AboAbonnieren

GPS-Tracker verraten esWas wirklich mit Retouren von Zalando passiert

Lesezeit 4 Minuten
Das Logo des Online-Internethändlers Zalando auf einem Firmengebäude.

Zalando ist der größte Online-Modehändler Europas.

Eine investigative Recherche zeigt, dass der Modehändler nicht so nachhaltig mit Retouren umgeht, wie er verspricht.

Mit mehr als 250 Millionen Bestellungen im Jahr 2021 ist Zalando der größte Modehändler Europas. Etwa die Hälfte dieser Bestellungen wird wieder zurückgeschickt. Nach Angaben des Unternehmens sollen sowohl die Lieferungen als auch die Retouren klimaneutral gestaltet werden. Auf der Firmenhomepage klingt das Nachhaltigkeits-Versprechen so: „Unsere Vision bei Zalando ist es, eine nachhaltige Mode-Plattform zu sein, mit einer netto-positiven Auswirkung auf Mensch und Erde. Das heißt, wir führen unser Unternehmen so, dass wir der Gesellschaft und der Umwelt mehr zurückgeben, als wir nehmen.“ Was die Retouren betrifft, wird dieses Ziel allerdings nicht eingehalten, wie aktuelle Recherchen des SWR-Investigativ-Formats „Vollbild“, der Wochenzeitung „Die Zeit“ und der Rechercheplattform „Flip“ ergeben haben.

Reporterinnen verfolgten Retouren per Tracker

Für die Recherche bestellten Vollbild-Reporterinnen im August 2022 zehn Kleidungsstücke bei Zalando, in die sie GPS- und Bluetooth-Tracker einnähen ließen und anschließend zurückschickten. Über Monate verfolgten sie die Routen der Tracker und fanden heraus: Die Retouren legen zum Teil sehr lange Wege kreuz und quer durch Europa zurück. Auch werden offenbar viele zurückgegebene Kleidungsstücke anders als angegeben nicht über den Zalando Shop erneut verkauft. Zalando gibt aber an, 97 Prozent der retournierten Ware nach entsprechender Prüfung sowie sorgfältiger Aufarbeitung wieder über den Zalando-Shop, in Zalando-Outlets oder in der Zalando-Lounge anzubieten. Weniger als 0,05 Prozent der Retouren würden „in Ausnahmefällen“ vernichtet, zum Beispiel bei Schadstoffbelastung oder Schädlingsbefall. Die Recherchen von SWR, Zeit und Flip zeigen nun etwas anderes, wie die ARD in diesem Bericht beschreibt.

Viele Retouren werden nicht erneut über Zalando angeboten

Die Tracker-Signale in einigen Paketen führten dem Bericht zufolge zunächst nach Gardno in Polen. Hier steht ein Logistikzentrum, in dem zurückgeschickte Pakete aus Deutschland ankommen und sortiert werden. Andere Pakete landeten in Darmstadt bei einem Import-Export-Händler. Auf Nachfrage räumte Zalando den Reporterinnen gegenüber ein, Restbestände von zurückgesendeter Ware auch an Großhändler zu verkaufen, um die Zerstörung von Waren zu verhindern. Auf der Homepage ist von dieser Option allerdings keine Rede.

Ebenfalls auf Nachfrage erklärte Zalando, dass nur die Hälfte der Händler die Retouren über Zalando abwickle – obwohl es auf der Seite heißt, dass 97 Prozent der retournierten Modeartikel erneut über den Shop verkauft würden. Nach Einschätzung von Verbraucherschützern würden die Kunden damit getäuscht, weil sie davon ausgingen, dass das Nachhaltigkeits-Versprechen für alle Produkte gelte.

Babystrampler legt 7000 km durch Europa zurück

Die Recherche zeigt außerdem, dass einige Kleidungsstücke quer durch Europa transportiert werden. Ein von den Reporterinnen in Berlin retournierter Babystrampler reiste dem Bericht zufolge zunächst ins polnische Gardno, von dort weiter nach Danzig und Swinemünde und per Schiff nach Schweden. Dann ging es von dort über Dänemark zurück nach Deutschland, erneut nach Polen und dann noch einmal nach Schweden. Als der Akku des Trackers nach drei Monaten leer war, hatte der Strampler etwa 7000 Kilometer zurückgelegt. Eine getrackte grüne Weste war ebenfalls knapp 7000 Kilometer unterwegs und landete in Spanien. Andere Signale kamen aus der Slowakei, Belgien, Italien und Polen. Insgesamt sind die zehn von den Vollbild-Reporterinnen retournierten Kleidungsstücke knapp 29.000 Kilometer gereist.

Zalando benutzt die LKW als Lager

Der Retourenforscher Björn Asdecker von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg erklärt sich die langen Touren durch Europa damit, dass Zalando mittels künstlicher Intelligenz, sogenannter „Predictive Analytics“, vorausberechne, wo die Ware wahrscheinlich als nächstes bestellt werde. Die LKW kreisten dafür durch ganz Europa, um möglichst nah am nächsten Kunden zu sein. Ziel sei eine möglichst schnelle Lieferung. Gleichzeitig dienten die LKW dem Unternehmen so als Lagerräume. In seinem Geschäftsbericht schreibt Zalando, dass die Retoure klimaneutral sei, etwa durch CO2-Kompensation. Bei diesen langen zurückgelegten Strecken kann man von Umweltschutz aber kaum sprechen. „Ökologisch ist das eine Katastrophe“, sagte der Retouren-Experte Björn Asdecker von der Universität Bamberg den Reporterinnen. Und weiter: „Es finden Tausende Kilometer an Transport statt, die nicht sein müssten. So was dürfte es eigentlich nicht geben, erst recht nicht, wenn sich ein Unternehmen Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt.“

Konfrontiert mit den getrackten Transportwegen erklärte der Mode-Onlinehändler auf Anfrage, es könne „vorkommen, dass ein retournierter Artikel vergleichsweise längere Strecken zurücklegt“. Die Artikel würden für die nächste Bestellung nicht direkt aus den Retourenzentren verschickt, sondern zunächst in ein Logistikzentrum innerhalb des Netzwerks gebracht, von wo aus der Wiederverkauf am wahrscheinlichsten sei.

Der Film zum Thema ist in der ARD-Mediathek unter www.ardmediathek.de abrufbar.