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Fiese Widerhaken am WegrandGrannen sind gefährlich für Hunde – mitunter sogar tödlich

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Widerhaken mit Gefahrenpotenzial: Die Grannen der Gerste sind besonders lang.

Köln – Schüttelt sich Ihr Hund ständig, kratzt sich am Ohr oder niest am laufenden Band? Dann könnte es an kleinen Pflanzenteilchen liegen, die sich das Tier im Feld, im hohen Gras und immer mehr auch am Wegrand mitten in der Stadt eingefangen hat. Tierschutzorganisationen wie „Vier Pfoten“ und Veterinäre warnen: Grannen können für den Hund lebensgefährlich werden. Die Kölner Tierärztin Claudia Ulrich, Mitglied der Tierärztekammer Nordrhein, erklärt, warum das so riskant ist, woran man erkennt, ob der Hund betroffen ist und wie man ihn schützen kann.

Was genau sind Grannen?

Grannen sind die scharfen, borstigen Bestandteile der Ähren von verschiedenen Getreidearten und Gräsern. Sie umschließen deren Samenkörner, laufen spitz zu, haben eine raue Oberfläche und sind mit kleinen, nach hinten gerichteten Widerhaken besetzt. Besonders im Sommer, wenn die Ährenspitzen vertrocknet sind, fallen die Grannen leicht ab und heften sich bei Berührung an. Gerste hat besonders lange Grannen, Roggen mittellange und Weizen gar keine. Der Vorteil für die Pflanzen: Kletten sich die Grannen ans Fell von Tieren oder an die Kleidung, werden sie an mehrere Orte gebracht, so können sich die Pflanzen in ihrer Umgebung verbreiten. Der Nachteil für den Hund: Kletten sich die Widerhaken in das Fell oder an und in bestimmte Körperteile, kann das lebensbedrohliche Konsequenzen haben.

Kommen sie nur auf Feldern vor und warum sind Grannen so gefährlich für den Hund?

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Die Kölner Tierärztin Claudia Ulrich ist Mitglied der Tierärztekammer Nordrhein und des Bundesverbands praktizierender Tierärzte.

Grannen-Gefahr lauert überall, selbst auf dem Asphalt in der Stadt, davon weiß auch Claudia Ulrich ein Lied zu singen. Die Kölner Tierärztin behandelt pro Woche rund zehn Grannen-Fälle in ihrer Praxis. „Es ist eine Mär, dass Grannen nur auf Feldern oder im hohen Gras gefährlich für Hunde werden. Denn die sehr trockenen Frühling- und Sommermonate der vergangenen Jahre begünstigen deren vermehrtes Vorkommen, und zwar überall, wo sich in der Nähe die noch so kleinste Grünfläche befindet.“

Das Problem: Haben sich die Grannen erst einmal im Fell des Hundes festgesetzt, wird das Tier sie nur schwer wieder los. „Durch ihre V-förmigen Widerhaken bewegen sich die Grannen nur in eine Richtung, werden bei jeder Bewegung, etwa durch Wälzen oder Schütteln tiefer geführt und können sich in die Haut des Hundes bohren“, sagt Claudia Ulrich, und fügt an: „Wegen der extremen Trockenheit sind sie derart hart, dass sie selbst die intakteste Haut durchstechen.“ An den betroffenen Stellen könnten sie dann Infektionen, Entzündungen oder Abszesse verursachen.

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Am Getreidefeld sollte der Hund im Somme besser vorbeigefahren werden.

Schlimmer noch: Wenn das Tier die Grannen einatmet. Dann kann es vorkommen, dass sie bis in die Lungen oder ins Gehirn gelangen. Ulrich: Wir haben schon ganze Ähren aus der Lunge eines Hundes geholt.“ Grannen können also auch durch Körperöffnungen wie Nase, Mund oder Ohren in den Körper des Hundes geraten und damit zum Beispiel durch den Magen-Darm-Trakt und die Atemwege wandern und Lungenentzündungen und lebensbedrohliche Schäden anrichten. „Wobei es weniger gefährlich ist, wenn der Hund die Granne frisst, da die Magensäure sie in den meisten Fällen zersetzt“, entwarnt die Kölner Tierärztin.

Woran erkenne ich, ob mein Hund betroffen ist?

Grannen sind wie Kletten oder andere Fremdkörper, die der Hund in der Regel schnell wieder loswerden will. Das zeigt er in seinem Verhalten. Ulrich erklärt, welche Symptome einen Hinweis darauf geben können: „Sitzt die Granne im Ohr, wird der Hund sich häufiger als sonst am Ohr kratzen, seinen Kopf schütteln oder ihn schief halten.“ Manchmal würde das betroffene Ohr auch herabhängen, sehr schmerzempfindlich sein und Flüssigkeit aussondern.

Befinde sich eine Granne in der Nase, könne Niesen, Naselaufen oder Nasenbluten einen Hinweis darauf geben. „Im Auge bewirkt sie Tränenfluss, Lichtempfindlichkeit, Rötungen, Schwellungen und dass das Tier häufig die Augen zusammenkneift oder daran kratzt.“ Zwischen den Zehen der Pfote reagiere Hund mit Humpeln, häufigem Lecken und Beißen. Ulrich: „Ist die Granne in die Luftröhre des Hundes gelangt, kann das zu plötzlichem anhaltendem Husten oder lebensbedrohlicher Atemnot führen.“ Unabhängig von der Köperstelle, auch der Genitalbereich, die Achseln sind häufig betroffen, könnten häufiges Belecken, Schütteln und Schwellungen durch eine Granne verursacht werden.

Wie entfernt man Grannen? Und wann ist der Tierarzt gefragt?

Verhält sich der Hund wie beschrieben, sollten Hundehalterinnen und Hundehalter das Tier gründlich untersuchen. Grannen im Fell lassen sich mit der Hand, der Pinzette oder durch sorgsames Bürsten entfernen. „Hakt die Granne aber in der Haut fest, ist die betroffene Stelle entzündet und zeigt der Hund Symptome, sollten meine Kolleginnen und Kollegen ans Werk“, sagt Tierärztin Claudia Ulrich. Vor allem bei Grannen im Ohr bestünde die Gefahr, dass sie weiter eindringen und für eine Mittelohrentzündung oder eine Verletzung des Trommelfells sorgen. Je nachdem, an welcher Körperstelle, sich die Granne befindet und wie es um den Kooperationswillen des Hundes bestellt ist, können Ulrich und Kolleginnen die Grannen dann ohne Narkose entfernen. „Im Ohr beispielsweise ist das einfacher als in der Nase, da müssen wir endoskopisch eingreifen“.

Wie kann ich Grannen-Befall verhindern?

Hundehalterinnen und -halter sollten vermeiden, ihr Tier durch hohes Gras oder Getreidefelder laufen zu lassen. Tierschützer und Veterinärinnen wie Claudia Ulrich raten, das Fell kurz zu halten, besonders das an den Ohren und Pfoten, und die Unterwolle auszubürsten. Nach jedem Spaziergang gelte: Unbedingt den Hund nach Grannen absuchen. Vor allem die Ohren, Augen, Zwischenzehenräume und Achseln prüfen. (mit dpa)