Freiwillig ProstituierteEscort-Dame Josefa: „Für mich ist das ein Traumjob“
Josefa Nereus sagt, sie habe schon einige Berufe ausprobiert. „Aber ich konnte nie sagen: Ja, das möchte ich jetzt langfristig machen, das befriedigt mich.“ Heute arbeitet die 29-Jährige, die nicht wirklich Josefa heißt, als Escort-Dame in Hamburg. Sie begleitet Männer, hat Sex mit ihnen und lässt sich dafür gut bezahlen. Für viele Frauen unvorstellbar – für sie ein Traumjob, sagt Josefa.
Geboren wurde Josefa in Sachsen. „Mein Vater kam aus Kuba. Er hat uns verlassen, als ich ein Jahr alt war“, sagt die junge Frau mit der braunen Haut und dem krausen, schwarzen Haar. Noch vor der Wende zieht die Mutter mit ihr in den Westen. „Erst wollte ich Ärztin werden und die Lepra heilen. Als ich 15 war, wollte ich Filme drehen.“ Später rasselt sie durchs Abi, macht eine Ausbildung zur Mediengestalterin. Die Mutter sei enttäuscht gewesen, sagt sie.
„Mit 19 habe ich einen eigenen Film gedreht, der auch bei uns im Kino gezeigt wurde. Ich war so stolz.“ Ihre Mutter aber habe den Bekannten erzählt, die Tochter studiere Biologie. „Das hat sehr wehgetan.“ Jetzt hätten die beiden keinen Kontakt mehr. „Meine Mutter weiß nicht, was ich hier tue.“
Als sie zum ersten Mal für Sex bezahlt wurde, sei sie 20 gewesen, sagt Josefa. „Ein Mann sprach mich an.“ Man unterhält sich. „Und auf einmal fragt er mich, ob er meine Stiefel ablecken darf, er würde mich auch dafür bezahlen.“
Zur Escort-Lady wurde Josefa vor zwei Jahren. „Ich wollte mehr Sex, als ich tatsächlich hatte. Ich habe gern einmal am Tag Sex, gerne auch zweimal. Aber ständig in Clubs zu gehen, das war mir zu anstrengend. Dann unterhält man sich stundenlang und am Ende passt es doch nicht.“
Warum sollte sie ihre Leidenschaft nicht monetär nutzen, wie sie sich ausdrückt? „Ich nehme also Summe X, dann muss ich weniger anderweitig arbeiten und habe mehr Zeit.“ Summe X heißt: Zwei Stunden für 400 Euro, ein ganzer Tag für 1500 Euro, plus Spesen. „Pro Woche habe ich zwischen null und sechs Kunden, ganz unterschiedlich, im Schnitt etwa zwei bis drei.“
Polizisten, Geistliche, Politiker und Bäcker als Kunden
Zum Einstieg arbeitete Josefa für Escort-Agenturen. „Meine damalige Chefin hat mir gleich gesagt: Biete nur an, was du auch anbieten möchtest.“ An ihren ersten richtigen Kunden erinnert sich Josefa gut. „Ich war unheimlich aufgeregt, ich wusste nicht: Was passiert jetzt?“ Zu Anfang habe sie Horrorbilder im Kopf gehabt. „Das Klischee, der Mann fällt über dich her.“ An der Tür des Hotelzimmers habe dann aber „ein ganz normaler Mann“ gestanden.
Jetzt arbeitet Josefa als Selbstständige. „Josefa zu werden ist ein gewisses Ritual: Ich dusche, pflege mich, zieh mir was Schönes an, halterlose Strümpfe und so weiter. Das ist sinnlich, das bringt mich in Stimmung.“ Viele Escort-Kunden seien Geschäftsmänner, die abends alleine im Hotel seien.
Aber auch Polizisten, Geistliche, Politiker und Bäcker seien schon bei ihr gewesen. Sie begleite die Herren nicht nur ins Restaurant oder ins Bett, sondern sei auch Kumpel und Kummerkasten, sagt Josefa. „Ich bin immer wieder überrascht, was die mir gegenüber alles preisgeben, von dem ich weiß: Ihrer Frau erzählen sie das nicht.“
Rollenspiele und „Dirty Talk“ stünden bei ihren Kunden etwa hoch im Kurs. Doch es gebe auch nervige Kunden, räumt Josefa ein. Etwa solche, die „es plötzlich unangenehm finden, mit einer Frau zusammen zu sein, die jeden Tag Sex hat“ – das tue dann schon weh. „Ich werfe es ja auch niemandem vor, wenn er nur einmal im Monat Sex hat.“
„Auch Psychopathen wollen mal Sex kaufen“
Gewalt hat Josefa nach eigenen Worten noch nicht erlebt. Sie wolle aber nichts verharmlosen: „Es gibt auch Männer, so wie die Prostitutionsgegner immer sagen, die glauben, sie kaufen sich eine Frau. Es gibt Männer, die Spaß dran haben, andere Menschen zu demütigen. Und auch Psychopathen wollen mal Sex kaufen. Das gibt es alles, aber das ist nicht das Gros.“
Mit diesen Erfahrungen gehört Josefa Nereus allerdings zu einer privilegierten Gruppe unter den den Prostituierten. Experten wie etwa die Hamburger Beratungsstelle „ragazza“ weisen darauf hin, dass für drogenabhängige Prostituierte auf dem Straßenstrich Gewalterfahrungen keine Ausnahme seien. Sie gehen anschaffen, um den Drogenkonsum zu finanzieren. Je größer die Sucht, desto erpressbarer seien die Prostituierten, zum Beispiel Sex ohne Kondom zu haben.
Dazu komme die Zwangsprostitution. Opfer davon sind nach Auskunft der Polizei sehr oft ausländische Frauen, die mit falschen Versprechungen nach Deutschland gebracht und hier zur Prostitution gezwungen würden.
Die dunklen Seiten der Prostitution bestreitet Josefa nicht. Die Vermutung, kein Mensch prostituiere sich freiwillig, weist sie aber vehement zurück. Dass viele Menschen sich nicht vorstellen könnten, so viel Sex haben zu wollen, empfinde sie als Übergriff in der Debatte um Prostitution. „Sie werten damit die Sexualität eines anderen Menschen ab“, sagt sie.
Verschwinden werde die Prostitution niemals, sagt Josefa und lacht. „Es gab sie schon immer und es wird sie auch immer geben. Viele Männer wollen mehr Sex als die meisten Frauen. Und damit gibt es ein Ungleichgewicht. Und dann gibt es Frauen, die so leben wie ich, die gerne bezahlten Sex mit Fremden haben wollen.“
(dpa)