.“
Auch Claudia Kalina-Kerschbaum vom Bund der Steuerzahler sagt: „Hatten Eigentümer und Bedachte ohnehin vor, eine Immobilie zu übertragen, könnte es sinnvoll sein, das noch in diesem Jahr zu erledigen.“ Vor übereilten Übertragungen, nur um eine höhere Bewertung zu verhindern, warnt sie aber ausdrücklich. „Denn eine solche komplexe und mit nachhaltigen Folgen verbundene Entscheidung sollte gut durchdacht werden.“ Wer die Übertragung später rückgängig machen wolle, müsse dafür tief in die Tasche greifen.
Welche Immobilien-Erben sind nicht betroffen?
Die Steuern steigen nicht für alle Erben. Zunächst gilt der erhöhte Steuersatz nur für Erbschaften und Schenkungen, die über dem Freibetrag liegen. Wird zwischen Ehepartnern vererbt, liegt der Freibetrag bei 500.000 Euro, zwischen Eltern und Kindern liegt er bei 400.000 Euro.
Außerdem können selbst bewohnte Familienheime weiterhin steuerfrei an Ehepartner und Kinder vererbt werden. Allerdings nur, wenn die Immobilie mindestens zehn Jahre lang vom Erben selbst bewohnt wird. „Wer das Haus vorher verkauft, muss die Steuern nachzahlen“, erklärt Dahley. Bei erbenden Kindern gibt es allerdings eine Einschränkung: : Die Steuerfreiheit gibt es nur bei einer Wohnfläche bis 200 Quadratmeter. (mit dpa)