Landschaftsplaner„Schotter-Vorgärten sind ein Ausdruck der Gleichgültigkeit"
- Mit einem Schotter-Vorgarten trägt man nach außen, wie egal einem die Umwelt ist, sagt Landschaftsplaner Tjards Wendebourg.
- Dazu kommt: Solche Gärten sind nicht einmal pflegeleicht – sie laden Unkräuter ein und heizen das Kleinklima auf.
- Wendebourg gibt Tipps, wie sich eine Schotterwüste in einen ökologisch wertvolleren Garten verwandeln lässt – ganz ohne großen Aufwand.
Köln – Selten wurde so viel Zeit zu Hause verbracht wie in den letzten Wochen. Mit kleinerem Radius rückt das direkte Umfeld stärker in den Fokus, und damit auch der Vorgarten. Von der Küchenzeile aus, beim Gang zur Mülltonne oder Briefkasten fällt der Blick auf das, was vor dem Haus liegt. Schön, wenn dort der Frühling Einzug hält, wenn die Narzissen und Tulpen blühen, der Storchschnabel sprießt und die Rosen austreiben. So ein Garten verändert sich fast täglich. Neues kommt hinzu - die ersten Maiglöckchen zeigen ihre Spitzen – anderes vergeht, wie die längst vergessenen Blüten der Schneeglöckchen. Doch solche Vorgärten sind selten geworden, nicht nur in den Straßen Köln, auch in kleineren Gemeinden auf dem Land.
Schotterflächen beherrschen die Vorgärten
Stattdessen gleitet der Blick immer öfter über Schotterflächen und bleibt höchstens am einzelnen Olivenbaum oder einer Formschnitt-Zypresse hängen. Ein Bild, das sich nicht groß verändert im Jahreslauf, das höchstens vorübergehend von eingewanderten Kräutern wie Löwenzahn oder anderen Sämlingen belebt wird. Richtig klären lässt nicht, warum solche Vorgärten angelegt werden, denn kaum jemand empfindet Behagen oder gar Freude angesichts einer unbelebten Steinfläche.
Neu ist das Thema nicht. Längst gibt es Initiativen wie „Rettet den Vorgarten“, den der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) e.V. 2017 ins Leben gerufen hat. In den Sozialen Medien finden sich Seiten wie „Gärten des Grauens“.
Kuriositätensammlungen besonders trister und schauriger Vorgartengestaltungen. Doch Autor Tjards Wendebourg, Garten- und Landschaftsplaner sowie Redaktionsleiter mehrerer Fachzeitschriften der Grünen Branche, fasst in einem handlichen Buch noch einmal zusammen, warum der Kies weg muss. Angesprochen sind alle jene, die selber beraten und Gärten anlegen oder auch nur bessere Argumente in der Diskussion um den Kies haben wollen. Denn davon gibt es mehr als genug. Kies ist nicht pflegeleicht, ordentlich bleibt er nur mit einem nicht zu unterschätzenden Arbeitsaufwand, und er ist auch keine günstige Lösung.
„Die Menschen legen einen solchen Garten an, weil sie sich die Pflege ersparen wollen“, sagt Wendebourg. „Weil sie es sauber und ordentlich haben oder nicht auffallen wollen in der Nachbarschaft. Und weil sie keine Ahnung von Pflanzen haben.“ Dann merken sie aber: Die Ordnung lässt sich nur schwer halten. Pflanzen siedeln sich im Kies an, ob Baumsämlinge aus der Nachbarschaft oder Korbblütler, deren Samen von weit her geflogen kommen. Die Steine werden mit der Zeit schmutzig und setzen Moos, Algen und Flechten an. Anstatt im Frühjahr Stauden zurückzuschneiden und sich dann über Wachstum und Blüte zu freuen, sind Besitzer solcher Gärten damit beschäftigt, Sämlinge herauszuziehen und Steine zu reinigen.
Buchtipp
Tjards Wendebourg: „Der Kies muss weg. Gegen die Verschotterung unserer Vorgärten“; Verlag Eugen Ulmer, 96 Seiten, 12,95 Euro
„Man trägt nach außen, wie egal einem die Umwelt ist“
Darüber hinaus schaden solche Flächen auch dem Kleinklima. Gerade dunkler Schotter, etwa aus Basalt, heizt sich im Sommer extrem auf und speichert die Wärme. „Menschen am Mittelmeer würden sich keinen Schotter vor die Tür legen“, sagt Wendebourg. In warmen Regionen ist der Wert von Pflanzen, die Kühle und Feuchtigkeit spenden, seit jeher bekannt. Ein Aspekt, der auch in unseren Breiten immer mehr Gewicht bekommt.
Jede kleinste Fläche kann begrünt werden, und sei es vertikal mit rankenden Pflanzen. Jedes bisschen Grün macht einen Unterschied in der Stadt. Schotterwüsten dagegen zeugen von einer Gleichgültigkeit. „Sie sind ein Ausdruck der Gedankenlosigkeit, der Rücksichtslosigkeit, des reinen Egoismus. Man trägt nach außen, wie egal einem die Umwelt ist.“
Grüne Bepflanzung ist ganz einfach – und so viel besser
Dabei braucht es so wenig, um ein angenehmes Umfeld zu schaffen, das nicht nur Klima und Tieren zugutekommt, sondern der eigenen Seele. Dafür braucht es auch kein großes gärtnerisches Wissen. Wichtig ist der Spaß an der Sache. „Man schenkt sich selber etwas, wenn man die Fläche so gestaltet, dass man Kraft daraus schöpfen kann“, sagt Wendebourg. Anstatt sich von ordentlichen Bildern versklaven zu lassen, sollte der Phantasie freien Lauf gelassen werden. Keine Angst, wenn Bilder von duftenden Rosen und Apfelbäumen vor dem inneren Auge erscheinen: sie machen nicht mehr Arbeit als eine Schotterfläche – dafür aber eine deutlich angenehmere.
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Ist der Kies einmal da, braucht er nicht unbedingt abtransportiert zu werden, um etwas zu ändern. „Nicht die Steine sind das Problem, sondern was mit ihnen gemacht wird.“ Schwierig wird es nur, wenn eine Folie darunter liegt. Die muss nämlich weg, ehe etwas wachsen kann. Ist der Boden nicht allzu stark verdichtet, können Stauden wie Storchschnabel hineingepflanzt werden. Wenn feinerer Kies vorhanden ist, kann der komplett mit magerem Substrat versetzt und bepflanzt werden. Dann wird aus der Steinschüttung ein richtiger Kiesgarten, in dem Gräser und Wolfsmilchgewächse, Iris und Blaurauten wachsen können.
Liegt der Garten im Schatten, eignen sich zum Beispiel ein paar Farne und ein Waldgeißbart. Noch ein Chinaschilf dazusetzen, und schon ist das Schotterproblem gelöst. Im größeren Garten lässt sich das Material dagegen zu einem Haufen oder einer organischen Form schichten und mit blühenden Stauden umgeben. Daraus können interessante Gartenbilder entstehen. Zusammen mit Pflanzen bieten Steine nicht nur Insekten einen Lebensraum. Auch Menschen fühlen sich dazwischen wohl.