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Gegen den KlimawandelWie eine Maschine im Hunsrück CO₂ aus der Atmosphäre zieht

Lesezeit 12 Minuten
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Die P500 zieht CO₂ aus der Atmosphäre und hilft so im Kampf gegen den Klimawandel.

Dörth/Hunsrück – In einem kleinen Gewerbegebiet im Hunsrück röhrt eine Maschine, groß wie ein Doppelhaus. Ihre Bauteile winden sich durch ein Dutzend Container, durch die geöffneten Seitenwände sieht man Rohre, Trichter und Kessel, Förderbänder und Brennkammern. Hitze wallt und staut sich unter einem riesigen Wellblechdach. Die Maschine, P500 ihr Name, ackert Tag und Nacht. Zu jeder Minute vollbringt sie ein kleines Meisterwerk, von dem viele Menschen seit langem träumen: Die P500 zieht CO₂ aus der Atmosphäre.

In den Rohren und Reaktoren läuft ein komplexer Prozess, bei dem Äste, Hackschnitzel und Holzpellets unter Luftausschluss verkohlen. Normalerweise würde das darin enthaltene CO₂ entweichen, die Atmosphäre weiter aufheizen und die Klimakatastrophe befeuern. Doch die P500 verbannt das CO₂ in sogenannte Pflanzenkohle.

Die P500 löst gleich mehrere Probleme

Der zugrundeliegende Prozess nennt sich Pyrolyse. Es ist der bislang einzige Weg, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu ziehen, der sowohl technologisch machbar als auch wirtschaftlich ist. Denn die Pyrolyse löst gleich mehrere Probleme. Bei der Produktion der Pflanzenkohle entsteht regenerative Wärme, die durch den Gasmangel infolge des russischen Angriffskriegs besonders gefragt ist. Landwirte können die Pflanzenkohle unter die Erde heben und erhöhen damit die Fruchtbarkeit ihrer Böden. Auch in der Betonproduktion könnte sie eingesetzt werden, als Ersatz für den knappen und kostbaren Sand. Alles hat seinen Ursprung in dieser Maschine, der P500. Warum nur hat man davon noch kaum etwas gehört?

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Auf dem benachbarten Parkplatz im Gewerbegebiet schlägt Caspar von Ziegner die Fahrertür seines Autos zu und läuft über den Hof. Er bleibt im Schatten der P500 stehen, neben seiner Kollegin Venna von Lepel. Die beiden sind aus Hamburg angereist. Er, der Chef der Firma Novocarbo, und sie, die sich in der Firma um die Kunden kümmert. Ihnen gehört die Pyrolyse-Anlage, die hier in Dörth steht, einem 500-Seelen-Dorf zwischen Rhein und Mosel.

Getrieben vom 1,5-Grad-Ziel

Der Wirtschaftsingenieur von Ziegner hat das Start-up Novocarbo 2015 gemeinsam mit einem Investor gegründet, davor hatte er lange bei einem Strom- und Gasnetzbetreiber gearbeitet. Venna von Lepel holte er ins Boot, weil sie sich in der Landwirtschaft auskennt: Sie betreibt einen Bauernhof in Schleswig-Holstein. Bis Ende des Jahres soll das Unternehmen 30 Mitarbeitende beschäftigen. „Wir sind getrieben vom 1,5-Grad-Ziel und wollen so viel CO₂ wie möglich aus der Atmosphäre ziehen“, sagt Venna von Lepel, „und dafür müssen wir schnell wachsen.“

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Caspar von Ziegner und Venna von Lepel (1. und 2. von links) mit ihrem Team.

Die P500 steht in Dörth, weil hier einer der wenigen Pyrolyse-Anlagenbauer in Deutschland angesiedelt ist. Die Firma Pyreg, eine Schwestergesellschaft von Novocarbo, stellt gerade das Nachfolgemodell der P500 fertig: die P1500, die dreifach so effektiv sein soll wie ihre Vorgängerin.

Die P500 sei ihr Technikum gewesen, ihre Probierwerkstatt, sagt Caspar von Ziegner. Hier haben sie geübt und gelernt, getüftelt und geplant. Nun fühlen sie sich bereit, im industriellen Stil Kohlendioxid zu binden. Damit seien sie die ersten in Deutschland, auch wenn inzwischen ein gutes Dutzend Firmen Pyrolyse betreibt.

Novocarbo nimmt weitere Anlagen in Betrieb

Eine große Anlage nimmt Novocarbo bald in Mecklenburg-Vorpommern in Betrieb, weitere sollen im Osten und Süden Europas folgen. Mit den Erfahrungen aus Dörth will Novocarbo es bis 2025 schaffen, an mehreren Standorten bis zu 30.000 Tonnen CO₂ jährlich einzufangen. Zum Vergleich: Der medial gehypte CO₂-Sauger auf Island schafft derzeit 4000 Tonnen pro Jahr.

Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen und so die Pariser Klimaziele einzuhalten, reiche es nicht aus, die Emissionen drastisch zu senken, meldete die Internationale Energieagentur IEA vergangenes Jahr. Zusätzlich müssten die bereits ausgestoßenen Treibhausgase massiv der Atmosphäre entzogen werden. „Carbon Removal“ heißt das — und es gibt viele Wege, das zu tun. Nur: Die meisten haben ihre Tücken.

„Carbon Removal“: Viele Methoden, viele Schwierigkeiten

Förster können Bäume pflanzen, damit diese Photosynthese betreiben und dabei CO₂ aus der Luft holen. Doch irgendwann sterben die Bäume ab, sie verrotten oder werden gefällt und verbrannt — das CO₂ entweicht wieder. Bauern können den Kohlenstoffgehalt ihrer Böden erhöhen, indem sie weniger Kunstdünger verwenden und mehr Pflanzen säen. Wird der Boden wieder konventionell bearbeitet, ist das CO₂ zurück in der Luft.

Forscherinnen tüfteln daran, CO₂ in ehemalige Gas- oder Öllagerstätten unter der Erde zu pumpen. Das Umweltbundesamt ist skeptisch, wie nachhaltig das ist. Und Ingenieuren gelang es, das Klimagas abzusaugen und zu verflüssigen, beispielsweise auf Island. Dieses Prozedere kostet pro Tonne noch etwa tausend Euro und tausend Kilowattstunden Strom.

Das Einspeichern von Kohlendioxid in Pflanzenkohle gilt als eine der vielversprechendsten Möglichkeiten, die Menschheit im Kampf gegen die Klimakrise zu unterstützen. Weil sie eben gleich mehrere positive Umwelteffekte hat und relativ schnell und preiswert umzusetzen ist.

Pflanzenkohle aktuell eines der besten Werkzeuge

Die Klimawissenschaftlerin Claudia Kammann von der Hochschule Geißenheim hat an mehreren Studien zum Nutzen von Pflanzenkohle mitgearbeitet und stellt sie in ihrem Garten laienhaft selbst her, um sie in ihre Beete zu pflügen. Sie sagt, es brauche zurzeit alle möglichen Methoden, um den CO₂-Gehalt in der Atmosphäre zu verringern. Allerdings nicht als Ersatz für das Einsparen. „Wir dürfen nicht weiter jedes Jahr 20 Millionen Jahre Erdgeschichte in die Luft blasen und meinen, das kompensieren zu können.“

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Pflanzenkohle, hergestellt aus Biomasse.

Dennoch sei Pflanzenkohle eines der besten ergänzenden Werkzeuge, um die Folgen der Klimakrise abzuschwächen. Der größte Vorteil an ihr sei, dass sie so leicht zu quantifizieren ist. Man könne genau messen, wie viel Biomasse rein und wie viel Kohle rauskommt. Das sei bei den anderen Methoden des „Carbon Removal“ deutlich schwieriger. Beim Humusaufbau in der Landwirtschaft zum Beispiel gibt es noch keine einheitlichen Messmethoden.

Laut Studien hohe CO₂-Kompensation durch Pflanzenkohle möglich

Eine der bislang tiefgründigsten Studien, eine Metastudie im Auftrag des Schweizerischen Bundesamts für Landwirtschaft, rechnete vergangenes Jahr vor, die Schweiz könne 2050 bis zu 80 Prozent ihrer dann noch verbleibenden Treibhausgasemissionen durch Pyrolyse kompensieren. Vorausgesetzt, das Land hält seine sonstigen Klimaziele ein.

Für Europa prognostiziert der Europäische Pflanzenkohle-Verband (EBI) 2035 eine Kompensation von bis zu einem Drittel der CO₂-Emissionen durch Pflanzenkohle.Die Produktionsmenge von Pflanzenkohle steigt seit gut fünf Jahren exponentiell an. Und das soll auch weiter so gehen: Für die kommenden Jahre rechnet der Europäische Pflanzenkohle-Verband mit einem jährlichen Anstieg von 60 bis 80 Prozent.

Pyrolyse: So funktioniert der Prozess

Caspar von Ziegner, der Novocarbo-Chef, läuft über eine Treppe auf die zweite Ebene der Maschine. Ein Steg führt über die Rohre und Kessel. Von Ziegner brüllt gegen den Lärm an, zeigt dann aber lieber auf einen Bildschirm an der Wand, der das Innere der P500 zeigt. Hier kann man gut nachvollziehen, wie die Pyrolyse abläuft.

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In den Rohren und Reaktoren läuft ein komplexer Prozess.

Ein Förderband rüttelt die Hackschnitzel aus einem Container. Den bringt ein regionaler Entsorger mehrmals die Woche vorbei, die Hackschnitzel stammen von einem Forstbetrieb. „Eigentlich kann man alles reinstecken, was brennen würde“, sagt von Ziegner.

Von dem Förderband fällt die Biomasse durch einen Trichter in die Zellradschleuse. Diese verhindert, dass Sauerstoff aus der Luft in den Reaktor gelangt. Von dort geht es in den Reaktor, der auf 500 bis 600 Grad vorgeheizt wurde. Darin verkohlt die Biomasse in gut 20 Minuten. Danach wird sie abgelöscht, um Staubentwicklung zu unterbinden und um sicherzugehen, dass der Kohlungsprozess beendet ist.

Aus vier Tonnen Biomasse wird eine Tonne Pflanzenkohle

Über ein Förderband gelangt die Pflanzenkohle in die Halle nebenan und fällt dort in große Säcke. Aus vier Tonnen Biomasse wird eine Tonne Pflanzenkohle. Die Anlage läuft 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Bei Volllast schafft sie acht Säcke Pflanzenkohle pro Tag.

Pflanzenkohle hat nichts mit der Holzkohle zu tun, die in Kraftwerken oder auf dem Grill verbrannt wird. Bei der Pyrolyse wird der Kohlenstoff, den die Pflanze zeit ihres Lebens durch die Photosynthese aufgenommen hat, in stabile molekulare Strukturen umgewandelt. Ähnlich geschieht das bei einem Waldbrand. Ein Kilogramm Pflanzenkohle bindet den Kohlenstoff aus drei Kilogramm CO₂. Und der bleibt darin, wenn die Kohle in den Boden gegraben wird, mindestens anderthalbtausend Jahre enthalten, heißt es in der Schweizer Metastudie.

Verkauf von CO₂-Zertifikate an andere Unternehmen

Für Novocarbo ergeben sich durch die Pyrolyse gleich mehrere Geschäftsmodelle. Weil dabei aktiv Kohlendioxid aus der Atmosphäre eingespeichert wird, können sie CO₂-Zertifikate an andere Unternehmen verkaufen, die damit ihre Emissionen kompensieren. Bislang kaufen vor allem globale Firmen Zertifikate aus Pflanzenkohle: Microsoft zum Beispiel hat gerade für eine Milliarde Dollar eingekauft, um bis 2050 alle Emissionen seiner Firmengeschichte einzufangen – ein Teil davon durch Pyrolyse.

Die Google-Mutter Alphabet, Mark Zuckerbergs Konzern Meta, das E-Commerce-Unternehmen Shopify, der Zahlungsdienstleister Stripe und die Beratungsfirma McKinsey wollen gemeinsam Technologien zur CO₂-Entfernung aus der Atmosphäre skalieren und somit günstiger machen. Tesla-Chef Elon Musk lobte kürzlich den 100 Millionen Dollar schweren „X-Prize“ aus, für denjenigen, der ihm die beste Methode präsentiert, CO₂ aus der Atmosphäre zu ziehen.

Der größte Kunde von Novocarbo ist „Swiss Re“, ein Schweizer Versicherungsunternehmen. Novocarbo verkauft die Zertifikate für 150 bis 200 Euro pro Tonne CO₂, je nachdem wie viel und wie langfristig die Kunden kaufen. „Wir bekommen jede Woche Anfragen“, sagt der Firmenchef Caspar von Ziegner. Die Preise für CO₂-Entnahme-Zertifikate auf dem freien Markt schwanken beachtlich, zum Teil zwischen 20 und 800 Euro pro Tonne. Es ist zum Beispiel deutlich günstiger, in Wiederaufforstung zu investieren.

Auch die Abwärme der Anlage lässt sich weiternutzen

Pflanzenkohle rangiert im mittleren Preisspektrum. Dafür sei der Markt der Pflanzenkohle unter den Technologien für Negativemissionen der erste, der mit externen Standards und transparenten Registern arbeitet, heißt es von Novocarbo. Es kann also nicht jede Zertifikate-Firma selbst definieren, wie sie die CO₂-Äquivalente berechnet. Dies ist zum Beispiel beim Humusaufbau in der Landwirtschaft der Fall.

Einnahmequelle Nummer zwei für Novocarbo: Bei der Herstellung von Pflanzenkohle entsteht in der Pyrolyseanlage jede Menge regenerative Wärme. Die Abwärme der P500 verkauft Novocarbo an das benachbarte Betonwerk, das damit seine Brückenbauteile trocknet. Am neuen Standort in Mecklenburg-Vorpommern soll die örtliche Kommune die Wärme für ihr Nahwärmenetz abnehmen, so wird das umliegende Gewerbegebiet beheizt.

Pflanzenkohle ist wertvoll für die Landwirtschaft

Das Hauptprodukt der Pyrolyse, die Pflanzenkohle, lässt sich für verschiedene Zwecke vermarkten. Bäuerinnen und Gärtner können sie unter die Erde pflügen und damit ihre Böden klimaresilienter machen. Laut dem Umweltbundesamt kann Pflanzenkohle teilweise die Funktionen von Humus übernehmen und damit eine bodenverbessernde Wirkung entfalten; die Erde wird fruchtbarer und kann besser mit Starkregen umgehen. Die Autoren der Schweizer Metastudie zitieren Forschungsergebnisse, die zeigen, dass der Einsatz von Pflanzenkohle im Boden die Erntemenge um bis zu 15 Prozent erhöhen kann.

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Die fertige Pflanzenkohle wird in Säcke gefüllt. Ein großer Teil davon geht nach Skandinavien.

Das Konzept ist ein uraltes: Bis heute findet man in Südamerika meterdicke Schichten aus Schwarzerde, die Terra Preta, die als einer der fruchtbarsten Böden der Welt gilt. Pflanzenkohle wurde dort schon vor Jahrtausenden hergestellt und auf den Äckern ausgestreut. Auch in Europa wurde die Düngung mit Pflanzenkohle schon im 19. Jahrhundert in Lehrbüchern als gängige Praxis beschrieben.

Von Pflanzenkohle profitieren auch Tiere

In der Tierhaltung lässt sich Pflanzenkohle ebenfalls einsetzen, als Futtermittelzusatz und Stalleinstreu. Sie sorgt bei Kühen beispielsweise für bessere Milchqualität und für geringere Tierarztkosten sowie für ein verbessertes Stallklima.

Hansjörg Lerchenmüller ist der Vorsitzende des Europäischen Planzenkohle-Verbands und erstellt jedes Jahr eine Marktanalyse. Er führt dafür eine Liste über jede Pyrolyse-Anlage, die in Betrieb genommen wird. Inzwischen gebe es 140 Stück in Europa, vor fünf Jahren waren es noch 37. Fast ein Drittel aller Anlagen sei erst 2022 gebaut worden. Sein Einblick zeigt: Die Anlagentechnik kommt erst seit gut drei Jahren in Schwung. „Bei der Photovoltaik hat es 40 Jahre gedauert, bis sie relevant wurde“, sagt Lerchenmüller.

„In Deutschland dauert das alles so lange“

Dass es bei der Pyrolyse ab sofort schneller gehen soll, liegt sicher auch an dem Druck, der inzwischen auf vielen Unternehmen lastet, etwas für ihre Klimabilanz zu tun. Nicht mehr nur Start-ups setzen inzwischen auf erneuerbare Energien und CO₂-Kompensation, sondern immer häufiger auch die Sparkasse um die Ecke.

Auch Venna von Lepel weiß von ein paar Hindernissen — aus ihrer Erfahrung als Landwirtin. Für Landwirte ist es bislang noch sehr teuer, die Pflanzenkohle auf dem Feld einzusetzen. Das lohnt sich nur dort, wo es auf hohe Qualitäten ankommt, im Weinbau zum Beispiel oder in der Tierhaltung. Eines ihrer größten Anliegen ist es, den Preis für die Pflanzenkohle immer weiter zu senken.

Düngemittelverordnung muss angepasst werden

Sie sagt aber auch: „Uns fehlt noch ein politisches System, das den gesamtgesellschaftlichen Vorteil der Pflanzenkohle auf landwirtschaftlicher Basis honoriert.“ Sie klingt einigermaßen verzweifelt, als sie sagt: „Beim Mais, Raps und Weizen ist es nach wie vor billiger, Kunstdünger zu schmeißen.“

Dazu kommt, dass in Deutschland nur Pflanzenkohle als Dünger eingesetzt werden darf, die aus Holz produziert worden ist. Dies schreibt die Düngemittelverordnung vor. Dabei sagt das EU-Recht seit diesem Sommer, dass jegliche Art von Pflanzenkohle auf das Feld darf. „In Deutschland dauert das alles so lange“, sagt Venna von Lepel. „Wir verkaufen viel ins europäische Ausland, vor allem nach Skandinavien. Da wird die Erde von Stadtbäumen schon jetzt großflächig mit Pflanzenkohle aufgeschüttet, damit sie klimaresilient wachsen.“

Schwarze Tonne könnte Biomasse für Pyrolyse liefern

Und dann sei da noch das Thema Biomasse, sagt Hansjörg Lerchenmüller vom Pflanzenkohle-Verband. In Zukunft könnte es eine Konkurrenz darum geben, wer sie bevorzugt nutzen darf. Denn Biomasse braucht es für Biogasanlagen, zur Strom- oder Wärmeerzeugung — und eben für die Pyrolyse.

Eine visionäre Lösung für dieses Problem hat die Klimawissenschaftlerin Claudia Kammann. Wie wäre es denn, wenn es in Deutschland eine Schwarze Tonne gäbe, in die man all die regenerativen Produkte wirft, die gerade auf den Markt kommen? Gabeln aus Bio-Plastik, Teller aus Palmblättern, Zahnbürsten aus Bambus. Das könnte alles in einer Pyrolyse-Anlage landen. Und daraus wieder neue Produkte entstehen lassen. Kohlenstoffsenken im Alltag, in Bechern und Wänden, in Blumenkübeln und Tellern. Das wäre doch was.

Beton aus Pflanzenkohle?

In einem Besprechungsraum, nicht weit entfernt von der P500, wollen Venna von Lepel und Caspar von Ziegner noch ihren jüngsten Coup präsentieren. Von Lepel geht in ein Nebenzimmer, kommt wieder und stellt dann kleine Betonplatten auf den Tisch. Die Forscherinnen des Unternehmens arbeiten seit einiger Zeit daran, Pflanzenkohle für die Herstellung von Beton nutzen zu können. Sie soll darin den Sand ersetzen. „Die großen Baukonzerne trauen sich allerdings noch nicht, das zu nutzen“, sagt von Lepel. Es sei in Deutschland noch nicht genormt. „Wir wissen aber, dass das geht.“

Neben die Betonplatten stellt sie ein paar kleine Pflanztöpfe. Sie bestehen aus biogenem Kunststoff – und der wiederum basiert auf ihrer Pflanzenkohle aus der P500. Kürzlich durften sie sich den Produktkatalog eines Bodenbelag-Herstellers anschauen. Ein Produkt darin stammt von ihnen. „Das war einer der größten Ritterschläge dieses Jahres“, sagt Caspar von Ziegner. Der Belag ist CO₂-negativ, bei seiner Produktion wurde also mehr Kohlendioxid kompensiert als verbraucht.