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Buch „Machste dreckig, machste sauber“Wie wir den Klimawandel noch stoppen können

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Der Erdüberlastungstag führe nur dazu, die Hoffnung zu verlieren, findet David Nelles, Autor von dem neuen Buch „Die Klimalösung“.

Köln – Bereits an diesem Donnerstag hat die Menschheit die für dieses Jahr verfügbaren natürlichen Ressourcen der Erde verbraucht. Der sogenannte Earth Overshoot Day (Erdüberlastungstag) liegt damit etwas früher als im Vorjahr, wie aus Berechnungen des Global Footprint Networks mit Sitz in den USA und der Schweiz hervorgeht. Um die bis Donnerstag verbrauchten Ressourcen zu erneuern, bräuchten die Ökosysteme demnach etwa ein Jahr. Im Interview erklärt David Nelles, Autor des neuen Buches „Machste Dreckig - Machste Sauber. Die Klimalösung“ warum der Erdüberlastungstag ein völlig falsches Bild vermittle, warum es längst noch nicht zu spät ist, den Klimawandel zu stoppen und was jetzt nötig ist.

Heute ist der globale Earth Overshoot Day. Die natürlich nachwachsenden Ressourcen sind für dieses Jahr also rein rechnerisch aufgebraucht. Sie sagen aber: So dramatisch wie der Tag suggeriert, ist die Lage gar nicht, wie kommen Sie zu der Aussage?

David Nelles: Der Tag legt ja nahe, dass wir ab diesem Zeitpunkt auf Kredit leben, weil wir mehr Ressourcen verbrauchen als nachwachsen können. Das Problem ist aber, dass bei der Berechnung zwei unterschiedliche Umweltprobleme miteinander vermischt werden. Auf der einen Seite haben wir den Ressourcenverbrauch und auf der anderen den Klimawandel, die aber beide in den ökologischen Fußabdruck mit einberechnet werden. Und zwar indem man berechnet, wieviele Bäume wir weltweit pflanzen müssten, um die ganzen Treibhausgase aus der Luft zu holen und diese Bäume bräuchten nunmal sehr viel Platz. CO₂ macht deshalb fast 60 Prozent des Fußabdrucks aus.

Zur Person

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David Nelles und Christian Serrer (v.l.)

David Nelles und Christian Serrer (beide 26 Jahre alt) studieren Wirtschaftswissenschaften am Bodensee. 2018 veröffentlichten sie ihr erstes Buch über die Ursachen und Folgen des Klimawandels: „Kleine Gase – Große Wirkung“.

Mit „Machste Dreckig - Machste Sauber. Die Klimalösung“ legen sie nun ein Buch voller Lösungen nach.

Würden wir die Emissionen herausrechnen, kämen wir mit unseren Ressourcen aus. Das heißt natürlich nicht, dass wir deshalb verschwenderisch damit umgehen sollten. Aber ich finde, wir müssen aufpassen, in der Klimadebatte nicht ständig alles schwarz zu malen. Das führt sonst schnell dazu, dass wir den Kopf in den Sand stecken. Genau dazu trägt dieser Tag bei, denn die positive Geschichte wird außer Acht gelassen: Nämlich dass wir es schaffen können, den Klimawandel zu stoppen!

Zu dieser positiven Geschichte wollen Sie und Christian Serrer mit Ihrem neuen Buch „Machste Dreckig – Machste Sauber. Die Klimalösung“ beitragen. Sie studieren beide noch, wie sind Sie dazu gekommen, ein Buch darüber zu schreiben, wie wir den Klimawandel stoppen können?

Christian und ich saßen in der Mensa zusammen und haben uns über das Thema Klimawandel unterhalten. Auch über die Lösungen, die ja in den letzten Jahren wirklich rauf und runter diskutiert wurden. Aber es gibt auch so viele Mythen und Falschbehauptungen, das Thema wird so emotional diskutiert und wir wollten einfach mal wissen: Was ist jetzt eigentlich der Stand der Wissenschaft?

Wir haben aber kein Buch gefunden, das uns das ganz leicht und verständlich, aber eben auch wissenschaftlich fundiert, erklärt. Also haben wir gesagt: Dann schreiben wir es einfach selbst! Wir haben dafür mit fast 300 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen gesprochen und geschaut, wie wir das Klimaproblem global lösen können und welche Stellschrauben die wichtigsten sind.

Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen? Wie sieht die Lösung konkret aus?

Über 70 Prozent der weltweiten Emissionen entstehen durch die Nutzung von fossilen Brennstoffen. Das heißt durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas. Das wichtigste ist es daher, Energie klimafreundlich bereitzustellen. Ein weiteres wichtiges Feld ist die internationale Zusammenarbeit, denn Deutschland wird die Klimakrise logischerweise nicht alleine lösen. Aber ohne uns wird es eben auch nicht funktionieren.

Bei vielen Menschen hat sich mittlerweile das Gefühl eingeschlichen, dass es ohnehin zu spät ist, den Klimawandel noch zu stoppen. Ist das so?

Nein, es ist nie zu spät! Man kann das knallhart so sagen: Auch in einer sechs oder sieben Grad wärmeren Welt wird es noch die Menschheit geben. Es wird dann nur verdammt ungemütlich sein auf diesem Planeten. Aus diesem Grund ist jedes Zehntelgrad entscheidend.

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Die Auswirkungen einer Erwärmung um 1,5 bzw. um zwei Grad im Vergleich zu den Jahren 1971-81.

Ob wir eine Erwärmung von 1,5 Grad oder von zwei Grad haben, macht einen riesigen Unterschied. Ein Beispiel, um das zu verdeutlichen: In einer um 1,5 Grad wärmeren Welt verdoppeln sich die Hitzetage im Vergleich zu heute, in einer um zwei Grad wärmeren Welt vervierfachen sie sich.

Aber dass das 1,5 Grad-Ziel eingehalten werden kann, halten viele Wissenschaftler mittlerweile für extrem unwahrscheinlich.

Genau, um das noch zu schaffen, müsste die Weltgemeinschaft in den nächsten zehn Jahren klimaneutral werden. Danach sieht es momentan nicht aus. Eine Erwärmung von zwei Grad könnten wir realistisch noch einhalten, dafür lohnt es sich genauso zu kämpfen! Denn es hört auch da ja nicht auf, es wird immer schlimmer werden, je weiter die Temperatur steigt. Die Daumenschrauben werden sozusagen immer enger angezogen. Der Daumen ist dann zwar noch dran, aber es wird eben immer schmerzhafter.

Große Teile der Klimabewegung machen unter anderem unsere kapitalistische Wirtschaftsweise dafür verantwortlich, dass wir den Planeten ausbeuten. Sie sagen aber: Wir fahren den Klimaschutz gegen die Wand, wenn wir den Kapitalismus abschaffen. Warum?

Das Problem sind bisher nie die Wirtschaftssysteme gewesen, die die Umwelt schädigen oder nicht, sondern die Art und Weise wie wir Menschen die Wirtschaftssysteme gestaltet haben, also welche Gesetze wir machen. In der DDR war der CO₂-Ausstoß pro Kopf beispielsweise doppelt so hoch wie in der damaligen Bundesrepublik. Entscheidend ist ein demokratisches System, in dem sich die Menschen auflehnen können gegen die Umweltzerstörung. Wie zum Beispiel „Fridays for Future“, die durch die Straßen gehen und auf die Probleme aufmerksam machen, um Gesetze zu erwirken, die diese lösen.

Es ist also keine Frage des Wirtschaftssystems, sondern der Gesetze, die dafür sorgen müssen, dass bestimmte Dinge einfach nicht mehr erlaubt sind. Das Problem am Kapitalismus ist, dass die Natur keine Stimme hat, sie ist also kein Marktteilnehmer. Wenn man der Natur jetzt aber einen Preis gibt, zum Beispiel einen CO₂-Preis, dann kann es sich auf einmal lohnen, das Klima zu schützen. Genau solche cleveren Marktmechanismen brauchen wir.

Auch jeder Einzelne kann im Alltag seinen Beitrag für den Klimaschutz leisten. Kein Fleisch essen, weniger mit dem Flugzeug fliegen, das Auto öfter mal stehen lassen. Was bringen solche Maßnahmen?

Auf den eigenen CO₂-Fußabdruck hat man in Deutschland ungefähr einen Einfluss von 50 Prozent. Jeder Deutsche hat also theoretisch die Möglichkeit, den eigenen Fußabdruck zu halbieren. Das Reduktionsziel der Bundesregierung bis 2030 könnten wir also von heute auf morgen erreichen, sofern alle mitmachen würden. Das heißt, das Potenzial ist enorm! Deshalb würde ich auch jeden dazu ermutigen.

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Die Verursacher der weltweiten menschengemachten Treibhausgasemissionen im Jahr 2018 in Prozent.

Ich versuche dabei immer wieder die Vorteile in den Vordergrund zu stellen: Wenn ich öfter mit dem Fahrrad unterwegs bin, bewege ich mich mehr und bin mehr an der frischen Luft, ich lebe also gesünder. Wenn ich mich vegetarisch oder sogar vegan ernähre, verlängere ich mein Leben, weil ich mich gesünder ernähre. Wenn ich nicht jedes neue iPhone brauche, nicht jeden neuen Trend mitmache, dann gewinne ich Zeit und spare viel Geld. Es geht beim Klimaschutz im Alltag nicht jeden Morgen darum, aufzustehen und die Welt zu retten, sondern man hat auch ein entspannteres, gesünderes, friedlicheres Leben.

Angenommen, ich möchte erstmal mit einem Bereich meines Lebens anfangen: Welcher wäre sinnvoll? Wo kann ich als Einzelperson möglichst viel einsparen?

Der größte und schnellste Weg, den eigenen CO₂-Fußabdruck zu senken, ist der Wechsel zu einem Ökostromanbieter. Man muss hier nur aufpassen, einen wirklich grünen Anbieter zu wählen und nicht auf Greenwashing hereinzufallen. Von dem Wechsel merke ich in meinem Alltag nicht viel, es ist also relativ einfach umzusetzen.

Schwieriger wird es bei der Ernährung, denn hier kommt es jeden Tag auf jeden einzelnen an. Es kann mir schließlich niemand vorschreiben, was ich zu essen habe. Ich treffe diese Entscheidung jeden Tag für mich selber. Aber um im Ernährungssektor die Wende zu schaffen, kommt es tatsächlich auf die 80 Millionen Menschen in Deutschland an.

Man merkt aber in den letzten Jahren, dass sich bei diesem Thema unheimlich viel tut. Gerade in der jüngeren Generation leben immer mehr vegetarisch oder vegan oder verzichten bewusst öfter mal auf Fleisch. Ich denke daher, dass wir im Ernährungsbereich in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren noch große Veränderungen sehen werden.

Das Buch

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"Machste Dreckig - Machste Sauber. Die Klimalösung" von David Nelles und Christian Serrer

In ihrem zweiten Buch wollen David Nelles und Christian Serrer Lösungen aufzeigen, wie der Klimawandel gestoppt werden kann. Das Buch zeigt Kapitel für Kapitel, welche konkreten Maßnahmen in den einzelnen Sektoren Energie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und Industrie nötig sind und warum. (Eigenverlag, 124 Seiten, 10 Euro)

Auch Sie gehören zu dieser jungen Generation und werden die Auswirkungen des Klimawandels höchstwahrscheinlich noch deutlich miterleben. Was gibt Ihnen Hoffnung, dass die Zukunft auch für Ihre und die darauffolgenden Generationen noch lebenswert wird?

Hoffnung geben mir die letzten zwei Jahre! Wir hatten durch die Arbeit am Buch so viele Möglichkeiten, mit Menschen zu sprechen, die sich engagieren. Sei es auf der Straße bei „Fridays for Future“, oder Abgeordnete im Bundestag und Europaparlament sowie viele Unternehmer und Unternehmerinnen, die Klimaschutz umsetzen wollen. Man hat oft das Gefühl, man kämpft allein auf weiter Flur, aber das ist überhaupt nicht der Fall!

Es gibt Millionen von Menschen, auch in Deutschland, die jeden Tag aufstehen und kämpfen. Und davon ein Mosaiksteinchen zu sein, das motiviert mich jeden Tag! Wenn man sich klarmacht, wie viele andere sich genauso bemühen, hat man das Gefühl, als großes Team unterwegs zu sein und das macht einfach nur Spaß!