Ein Handy am Steuer erhöht die Unfallgefahr enorm. Mit speziellen Blitzern will Rheinland-Pfalz dagegen vorgehen – auch eine Lösung für NRW?
Rheinland-Pfalz will Monocam nutzenKamera erkennt Handy am Steuer – was NRW zum Smartphone-Blitzer sagt
Über 4000 Blitzer bestrafen in Deutschland täglich zu schnelles Autofahren. Rotes Blitzlicht, Foto und Bußgeld, vielleicht noch ein Punkt. Ähnlich könnte es demnächst mit Smartphones am Steuer laufen – mit einer Art „Handy-Blitzer“.
Dass die Benutzung eines Smartphones während der Autofahrt gefährlich ist, steht nicht zur Diskussion. Unter anderem fanden Forschende in ihrer Veröffentlichung im „Proceedings of the National Academy of Sciences“ heraus, dass Ablenkung neben Missachtung der Verkehrsregeln und Alkohol am Steuer die häufigste Unfallursache ist. Und dazu zählt natürlich auch das Smartphone. „Die Nutzung elektronischer Geräte während der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr birgt ein großes Unfallrisiko“, mahnt auch Christoph Wickhorst. Er ist Sprecher des NRW-Innenministeriums für Polizeiangelegenheiten.
Was genau passiert, wenn das Smartphone während der Fahrt in der Hand landet, zeigte der ADAC 2020 in einer Untersuchung. Dabei sollten Fahrende eine Whatsapp-Nachricht lesen und beantworten. Neben einem „bedeutend unruhiger“ werdenden Fahrstil ging der Blick im Schnitt 14-mal weg von der Straße. „Das summierte sich zu 140 blind gefahrenen Metern“, so der ADAC. Auch das Halten der Spur wurde ein Problem: „Ein Drittel der Teilnehmer überfuhr die Mittellinie und blieb teilweise für 3,5 bis vier Sekunden beziehungsweise 35 Meter auf der falschen Straßenseite.“
„Handy-Blitzer“ aus den Niederlanden in Rheinland-Pfalz getestet
Damit es so weit nicht kommt, hat die Universität Utrecht mit der niederländischen Polizei die Monocam entwickelt. Das mobile System soll, wie die bekannten Blitzer bei Geschwindigkeitsübertretungen, dafür sorgen, dass sich die Smartphone-Nutzung am Steuer deutlich reduziert.
Und das funktioniert so: Monocam erkennt von einer erhöhten Position aus automatisch, wenn eine Fahrerin oder ein Fahrer ein Smartphone in der Hand hält. Zum Beispiel durch eine entsprechende Handhaltung, auch das Smartphone selbst kann die Künstliche Intelligenz identifizieren. Aus einem Livestream heraus fertigt Monocam dann ein entsprechendes Beweisfoto an – dieses liefert in einem ersten Schritt allerdings nur einen Verdachtsfall. Die Aufnahmen müssen noch einmal überprüft werden, da sie nicht immer eindeutig sind.
In einer Pilotphase in Rheinland-Pfalz sind die „Handy-Blitzer“ nun getestet worden – erfolgreich, wenn es nach Innenminister Michael Ebling geht. Das Projekt habe dazu geführt, dass die Zahl der Ablenkungsverstöße mindestens halbiert wurde. Bei bestätigtem Verdacht waren auch bereits Bußgeldbescheide verschickt worden: 100 Euro kostet die unerlaubte Smartphone-Nutzung, dazu gibt es einen Punkt in Flensburg.
Monocam-Einsatz aktuell noch ohne Rechtsgrundlage
Rheinland-Pfalz möchte die Nutzung nun auf das gesamte Bundesland ausweiten. Das geht allerdings nicht ohne Weiteres. Denn dem dauerhaften Einsatz dieser Technik fehlt aktuell noch die Rechtsgrundlage. Und auch der Datenschutz spielt eine Rolle. So ist das grundsätzliche Abfilmen aller Fahrerinnen und Fahrer nicht einfach so erlaubt. Laut rheinland-pfälzischem Innenministerium passiere alles „in enger Abstimmung“ mit dem dortigen Datenschutz-Beauftragten, das System sei geprüft worden.
Einen ersten Hinweis, wie Gerichte in diesem Fall urteilen könnten, hat das Amtsgericht Trier gegeben. Einige Autofahrende, die während der Pilotphase in Rheinland-Pfalz mit dem Smartphone am Steuer erwischt worden waren, hatten gegen ihre Bußgeldbescheide geklagt. Das Amtsgericht wies in seiner Entscheidung unter anderem auf die fehlende Rechtsgrundlage hin, erklärte aber nicht alle Bußgeldbescheide für nichtig. Denn: Die Sicherheit des Straßenverkehrs sei wichtiger als die Selbstbestimmung der Geblitzten.
Mit der nächsten Änderung des Polizei- und Ordnungsgesetzes in Rheinland-Pfalz soll nun ein Vorschlag für die Rechtsgrundlage erarbeitet werden. Dann sollen alle Polizeipräsidien im Land mit der Technik aufgerüstet werden, kündigte Innenminister Ebling an.
Nordrhein-Westfalen beobachtet Entwicklungen in Rheinland-Pfalz
Rheinland-Pfalz schiebt die Thematik des „Handy-Blitzers“ also an. Und wie sieht es in Nordrhein-Westfalen aus? Abgeneigt von der Idee scheint man auch hier nicht zu sein. „Die automatisierte Überwachung von Verkehrsverstößen wie zum Beispiel durch die Monocam kann eine Möglichkeit darstellen, die Verkehrssicherheit zu steigern“, erklärt Christoph Wickhorst. „Die Polizei Nordrhein-Westfalen begrüßt und verfolgt deshalb kontinuierlich die Entwicklung neuer Verkehrsüberwachungstechnik.“
Konkreter wird es aktuell aber nicht, unter anderem aufgrund der Rechtslage. Neben einer notwendigen Änderung des Polizei- und Ordnungsgesetzes könnten für den dauerhaften Einsatz der Monocam auch Anpassungen durch den Bundesgesetzgeber erforderlich sein, wirft Wickhorst ein. „Die Polizei Nordrhein-Westfalen steht im Austausch mit der Polizei Rheinland-Pfalz, um die dort gemachten Erfahrungen bewerten zu können. Aktuell ist eine Erprobung eines ‚Handy-Blitzers‘ in Nordrhein-Westfalen nicht geplant.“