Permakultur im Garten„Ich ernte mehr Gemüse und sehe, wie gut es meinem Boden geht“
Wäre es nicht toll, wir könnten unsere Gärten so nachhaltig gestalten, dass die Natur einen großen Teil der Arbeit für uns übernimmt und wir weder Unkraut jäten noch ständig gießen müssten? Permakultur nennt sich dieses Prinzip, das immer mehr Anhänger findet. Kann das funktionieren? Die Permakultur-Designerin und Illustratorin Angela Gerlach hat ein Buch zum Thema gezeichnet, eine „Anleitung in Bildern“. Ein Interview.
Wie lässt sich Permakultur kurz erklären?
Angela Gerlach: Permakultur ist ein Gestaltungsprozess, bei dem man Kreisläufe der Natur übernimmt und in die Landschaft überträgt. Das kann im eigenen Garten sein, in der Landwirtschaft aber auch im sozialen Miteinander. In meinem Buch geht es hauptsächlich ums Gärtnern. Man guckt, wie macht die Natur das seit Millionen von Jahren, wo es ja perfekt funktioniert, und versucht das in sein eigenes Gebiet zu übertragen.
Was ist der Unterschied zu anderen Konzepten in der Landwirtschaft?
Zur Person
Angela Gerlach hat Design studiert und arbeitet seit 2006 als Illustratorin unter anderem für Greenpeace, die Zeit und den Spiegel-Verlag. Seit zehn Jahren beackert sie außerdem den Permakultur-Gemüsegarten eines Bio-Hotels an der Nordsee und hat 2019 ihre Ausbildung zur Permakultur-Gestalterin abgeschlossen. www.angelagerlach.com
Nach den Permakultur-Prinzipien anzubauen, ist eine wirksame Alternative. Überall können wir beobachten, wie Böden durch Monokulturen ausgelaugt werden und wie sie dann mit hohem Aufwand wieder gedüngt und resistent gemacht werden müssen. Nirgends in der Natur sind Monokulturen anzutreffen, nirgends findet man unbewachsenen oder unbedeckten Boden. Der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln zerstört zudem die Artenvielfalt.
Das will auch die ökologische Landwirtschaft anders machen.
Die Permakultur geht noch einen Schritt weiter als die ökologische Landwirtschaft. Man plant von vorneherein anders, damit die Flächen länger, eben permanent bestehen. Und man achtet auch darauf, was nach der Ernte passiert. Zum Beispiel, wie die Transportwege für das Gemüse sind.
Wie lassen sich geschlossene Naturkreisläufe im eigenen Garten schaffen?
Man guckt sich den Garten zunächst ganz genau an. Was wächst da? Was habe ich für geografische Bedingungen? Wie ist die Wetterlage? Wie ist der Boden? In Norddeutschland ist ein Garten ein anderer als in den Alpen. Permakultur bedeutet erstmal viel Analyse und Planung. Erst dann geht es in die Umsetzung.
Was heißt das konkret? Ich setze mich einfach in den Garten und gucke was passiert?
Ja, dafür setzt man sich tatsächlich zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten in den Garten und schaut zum Beispiel bei Regen, wo sammelt sich Wasser. Wo sich Pfützen bilden, ist schon mal ein sehr geeigneter Punkt, um einen Teich oder Tümpel anzulegen. Fließt das Wasser ungehindert hab, ist das eher schlecht, weil der Boden an dieser Stelle kein Wasser aufnimmt. Wenn man weiß, wo der Wind herkommt, plant man dort eine Hecke und kann für empfindlichere Pflanzen einen Standort wählen. So gibt es unzählige Beispiele, wie man Elemente aufeinander bezieht und Netzwerke schafft. Etwa auch, dass man Pflanzen so setzt, dass sie sich gegenseitig die Schädlinge vom Leib halten.
Das klingt langwierig.
Das Planen ist zugegeben ein bisschen Arbeit. Doch wenn man alle Elemente für den Garten geplant und angelegt hat, entsteht ein System, das über Jahrzehnte funktioniert.
Über welche Zeiträume sprechen wir, bis ein Garten so weit ist?
Bei einem kleinen Garten kann man schon im Folgejahr erste Erfolge sehen. Etwa durch Wasserkreisläufe, indem man Gräben anlegt, damit das Wasser länger auf dem Gelände bleibt. Aber bis so ein System wirklich rund läuft, gerade im größeren Stil, dauert es rund drei Jahre.
Beeindruckt hat mich Ihre Zeichnung von einem Liegestuhl mitten im Garten als Symbol dafür, dass man irgendwann nicht mehr viel tun muss. Kann man da hinkommen, dass der Garten „von allein“ funktioniert?
Absolut. Weil man auch zum Beispiel wesentlich weniger Unkraut jätet. Man muss seltener gießen, entweder durch Mulchen oder weil man es geschafft hat, das Wasser möglichst lange auf der Fläche zu halten. Auch das Umgraben fällt komplett weg, es wird höchstens mal die Erde ein bisschen gelockert. Dann hat man in der Regel weniger Schädlingsbefall und Krankheiten.
Nur harmonisch ist es trotzdem nicht. Ihr persönlicher Feind sind Schnecken…
Ja (seufzt), Schnecken sind bei mir eine Ausnahme. In meinem Garten haben sie mir vor zwei Jahren in einer Nacht den kompletten Salat weggefressen. Der Garten ist in Dithmarschen und bis auf unsere kleine Insel beherrschen rund herum Monokulturen das Bild, Kohl, Getreide, Mais. Aufgrund dieser einseitigen Landwirtschaft können sich Schnecken stark vermehren. Meine Hühner laufen um den Garten herum und fressen zumindest ihre Eier. Aber die großen Nacktschnecken selbst mögen sie nicht. Gegen diese Spanische Wegschnecke kann man nichts machen außer einsammeln und wegbringen. Und natürlich Tiere in den Garten locken, die deren Eigelege aufspüren, wie Kröten, Maulwürfe oder eben Hühner.
Wenn die Natur den Takt vorgibt, könnte es auch passieren, dass der Giersch übernimmt.
Ich hatte extrem viel Giersch. Bevor ich mit der Permakultur-Methode begonnen habe, habe ich einmal tief umgegraben und jedes Wurzelstückchen rausgeholt. Das war wahnsinnig viel Arbeit und völlig unwirksam. Weil die Pflanzen im nächsten Jahr fast noch stärker zurückkamen, man erwischt einfach nicht alle und irgendwie befeuert das den Giersch eher noch. Jetzt halte ich ihn gut im Zaum, indem ich ihn immer abrasiere und damit gleich mulche.
Das könnte Sie auch interessieren:
Was gewinne ich also, wenn ich meinen Garten umstelle?
Neben weniger Arbeit und dem guten Gefühl, dass man erlebt, wie sich alles aufeinander bezieht, habe ich auch tatsächlich höhere Erträge bei der Gemüseernte. Ich sehe, wie gut es meinem Boden geht, er ist voller Würmer und Mikroorganismen. Und es sind Tiere eingezogen, die vorher nicht da waren. Ich sehe immer mal wieder ein paar Kröten rumspringen, letztes Jahr hat sich sogar eine Eidechse verirrt.
Und was kann Permakultur fürs Klima tun?
Sind die Böden entsprechend intakt, können sie wesentlich mehr CO2 speichern. Das ist wahrscheinlich für einen kleinen Hausgarten nicht viel, aber wenn man das auf die Landwirtschaft anwenden würde, könnte es einen enormen Unterschied machen. Die Böden dort sind teilweise so aufgerissen und abgemagert, dass sie überhaupt kein CO2 speichern, sondern sogar welches abgeben. Wie viel CO2 Böden aufnehmen könnten, wird in der ganzen Klimawandel-Diskussion tatsächlich häufig vergessen.
Im Hauptberuf sind Sie Illustratorin und haben Design studiert. Was war der Anlass, sich zur Permakultur-Designerin ausbilden zu lassen?
In einem Obdachlosenmagazin, das mir zufällig in die Hand gefallen ist, habe ich vom Permakultur-Campus in Hamburg gelesen. Dort habe ich mich zu einem Schnupperkurse angemeldet. Das fand ich so spannend und so sinnvoll, dass ich einen weiteren Kurs gemacht habe und dann auch die Ausbildung. So bin ich da drangeblieben.
Sie leben in der Großstadt Hamburg, was springt Ihnen ins Auge, wenn sie dort unterwegs sind?
Ich beobachte mittlerweile ganz oft, dass Leute in der Stadt den Boden bearbeiten und etwas pflanzen. Manchmal auch an ganz unwegsamen Ecken, an denen man denkt: Was? Hier? Man sieht, Menschen stecken da Energie rein. Mich freut das immer wahnsinnig. Man braucht nicht unbedingt einen eigenen Garten, um Permakultur zu betreiben. Es gibt in Städten viele Projekte. Hier in Hamburg zum Beispiel eines auf einem Bunker, da ist das ganze Dach ein einzige großer Gemeinschaftsgarten.
Sie geben sogar ein Beispiel, wie man auf dem eigenen Balkon anfangen kann
Es sollte aber nach Möglichkeit ein Südbalkon sein oder zumindest kein Nordbalkon. Dann kann man in Etagen pflanzen. Etwa einen kleinen Hochstamm, zum Beispiel eine Beere, und darunter kleinere Sträucher. Und in der ersten und zweiten Stufe eher Gemüse und Blumen. Auch so kann man einen kleinen Kreislauf schaffen.
Ist bei Ihnen im Garten anfangs auch mal was richtig schief gegangen?
Weil ich so euphorisch war, habe ich anfangs den Fehler gemacht, nicht genug zu planen. Ich habe sofort losgelegt und hatte noch gar nicht so richtig im Blick, dass in den Garten immer an einer Seite der kalte Wind reinpfeift. An die Stelle habe ich die empfindlichsten Gemüse gesetzt. Aber Fehler sind gar kein Problem, dann geht man ein paar Schritte zurück und guckt: Was stimmt nicht? Wieso wächst der Salat jetzt hier so gar nicht? Dann kommt man da schon drauf.