AboAbonnieren

Soja, Reis, Mandeln, HaferWie gut sind vegane Kuhmilch-Alternativen?

Lesezeit 5 Minuten
Tofu_Tempeh_und_Co.66836836

Sojabohnen sind Basis für eine Vielzahl von Lebensmitteln - etwa Sojamilch.

Köln – Es ist Jahre her, dass Margot Gerlitz die letzte Milchpackung in ihren Einkaufswagen gelegt hat. Kuhmilch trink die Veganerin aus Regensburg nicht mehr und ihre Ersatzmilch macht sie sich meistens selbst. „Man nimmt irgendwelche Nüsse oder Saaten und mixt die mit Wasser“, sagt Gerlitz. Die so entstehende weiße Flüssigkeit trennt die 33-Jährige dann von der Nussmasse ab, fertig ist ihre „Milch“ fürs Frühstück. Seit mehr als einem Jahrzehnt lebt sie vegan. „Ich möchte kein Tier ausbeuten“, erklärt sie.

Nicht jeder ist so kreativ wie Gerlitz, möchte aber trotzdem auf Kuhmilch verzichten. Für diese Verbraucher bietet der Lebensmittelhandel mittlerweile mehrere Alternativen: Sojamilch ist der wohl bekannteste Ersatz. Aber auch Mandel-, Reis- und Hafermilch kann man inzwischen in vielen Supermärkten kaufen. Sie dürfen zwar offiziell nicht als Milch bezeichnet werden, weil sie eben nicht aus dem Euter eines Weidetieres kommen. Dennoch sind sie den Kunden als „Pflanzenmilch“ bekannt. Denn sie können den Kaffee süßen und das Müsli vervollständigen. Immer entstehen sie, indem das Pflanzenmaterial mit Wasser vermengt und anschließend abgetrennt wird. Die gewonnene Flüssigkeit wird homogenisiert, erhitzt und mit Zusatzstoffen ergänzt, damit sich beispielsweise keine Bestandteile absetzen und eine gleichmäßig weiße Farbe entsteht.

Wachsender Absatz an veganen Kuhmilch-Alternativen

Laut Marktforschungsinstitut Nielsen ist der Absatz der Milchalternativen 2019 hierzulande im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent gewachsen. Dennoch sind es in Summe nur 177 Millionen Liter Pflanzenmilch, die 3,3 Milliarden Litern Kuhmilch gegenüberstehen.

Die meisten Menschen, die auf Kuhmilch verzichten, haben zwei Motive: Die einen kämpfen mit einer Lactoseintoleranz. Sobald sie Milch verzehren, rumpelt und drückt es in ihrem Bauch, sodass sie das Lebensmittel meiden wollen. Die anderen haben aus ökologischen und tierethischen Gründen Bedenken gegenüber dem Trank. Sie wollen die Tiermast in beengten Ställen und auch das Trennen der Kälber von der Kuh, die nach der Geburt notwendig ist, um die Milch für Menschen zu gewinnen, nicht unterstützen. Kühe stoßen zudem bekanntermaßen große Mengen Methan aus, ein 25-Mal potenteres Treibhausgas als Kohlendioxid.

Ökoanalysen, die Pflanzen- und Kuhmilch miteinander vergleichen, sind bisher gleichwohl rar. Der Forscher Joseph Poore von der Universität Oxford veröffentlichte 2018 eine der ersten fundierten Berechnungen im Fachjournal Science. Für seine Analyse berücksichtigte er den Transport, die Verpackung und die Produktion bis in den Supermarkt und zog dafür die Daten von hunderten Wissenschaftlern heran.

Schlechte Klimabilanz

Er hat einen klaren Standpunkt: „Die Entwaldung des Amazonas hat vor allem stattgefunden, weil Menschen den Geschmack von tierischem Protein gegenüber pflanzlichem Protein bevorzugen.“ Regenwald fällt dem Anbau von Sojaplantagen zum Opfer, das Landwirte an die Kühe verfüttern. In seiner Untersuchung legt er dar, dass Kuhmilch sowohl beim Land- und Wasserverbrauch als auch in puncto Treibhausgasemissionen am schlechtesten abschneidet. Jeder Liter ging seiner Rechnung zufolge mit 3,2 Kilogramm Kohlendioxidausstoß einher. Kam die Milch jedoch vom Bauern im selben Dorf, verbesserte sich die Klimabilanz erheblich und kann durchaus mit Pflanzenmilch gleichziehen.

Bei den Alternativen kam Poore zu folgendem Ranking: Mandelmilch hat ihm zufolge den besten Klimasaldo. Allerdings brauchen Bauern für den Anbau, überwiegend im trockenen Kalifornien, vergleichsweise viel Wasser. Andere Forscher hatten den Wasserbedarf sogar noch höher angesetzt. Beim Kauf im Supermarkt hält er unter dem Strich Soja- und Hafermilch für die nachhaltigste Wahl.Öko-Test kam bei einer Prüfung verschiedener Produkte 2019 zu einem anderen Ergebnis. Hafermilch schnitt besonders gut ab, da das Getreide oft aus heimischer, jedenfalls europäischer Erzeugung stammt. Meist ist es auch ökologisch angebaut und die Getränke somit pestizidfrei. Gegen Sojamilch hatte das Magazin indes am meisten Einwände, da die Nickelgehalte in zwei Drittel der Fälle erhöht waren. Die Bohnen reichern dieses Schwermetall auf natürliche Weise an. In zwei Produkten befanden sich außerdem nicht gekennzeichnete gentechnisch veränderte Bohnen.

Sojamilch ist proteinreich

Die gesundheitlichen Effekte von Pflanzendrinks sind dagegen noch dürftiger erforscht. Sie haben zumindest unstrittig eine andere Zusammensetzung als Kuhmilch. Nur Sojamilch erreicht annähernd einen ähnlichen Proteingehalt. Die Lebensmittelchemikerin Elke Arendt vom irischen University College Cork untersuchte 18 Pflanzendrinks und fand heraus, dass die Hälfte fast gar kein Eiweiß beinhaltet. Die Zusammensetzung schwankte abhängig von der Produktion und von Zusatzstoffen stark. Insbesondere Kokos- und Reisdrinks seien reich an Kohlenhydraten, die rasch ins Blut übergehen. Ihr glykämischer Index ist dementsprechend hoch. Sie gehören also zu den Lebensmitteln, die den Blutzucker rasch nach oben schießen lassen, wie auch Kartoffeln und Weißbrot. Daher sollten sie nicht im Übermaß verzehrt werden, weil sie sich ungünstig auf den Stoffwechsel auswirken können und nicht so gut sättigen. Einen langsameren Anstieg des Blutzuckerspiegels bewirken laut Arendt Haferdrinks, was am darin enthaltenen löslichen Ballaststoff beta-Glucan liegt. Er regt die Darmaktivität an und begünstigt eine gesunde Besiedlung des Verdauungstrakts. Außerdem stellt sich das Sättigungsgefühl rascher ein.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die meisten Pflanzenmilchprodukte enthalten eine Reihe von Zusatzstoffen, die den Trank stabilisieren, dazu Calcium, Vitamin B12 und Jod, um sich dem Nährstoff-Profil des Originals, der Milch, anzunähern. Auf der Zutatenliste einiger Pflanzenmilchprodukte stehen auch Zucker oder Pflanzenöl.

Kokosmilch statt Sahne

Insgesamt zieht Arendt, die als eine der wenigen Forscherinnen in Europa Pflanzendrinks analysiert, eine kritische Bilanz: „Ernährungsphysiologisch sind diese Produkte von einem geringeren Wert als Kuhmilch.“ Das bedeutet, dass der vegane Milchersatz nicht einfach Milch eins zu eins ersetzen sollte. Wer sie bevorzugt, braucht beispielsweise mehr Hülsenfrüchte und Nüsse. „Darüber bekommt man dann auch Proteine, B-Vitamine und Calcium“, sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Lobend hebt sie hervor: „Pflanzendrinks sind frei von Lactose und enthalten mehr ungesättigte Fettsäuren.“

Für viele Verbraucher sind die Drinks allerdings ein fester Bestandteil einer vegetarischen oder veganen Ernährung. Lange bewerteten Ernährungswissenschaftler diese kritisch, Vitamin- und Nährstoffdefizite waren auch ihre größte Sorge. Doch eine Reihe von Studien habt dieses Blatt vollständig gedreht. „Die vegane Ernährung geht mit weniger Übergewicht und besseren Blutfettwerten einher“, sagt Gahl.

Margot Gerlitz ließ zwei Mal ihre Blutwerte überprüfen. An Nährstoffen habe es ihr noch nie gemangelt. Für sie steht deshalb fest, dass sie dem Veganismus treu bleibt. „Mir hat sich eine ganz neue Welt erschlossen.“ Sogar eine vegane Schwarzwälder-Kirschtorte hat sie erfunden. Statt Sahne nimmt sie Kokosmilch für die Creme und statt Eiern im Biskuitboden tut es selbst gemachte Sojamilch. „Der Boden wird locker und die Torte schmeckt super.“