Ausbildung bei der Polizei? Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen? Könnte nach einer Psychotherapie problematisch sein. Warum das so ist – und was man tun kann.
Verbeamtung, VersicherungWelche Probleme eine Psychotherapie verursachen kann
Die Erleichterung ist groß, wenn man ihn endlich bekommt: Den lang ersehnten Platz beim Psychotherapeuten – entweder für sich selbst oder für das Kind. Dann: Wochen- und monatelange Therapie, harte Arbeit, anstrengende Aufarbeitung, neue Strategien entwickeln. Bis es einem irgendwann besser geht und man die Behandlung abschließen kann. Ende gut, alles gut, könnte man meinen. Doch manchmal folgt leider noch ein nervenaufreibender Abspann. Denn so eine Psychotherapie kann einem in manchen Lebenslagen auch im Wege stehen – vor allem in jungen Jahren. Zum Beispiel, wenn man eine Ausbildung bei der Polizei machen will. Eine Verbeamtung anstrebt. Oder einfach nur eine Versicherung abschließen will. Wir dröseln auf, in welchen Fällen eine Psychotherapie problematisch werden kann – und vor allem, was man dagegen tun kann.
Verbeamtet werden trotz Therapie?
In den Hörsälen der Universitäten geistert es unter Lehramts- und Jurastudierenden umher: Das Gerücht, dass man nicht verbeamtet werden kann, wenn man einmal eine Psychotherapie gemacht hat. Das stresst enorm, denn die Verbeamtung streben die meisten nach Jahren des Studiums und des Referendariats natürlich an. „Aus meiner Sicht ist diese Sorge nicht berechtigt“, sagt Susanne Tyczewski. Die Rechtsanwältin aus Münster ist Expertin für öffentliches Dienstrecht. Für eine Verbeamtung – egal ob an der Schule oder in Verwaltungen – ist eine Einstellungsuntersuchung beim Amtsarzt erforderlich.
„Die Einstellung kann nur dann abgelehnt werden, wenn schon jetzt sichtbar ist, dass der potenzielle Beamte das Ende seiner Dienstzeit nicht erreichen wird“, erklärt Tyczewski. „In allen anderen Fällen muss der Dienstherr einstellen. Und die Anforderungen für eine Ablehnung sind sehr streng.“ Bei der Untersuchung werde eine relativ kurze Anamnese gemacht und nach Vorerkrankungen gefragt – sowohl nach physischen als auch psychischen. „Wenn man irgendwann mal eine Psychotherapie wegen einer depressiven Episode gemacht hat, muss man das nicht einmal offenlegen“, so die Rechtsanwältin.
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Andererseits: Stellt sich im Nachhinein heraus, dass man eine Erkrankung verschwiegen hat, aufgrund derer man gar nicht hätte eingestellt werden dürfen, kann man wieder entlassen werden. Und: Nicht immer liegt eine Psychotherapie schon Jahre zurück, sondern wird erst im Laufe des Studiums oder Referendariats nötig. Aus Angst zahlen viele junge Menschen ihre Behandlung dann privat. Rechtsanwältin Tyczewski rät, sich von seinem Hausarzt oder Therapeuten bei der weiteren Vorgehensweise beraten zu lassen.
Ausbildung bei Polizei oder Feuerwehr?
Strenger sind die Einstellungsregeln bei der Polizei, Feuerwehr und dem Rettungsdienst. Wer eine Ausbildung in dem Bereich anstrebt, muss erst einmal viele Tests absolvieren. „In diesen Bereichen muss man eine spezielle Form von Dienstfähigkeit vorweisen, da geht es vor allem um die körperliche Fitness“, erklärt Rechtsanwältin Susanne Tyczweski. Denn eine Polizistin oder ein Feuerwehrmann müssen im Einsatz ja auch körperlich hart arbeiten. Trotzdem kursieren im Netz Berichte von jungen Menschen, die aufgrund von bereits abgeschlossenen Therapien aus der Jugendzeit gar nicht erst zur Polizei-Ausbildung zugelassen wurden.
Und wenn man abgelehnt wird?
„Zu uns kommen diejenigen, die bereits beim Amtsarzt waren und bei denen Zweifel aufgekommen sind“, sagt Rechtsanwältin Tyczewski. Man könne dann auf Einstellung klagen, müsse aber nachweisen, dass das amtsärztliche Gutachten zu einer falschen Prognose kommt. „In der Regel wird aber nicht geklagt. Wenn der Amtsarzt zu einem solchen Befund kommt, ist das fast unüberwindbar.“ Es gebe aber nicht viele abgelehnte Fälle, sagt Tyczewski. „Im Vorfeld haben die jungen Menschen immer Sorge, aber die meisten werden eingestellt.“
Wie wirkt sich die Therapie auf Versicherungen aus?
Wer seine Arbeitskraft in einem bestimmten Berufsfeld absichern möchte, strebt vielleicht eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) an. Auch hier kursiert das Gerücht: Wer einmal eine Psychotherapie gemacht hat, bekommt keine BU. „Es stimmt, dass die Versicherer sehr genau hingucken, wenn man bei den Gesundheitsfragen eine Psychotherapie angibt“, sagt Holger Rohde, wissenschaftlicher Leiter der Abteilung Versicherung und Recht bei der Stiftung Warentest. „Es ist aber nicht unmöglich, eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen.“ Rohde empfiehlt, möglichst konkret anzugeben, aus welchem Grund man die Therapie gemacht hat und welche Form es war. „Die Versicherer wollen ausschließen, dass die Krankheit wiederkehren könnte, differenzieren aber schon“, sagt Rohde. „Es ist ja ein Unterschied, ob man wegen Prüfungsängsten eine Beratung gemacht hat oder wegen einer Depression lange in Behandlung war.“
Wichtig: Es gibt eine sogenannte Verjährungsfrist. Liegt die Therapie zwischen fünf und zehn Jahren zurück (die Zeitspanne ist vom Versicherer abhängig), muss man sie nicht angeben. Liegt sie innerhalb der fünf Jahre, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der Versicherer schließt die Erkrankung aus, oder er schließt sie ein, nimmt dafür aber einen Zuschlag. „Ich persönlich finde, dass sich eine BU fast immer lohnt, weil es ja nichts Wertvolleres gibt als die eigene Arbeitskraft. Und das Risiko, aufgrund einer Erkrankung, berufsunfähig zu werden, besteht ja trotzdem.“ Der Experte rät: „Wer es sich leisten kann, sollte schon für seine jugendlichen Kinder eine BU abschließen. Denn die sind meist gesund, haben dadurch keine Ausschlüsse und die Beiträge sind noch gering.“
Welche anderen Versicherungen können problematisch sein?
Auch bei einer Risiko-Lebensversicherung, mit der man das eigene Leben absichert, kann eine Psychotherapie problematisch sein. Liegt die Therapie noch in der Verjährungsfrist, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Versicherer psychische Probleme komplett ausschließt. Käme es dann aufgrund des ausgeschlossenen Problems zu einem Suizid, würde die Versicherung den Hinterbliebenen kein Geld auszahlen. Zu Problemen kann es auch bei der Beantragung einer privaten Krankenversicherung kommen. Will man von der Gesetzlichen in die private Krankenversicherung wechseln, etwa weil man die entsprechende Gehaltsstufe überschreitet, selbstständig tätig ist, oder verbeamtet wird, steht ebenfalls eine Risikoprüfung an. Auch hier gilt: Hat man innerhalb der vergangenen fünf bis zehn Jahre eine Psychotherapie gemacht, wird man von manchen Versicherern direkt ausgeschlossen. Andere prüfen differenzierter, warum und wie lange man in Behandlung war. Im Zweifelsfall bleibt dann nur der Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Wie geht es weiter?
Da drängt sich doch die Frage auf: Wie lange soll das so weitergehen? Denn gerade durch Corona ist der Bedarf an Psychotherapien nochmal gestiegen, laut Psychotherapeutenkammer bei Erwachsenen um 40 Prozent, bei Kindern und Jugendlichen um 60 Prozent. Und Psychotherapeuten sind der Meinung, dass gerade die Menschen, die sich mit der eigenen Erkrankung auseinandersetzen, ein viel geringeres Risiko haben, nochmal zu erkranken. Holger Rohde von der Stiftung Warentest: „Ich persönlich glaube nicht, dass psychische Erkrankungen in Zukunft automatisch mit eingeschlossen sind. Das ist aus versicherungstechnischer Perspektive gar nicht möglich. Die Versicherer müssen ja kalkulieren und sicherstellen, dass sie im Schadenfall auch zahlen können.“ Er hoffe aber, dass Versicherer psychische Erkrankungen in Zukunft noch differenzierter betrachten und individueller abwägen. „Und dass Versicherer nicht direkt rot sehen, sobald sie nur das Wort Psychotherapie lesen.“