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Sparen versus ÜberwachungSoll ich mir eine Payback-Karte holen oder nicht?

Lesezeit 7 Minuten
Eine Hand hält drei Payback-Karten wie einen Fächer.

Payback ist in Deutschland das am meisten verbreitete Rabattprogramm.

In Zeiten von steigender Inflation und explodierender Energiekosten kommen viele Menschen finanziell an ihre Grenzen. Zeit, sich doch noch eine Bonuskarte wie Payback oder die Deutschland-Card zuzulegen?

„Haben Sie eine Payback-Karte?“ Diese Frage kennt jede und jeder von der Supermarktkasse. Über die Antwort scheiden sich die Geister. Die einen schwören, mit den Prämien solcher Rabattprogramme ihre halbe Küche ausgestattet zu haben. Die anderen wollen kein gläserner Kunde sein und sorgen sich vor Überwachung und Missbrauch ihrer Daten. Zurecht? Schließlich geben wir durch Online-Shopping, die Nutzung von Apps auf dem Smartphone oder über Soziale Medien ohnehin viel preis. Und in Zeiten steigender Inflationen und explodierender Energiekosten sind viele Menschen zum Sparen gezwungen. Wir haben mit dem Datenschutz-Experten Thomas Werning über das Für und Wider von Payback und Co gesprochen.

Herr Werning, ich hatte noch nie eine Payback-Karte. Würden Sie mir in Zeiten von steigender Inflation und Energiekrise eine empfehlen?

Thomas Werning: Ja und nein. Immerhin haben Sie bei einer Payback-Karte oder bei anderen Rabatt-Programmen in einem Geschäft immer noch die Wahl, ob Sie das Angebot nutzen wollen. Sie können mit Bargeld zahlen und keine Punkte sammeln. So ist für niemanden nachvollziehbar, was Sie gekauft haben. Bei vielen Online-Angeboten haben Sie diese Wahl nicht.

Es gibt inzwischen eine Vielzahl dieser Bonusprogramme. Wie soll man sich da entscheiden?

Zum Beispiel, indem Sie sich die Nutzungsbedingungen durchlesen und sich fragen, ob Sie damit einverstanden sind. Ob der Anbieter die Sache transparent genug darstellt und Sie ihm Ihre Daten verkaufen wollen. Die großen Dienstleister in diesem Bereich sind alle dazu verpflichtet, sich an gesetzliche Vorgaben zu halten. Und ich würde auch sagen, dass sie das tun. Aber ob der Preis, den man mit seinen privatesten Daten bezahlt, gerechtfertigt ist? Das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Was speichern die Anbieter denn ab?

Ihr Einkaufsverhalten. Welche Zielgruppe kauft beispielsweise welche Produkte? Unterscheidet sich das nach Region? Kaufen Menschen, die eine besondere Nudelsorte wählen, auch einen bestimmten Rotwein? Dann könnte man in dem Geschäft diese Nudeln passend zum Rotwein stellen. Prinzipiell kann man anhand solcher Daten aber sehr viel mehr über eine Person erfahren.

Zum Beispiel?

Kennen Sie den Roman „NSA“ von Andreas Eschbach? Das Buch spielt im Dritten Reich, mit dem Unterschied, dass es schon so etwas wie Computer gibt. Das sogenannte “Nationale Sicherheits-Amt", kurz NSA, überwacht den gesamten Datenverkehr. Und kann genau sehen, wie viele Lebensmittel jemand kauft und ob das zu dem Kalorienverbrauch der Menschen passt, die für einen Haushalt gemeldet worden sind. Stellen Sie sich also vor, diese Daten hätte es im Dritten Reich tatsächlich gegeben. Dann hätten die Nazis sehr schnell herausfinden können, wer Juden oder andere verfolgte Menschen in seinem Haus versteckt. Weil dort laut Kalorienbedarf mehr Menschen verpflegt werden als offiziell gemeldet.

Das Risiko ist also, dass diese Daten irgendwann in die falschen Hände geraten. Wer bekommt die Kundendaten heute schon?

Das hängt davon ab, wer die Partnerunternehmen sind, das ist bei solchen Rabatt-Anbietern häufig Teil des Geschäftsgeheimnisses. Sie können aber eine Auskunftsanfrage an den Anbieter stellen, welche Daten über Sie abgespeichert wurden und was mit diesen Daten geschehen ist. Die Anbieter sind gesetzlich zu dieser Auskunft verpflichtet. Das würde ich jedem empfehlen, der ein solches Bonusprogramm nutzt. Einfach nur, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel man preisgibt. Um dann zu entscheiden, ob es das wert war. Kündigen kann man so einen Kartenvertrag immer.

Wann würden Sie raten, auf diese Form der Datenspeicherung ganz zu verzichten?

Wenn man sensible Sachen kauft, wie Medikamente oder einen Schwangerschaftstest. Letztlich müssen Verbraucherinnen und Verbraucher genau für diese Entscheidungen sensibilisiert werden: Wann sollten sie auf die paar Punkte lieber verzichten, die sie mit einem Einkauf sammeln.

Wenn man, wie bei Payback, einen Punkt pro zwei Euro Warenwert bekommt, und dieser Punkt umgerechnet wiederum einem Cent entspricht, muss man schon ganz schön viel einkaufen, um etwas davon zu haben.

Ja, aber dieses Grundangebot ist nur zum Anlocken da. Grundsätzlich gilt: Je mehr Sie über sich preisgeben, desto mehr bekommen Sie auch.


Bonusprogramme und Rabattsysteme in DeutschlandPayback ist laut Verbraucherzentrale immer noch das am meisten verbreitete Kundenbindungsprogramm, hier sammeln die Kundinnen und Kunden über eine Bonuskarte Punkte beim Bezahlen an der Kasse der jeweiligen Partnerunternehmen, die sie dann später gegen Rabatte, Prämien oder Gutscheine einlösen können. Der Anbieter analysiert im Gegenzug das Kaufverhalten. Inzwischen gibt es Payback auch als App, über die man kontaktlos zahlen kann. Die direkte Payback-Konkurrenz heißt Deutschland-Card und funktioniert nach einem ganz ähnlichen Prinzip. Manche großen Supermarktketten bieten inzwischen selbst Apps mit Bezahlfunktion an und locken in diesem Zusammenhang ebenso mit Prämien und Rabatten. Hinzu kommen unternehmensgebundene Rabattkarten. Und auch beim Online-Einkauf werben die Anbieter mit Rabatten und Prämien, wenn man ein persönliches Kundenkonto erstellt.


Die Datenschutzgrundverordnung beinhaltet das sogenannte „Recht auf Vergessen“. Kann ich die Daten nicht einfach löschen lassen?

Wenn die Daten unrechtmäßig verwendet worden sind, bestimmt. Ansonsten denke ich, dass das nicht so einfach wird. Sie haben Ihre Daten ja verkauft und eine Gegenleistung bezogen.

Dennoch ist es zumindest in Deutschland derzeit so, dass der Schutz der Privatsphäre gesetzlich verankert ist und der Staat oder Strafverfolgungsbehörden nicht einfach beliebig auf solche Daten zugreifen dürfen, oder?

Genau, wir leben hoffentlich noch für lange Zeit in einem demokratischen Rechtsstaat, der seine Bürger vor Datenmissbrauch schützt. Datenschutz ist ein Grundrecht. Und dieses Grundrecht kann nur von einem Richter mit entsprechender Begründung aufgehoben werden.

Wo ist dann das Problem?

Denken Sie an die sogenannten „rosa Listen“, die schon während der Weimarer Republik geführt wurden und kurz darauf in der Nazi-Diktatur zu der Grundlage der Verfolgung von Homosexuellen wurde. Daten, die da sind, bergen immer eine Gefahr. Deswegen sollte man sie, wenn möglich, regelmäßig löschen lassen.

Wir hinterlassen über unser Surfverhalten, die Nutzung von Sozialen Medien und Apps unendliche viele Spuren. Macht ein Bonusprogramm, bei dem ich am Ende des Jahres ein Schneidebrettchen geschenkt bekomme, überhaupt einen Unterschied?

Klar, man kann immer sagen: Wenn das Haus in Flammen steht, kann der Schuppen auch noch brennen. Und wenn Sie mit Apple Pay zahlen oder ganz viel auf Amazon bestellen, sind Sie ohnehin schon komplett ausgewertet und haben überhaupt keine Kontrolle mehr, was mit Ihren Daten passiert.

Weil ich meistens gar nicht mehr merke, wie viel über mich gespeichert wird?

Genau! Das gilt aber in vielen Bereichen. In Kaufhäusern sind zum Beispiel oft Kameras installiert, über die Besucherströme gemessen werden können, um zu erkennen, wo die meisten Leute langgehen. In Einkaufspassagen kann via Handyortung analysiert werden, welche Geschäfte stark frequentiert sind. Das funktioniert dann, wenn sich ein Smartphone in das freie W-Lan einloggt.

Datenschutz-Experte Thomas Werning im Porträt.

Thomas Werning ist Datenschutz-Experte und Geschäftsführer der Beratungsfirma Werning.com in Lage.

Das ist erlaubt?

Erlaubt ist das nicht. Aber wo es keinen Kläger gibt … So etwas ähnliches geht auch schon mit neueren Kundenkarten, die einen RFID-Chip haben. Früher wurde für die Zuordnung ja einfach nur an der Kasse der Barcode gescannt. Neue Karten werden von den Kassen automatisch per Funk erkannt, ohne dass Sie diese bewusst hervorholen müssen. Dann wird auch der Schwangerschaftstest oder das Medikament zugeordnet. Inzwischen sind auch die Regale in Geschäften durchelektronisiert. Und mit Hilfe der RFID-Chips wird dann erkannt, wer wie lange vor welchem Regal gestanden hat. Und weil Sie den Nutzungsbedingungen der Kundenkarte vorher zugestimmt haben, ist das meist völlig legal.

Das heißt zusammengefasst, es bleibt eigentlich nur noch der ganz analoge Wochenmarkt, wenn ich nichts preisgeben möchte?

Wenn man gar nichts preisgeben möchte, im Prinzip ja. Vor allem aber ist es wichtig, sich bewusst zu machen, auf welchen Wegen heute überall Daten erhoben werden. Und immer wieder neu zu entscheiden, wie man sich verhält. Und wir müssen natürlich alle unsere Bequemlichkeit überwinden.