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Eine halbe Million Euro verspieltWie Ex-Kommentator Werner Hansch in die Tiefen der Spielsucht geriet

Lesezeit 7 Minuten
Der ehemalige Sportkommentator Werner Hansch.

Der ehemalige Sportkommentator Werner Hansch verspielte im hohen Alter all sein Geld.

Schonungslos offen erzählt Kult-Kommentator Werner Hansch über seine jahrelange Sucht – und wie er nun anderen Spielsüchtigen hilft.

Werner Hansch ist als Legende des deutschen Fußballs bekannt. Von 1978 bis 2007 war er als Sportkommentator und Sportreporter tätig. Im Interview spricht der 84-Jährige über seine Glücksspiel-Sucht und sein Start-up Zockerhelden.

Herr Hansch, Sie waren spielsüchtig. Wie ist es dazu gekommen?

Was ganz wichtig bei diesem Thema ist: Es gibt immer eine Vorgeschichte und meine Vorgeschichte begann etwa 2003, da wurde ich 65 Jahre alt. Damit endete meine Festanstellung bei Sat1. Das ist ganz normal. Ich war aber nicht darauf vorbereitet und das war ein entscheidender Fehler. Denn alle Menschen, die fest angestellt sind, müssen sich, wenn die Pension kommt, Gedanken machen: Wo finde ich in der letzten Lebensphase noch etwas, was mir Sinn vermittelt? Ob man dann Rosen züchtet oder Briefmarken sammelt, das ist ganz egal. Aber ich hatte keine Antwort auf diese Frage. Ich hatte nur sehr viel Geld und sehr viel Zeit – das war eine ganz entscheidende Ursache dafür, dass ich dann in die Spielsucht hineingefallen bin.

Ich habe mich allein an die Pforte zur Spielsucht geführt
Werner Hansch

Wie hat Ihre Spielsucht genau begonnen?

Ich bin durch Zufall in ein Wettbüro gegangen. Da wurde ich erkannt und bejubelt: „Ach, das ist doch der Fußballkommentator von Sat1, komm doch mal rein.“ Dann hat mich einer eingeladen, eine Wette mal mitzumachen – er hätte da ganz gewiss einen Sieger, und tatsächlich hat das Pferd dann gewonnen. Ich bekam für 20 Euro dann 42 Euro zurück, war sehr befriedigt und bin Glücks-erfüllt an dem Abend nach Hause gefahren. Das war der Anfang. 14 Tage später war ich wieder da und so ging es weiter. Ich sage dazu immer, mich hat keiner verführt, ich habe mich allein an die Pforte zur Spielsucht geführt.

Glücksspiel: Ex-Sportkommentator Werner Hansch war 10 Jahre lang spielsüchtig

Wie lange waren Sie spielsüchtig?

Ich würde sagen rund 10 Jahre habe ich mich da ausgetobt und am Ende war alles weg. Meine Finanzen waren weg, meine Lebensgefährtin war weg und ich stand ziemlich allein da.

Ist Ihr Umfeld in dieser Zeit nicht auf Ihre Spielsucht aufmerksam geworden?

Nein, das hat ganz lange gedauert. Ich hatte ja reichlich Rückhalt, konnte immer zur Bank gehen und da lag neues Geld. Das ging wunderbar, bis zu dem Moment, wo ich kein eigenes Geld mehr hatte. Alle Konten waren leergeräumt. Man will dann aber trotzdem weiter zocken. Die fatale Idee, die dahintersteht, ist ja immer die: „Ab morgen beginnt der große Rücklauf. Dann werden alle Pferde gewinnen, auf die ich wette“ – so einen Wahnsinn bildet man sich tatsächlich ein. Nur ist es nicht so, sondern der totale Absturz steht am Ende.

Glücksspiel: Ex-Sportkommentator Werner Hansch verspielt über eine halbe Million Euro

Wie viel Geld haben Sie in zehn Jahren Spielsucht verloren?

Mit Sicherheit über eine halbe Million Euro.

Kamen Ihnen während Ihrer Spielsucht nicht auch mal negative Gedanken zum Geldverlust?

Natürlich ist es zwischendurch so, dass man nachts wach liegt und dann kommen negative Gedanken – aber die verdrängt man wieder, indem man sich sagt: Ich habe einfach bisher nur Pech gehabt, aber ab morgen kommt der große Rücklauf. Doch der kommt nie, das ist die große Illusion.

Wie überwindet man seine Spielsucht?

Es gibt nur einen Weg: Man muss sich selber klar werden, dass man spielsüchtig ist. Und dann schaut man in sein persönliches Umfeld. Hoffentlich ist da wenigstens ein Mensch, dem man sich gegenüber öffnen kann – dann lässt man alles raus, was einen betrifft und dann gibt es in aller Regel auch einen Ausweg.

Wenn es die eine Person nicht gibt, muss man ins Internet gehen. Überall in Deutschland gibt es Selbsthilfegruppen, und da sollte man vorstellig werden. Natürlich, das Problem bleibt dasselbe, auch da muss man sich outen. Da fällt es aber schon leichter, weil man weiß, in diesen Selbsthilfegruppen sitzen Menschen mit demselben Problem. Aber ohne den Schritt des Bewusstmachens dieser Sucht gibt es keine Rettung.

Wie war das bei Ihnen? Haben Sie sich Ihre Spielsucht eingestanden?

Ich habe es mir in 10 Jahren noch nicht eingestanden. Aber ein Freund, der auch noch Anwalt ist, hat mich Gott sei Dank irgendwann an die Hand genommen und gesagt: „Mein Lieber, ich muss dir jetzt mal ganz deutlich sagen: Du bist spielsüchtig, und zwar in der schlimmsten pathologischen Form.“ Der Freund schickte mich schließlich zur Therapie und in eine Selbsthilfegruppe, das hat mir aus der Sucht herausgeholfen. Nach anderthalb Jahren hatte ich die Kontrolle über mich selbst wiedergewonnen.

Was der große deutsche Fußball da macht, sich für Geld an die Kette von Sportwetten-Anbietern zu legen, ist mir unbegreiflich
Werner Hansch

Wie sehen Sie die Präsenz von Sportwetten-Anbietern auf Sportveranstaltungen? Viele berühmte Sportler werben dafür. Darf das sein?

Die Wettwerbung ist ein großer Faktor bei der Spielsucht. Wenn sie jetzt Fußball gucken, gibt es kein Spiel mehr ohne Sportwetten-Anbieter. Natürlich ist es aber so – und da muss man auch ganz offen drüber reden – für etwas, was legal ist, darf man auch Werbung machen. Aber die Frage ist eben: wie lange und wie viel Werbung. Was der große deutsche Fußball da macht, sich für Geld an die Kette von Sportwetten-Anbietern zu legen, ist mir unbegreiflich.

Sie glauben gar nicht, wie schwer mir das gefallen ist – so hoch ist die Mauer der Scham
Werner Hansch

Im Jahr 2020 haben Sie Ihre Spielsucht in der TV-Sendung Promi Big Brother erstmals öffentlich gemacht.

Genau, am zweiten Tag der Sendung wurde ich ins Big Brother-Sprechzimmer gerufen und sollte erzählen, warum ich dort sei. Das war der Moment meiner inneren Entscheidung: „Was mache ich jetzt, erzähl’ ich hier auch irgendeine erfundene Story oder habe ich jetzt endlich den Mut, die berühmte Hose herunterzulassen.“ Das tat ich dann und ich sage Ihnen: Sie glauben gar nicht, wie schwer mir das gefallen ist – so hoch ist die Mauer der Scham.

Ich konnte mir vorstellen, dass da draußen viele an den Fernsehern saßen und dachten: „Mein Gott, hast du das von dem gedacht?“ Als die Sendung vorbei war, gab es aber eine überbordende Welle von Zustimmung, von Anerkennung, von Dank dafür, dass ein Mensch in meinem Alter noch zu einer solchen Lebensbeichte fähig ist. Das hat mich wieder aufgerichtet. Und durch meinen Gewinn bei Big Brother konnte ich mit dem Preisgeld einen Großteil meiner privaten Schulden zurückzahlen.

Mit 84 Jahren haben Sie kürzlich das Start-up Zockerhelden gegründet – worum geht es da genau?

Bei Zockerhelden bieten wir zwei Sachen an. Für die juristische Beratung von Spielsüchtigen ist der Anwalt Marc Ellerbrock zuständig. Mit keiner anderen Sucht kann man so schnell den wirtschaftlichen Ruin erleben wie bei der Spielsucht.

Ich kümmere mich zwischenmenschlich um die Personen, die in die Glücksspielsucht hineingeraten sind. Über Zockerhelden biete ich Beratungsangebote und halte Präventionsveranstaltungen ab, denn das wirksamste Mittel gegen Spielsucht ist Prävention. Ich berate über alle Möglichkeiten, aus der Sucht herauszukommen, und erkläre, wo es Hilfe gibt. Ich leite die Präventionsarbeit dabei an meinem eigenen Schicksal ab. Das ist eine wunderbare Aufgabe, der ich mich jetzt mit allen Fasern meines Körpers und meines Geistes widme.


Glücksspielsucht in Deutschland

Das Suchtrisiko im Glücksspiel gefährdet einer Studie der Universität Bremen und des Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung in Hamburg zufolge vor allem Männer. Der Anteil mit einer „glücksspielassoziierten Störung“ liegt bei Männern bei 3,5 Prozent, der von Frauen bei 1,1 Prozent, wie der Glücksspiel-Survey 2021 ergab.

In Deutschland sind rund 430.000 Menschen von einem problematischen Glücksspielverhalten oder einer Glücksspielsucht betroffen. Dies geht aus dem Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen aus dem Jahr 2021 hervor. Für 2022 liegen noch keine Zahlen vor. Wie sich die Corona-Pandemie auf das Glücksspielverhalten ausgewirkt hat, ist noch ungewiss. Zwar waren Spielhallen in der Pandemie lange geschlossen, doch das Online-Glücksspiel nahm erheblich zu.


Hilfe für Glücksspielsüchtige und Angehörige

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen – Eine Übersicht aller Beratungsangebote für Menschen mit Suchtproblemen in Deutschland gibt es unter dhs.de

Beratung bei Glücksspielsucht in Köln – Auch in Köln und der Region ist davon auszugehen, dass viele Menschen eine entsprechende Hilfe benötigen. Die Stadt Köln hat auf ihrer Webseite Beratungsangebote für Menschen mit einer Glücksspielproblematik und für Angehörige von Spielenden aufgelistet.