Eine Milliarde Euro SanierungsstauDer Putz bröckelt am Universitäts-Schloss in Bonn
Bonn – Diese Baustelle hätte sich die Universität Bonn wohl gerne erspart. Ende September des vergangenen Jahres schlugen die Gutachter des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB) bei einem Routingrundgang im Allgemeinen Verfügungszentrums (AVZ I) Alarm: Im 1960 errichteten Lehr- und Forschungsgebäude mit 5500 Quadratmetern Nutzfläche bemängelten die Prüfer marode Elektroverteiler – und ließen das Gebäude sofort stillgelegen.
Eine Sperrung zur Unzeit: Hunderte Studenten und Mitarbeiter aus den Bereichen Ernährungswissenschaften, Medizin, Physik und pharmazeutische Biologie mussten kurz vor dem Beginn des Wintersemesters in anderen Gebäuden umquartiert werden. Zahlreiche Praktika, die in dem Bau durchgeführt werden sollten, wurden verschoben.
Platten von der Decke gefallen
Viele der insgesamt 370 Gebäude der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn sind in die Jahre gekommen. Putz blättert von der Fassade des prunkvollen Hauptgebäudes ab, das einst das Bonner Stadtschloss war.
Risse sind an Gebäuden der Landwirtschaftlichen Fakultät zu sehen, ein metergroßes Loch klafft gar in Hörsaal 17 des Hauptgebäudes.
Und in der Pharmazie fielen nach einem Wasserrohrbruch schon mal Platten von der Decke.
„Der Sanierungsstau an der Universität beträgt eine Milliarde Euro“, sagt Baudezernentin und stellvertretende Kanzlerin Kristina Friske.
Weil das Land wohl kurzfristig nicht so viel Geld zur Verfügung stellen kann, wollen Hochschule und BLB zumindest die dringendsten Baumängel in den nächsten zehn Jahren beheben.
Mit einem 360 Millionen Euro teuerem Masterplan soll auch Platz durch Neubauten geschaffen werden. Allein die Instandsetzung der Chemischen Institute soll 77 Millionen Euro kosten, der Bau eines multifunktionalen Laborgebäudes in Poppelsdorf 49 Millionen Euro und ein Ersatzbau für die Pharmazie 42 Millionen Euro sowie die Reparaturen am Juridicum 40 Millionen Euro. Bei manchen der Bauten ist die konkrete Finanzierung durch das Land allerdings noch nicht gesichert.
Der Löwenanteil – 92 Millionen Euro – wird aber wohl in die Sanierung des Hauptgebäudes investiert werden, so Friske. Vor allem die Teile, die man nicht auf den ersten Blick sieht, müssten erneuert werden: Elektrik, Brandschutz, Fluchttreppen und Lüftungsanlagen.
Gerade für den Brandschutz und die Fluchtwege gelten seit einigen Jahren strengere Vorschriften. Wie diese Auflagen in dem denkmalgeschützten Gebäude aber umgesetzt werden können, stellt die Planer bislang vor Probleme. Zudem müsste der Bau abschnittsweise bei laufenden Betrieb instand gesetzt werden.
Universität platzt aus allen Nähten
35.000 Studenten lernen derzeit an sieben Fakultäten der größten Bonner Hochschule. Die Uni hat keinen Hauptcampus, sondern neben dem Standort in der Innenstadt, Standorte in Poppelsdorf, Endenich, Castell und am Venusberg, wo das Universitätsklinikum untergebracht ist. Gegründet wurde die Uni 1818. (ris)
Wohin Studenten und Inventar ausweichen sollen, ist derzeit noch unklar. Neuer Raum tut auf jeden Fall dringend Not: „Denn die Universität platzt mit ihren 35.000 Studenten jetzt schon aus allen Nähten“, so Uni-Sprecher Andreas Archut.
Eine Option ist bereits geplatzt: Eigentlich wollte die Hochschule ihre derzeit auf mehrere Standorte verteilte Bibliotheken im Viktoriakarree zusammenführen. Nachdem der Bonner Stadtrat aber das Projekt kürzlich abgeblasen hat, muss sich die Hochschule einen neuen Standort suchen.
Unklar ist auch, was mit dem Standort Castell passiert. Teile des Hochhauses am Römerberg sind mit den giftigen und krebserregenden polychlorierten Biphenyle belastet. Die Psychologen und eine Teil der Informatiker sind daher bereits vom Campus im Bonner Norden ausgezogen. Ob und wann der BLB das Gebäude saniert beziehungsweise abbricht, steht noch in den Sternen. „Bleibt es stehen, müssen sie den Schadstoffe aus allen Ritzen kratzen“, sagt Archut.
Zumindest mit dem Prestigeprojekt Campus Poppelsdorf geht es gut voran: Für 260 Millionen Euro baut der BLB für die Uni Bonn in den kommenden Jahren einen Standort, auf dem unter anderem die Institute für Numerische Simulation, der Ernährungs- und Lebensmittelforschung, der Informatik sowie das Bonn-Aachen International Center For Information Technology untergebracht werden.
Außerdem entsteht hier ein modernes Hörsaalgebäude mit umfasst sieben Hörsäle und Seminarräume vier für 1280 Studenten. Die Eröffnung des ersten Bauabschnitts, die für Oktober 2015 anvisiert war, musste allerdings um ein Jahr verschoben werden. Die Arbeiter fanden auf der Baustelle nicht nur mehrere Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg, sondern auch Reste eines römischen Tempels und ein Auto aus den 1920er Jahren, vom dem man nicht so genau weiß, warum es dort verbuddelt wurde.