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Jeder 10. ist Psychopath!Wie geht man mit schwierigen Chefs um?

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Gewissenlos, aber wortgewandt jubelt er ahnungsloslosen Käufern Schrottpapiere unter: Leonardo DiCaprio begeistert im Kino als Jordan Belfort die Zuschauer. Die Hauptfigur in Martin Scorseses Film „The Wolf of Wall Street“ ist vor allem an Macht und Geld interessiert. Er schmeißt Orgien für seine Mitarbeiter und feiert Drogenexzesse.

Auf den ersten Blick mag es nur ein Film sein. Viele Eigenarten der Filmfigur decken sich mit den Charakterzügen von psychopathischen Menschen: impulsiv, skrupellos, selbstverliebt, aber auch charmant, selbstbewusst und eloquent. Eigenschaften, auf die man auch im realen Leben treffen kann. Häufig in der Chefetage, sagen Experten.

Im Schnitt habe jede zehnte Führungskraft psychopathische Eigenschaften, schätzt Prof. Gerhard Roth von der Universität Bremen. Die meisten seien Männer. Ihre Skrupellosigkeit und fehlende Empathie helfe dabei, sich im Unternehmen durchzusetzen.

Wer als Mitarbeiter auf sie trifft, hat darunter zu leiden. Mit ihrer cholerischen und disziplinlosen Art schikanieren Menschen mit psychopathischen Eigenschaften ihr Team. Sie ändern oft innerhalb kurzer Zeit ihre Meinung. Loben sie in einem Moment Ideen gen Himmel, zerreißen sie diese im nächsten Augenblick in der Luft. Manchmal verkaufen sie fremde Gedanken als die ihren. Insgesamt ist es für andere schwer, sie einzuschätzen. Echte Irre sitzen allerdings kaum in Führungsetagen.

Psychopathie gilt als eine schwere Form der dissozialen Persönlichkeitsstörung. Betroffenen fehlt jegliche Empathie für andere. Sie können keine Rücksicht nehmen und setzen ihr Charisma bewusst ein, um andere zu manipulieren. In der Regel ist die Krankheit genetisch bedingt. „Frühkindliche Traumata können aber ebenso Ursache sein“, erklärt Roth.

Chefs mit psychopathischen Eigenschaften können mit ihrer Art ein Team ruinieren. Die Zusammenarbeit ist für Mitarbeiter schwierig, in der Folge sind sie oft verunsichert oder melden sich sogar krank. Weil so die Motivation leidet, wird oft nur noch Dienst nach Vorschrift gemacht. Mitunter lässt die Leistung der ganzen Abteilung nach.

Wer ein anderes Jobangebot bekommt, ist oft schnell bereit, die Firma zu verlassen. Zurück bleiben oft nur die Schwächeren. „Um den Druck auszuhalten, verbünden sich einige Mitarbeiter mit dem Chef. So wird das Opfer zum Mittäter“, erklärt Oliver Groß, Trainer für Mitarbeiterführung.

Doch was kann der Einzelne tun? Eines sollten sich Mitarbeiter abschminken: Einen Chef mit psychopathischen Eigenschaften zu ändern, ist kaum möglich. Kritik ertragen diese Vorgesetzten nicht. „Leiden mehrere Personen, können sich Mitarbeiter zusammentun“, empfiehlt Groß. Sie bitten dann am besten um ein Konfliktgespräch. Darin rücken sie dann besser nicht das eigene Leiden in den Vordergrund, sondern betonen lieber die Konsequenzen für das Unternehmen. Das kann etwa sein, dass Arbeit liegen bleibt oder die Abteilung langfristige Ziele nicht erreicht.

Unsicherheit provoziert leicht einen Angriff

Persönliche Vorwürfe haben in einem Konfliktgespräch nichts zu suchen. Besser ist es, den Chef mit konstruktiven Verbesserungsvorschlägen ins Boot zu holen. Neue Ideen sollten nicht ausschweifend, sondern kurz und knackig formuliert werden. Wichtig ist auch, im Gespräch selbstsicher zu sein. Merkt der Chef die Unsicherheit, geht er zum Angriff über. Mit plötzlichen Wutanfällen rechnen Mitarbeiter besser. Hier gilt: Ruhe bewahren! Da der Chef seine Meinung innerhalb von Sekunden ändern kann, rückt er von Äußerungen möglicherweise wieder ab. Grundsätzlich gilt: Beschäftigte nehmen besser nichts persönlich.

Hilft das alles nichts, wenden sich Mitarbeiter am besten an den Betriebsrat, rät Christoph Schmitz von der Gewerkschaft Verdi. „Unter Umständen kann auch der zuständige Gewerkschaftssekretär das Problem mit der Geschäftsführung ansprechen.“

Leitet ein Mensch mit psychopathischen Eigenschaften die Firma, gebe es am Ende nur Verlierer, warnt Personaltrainer Groß. Ein schlechtes Betriebsklima hemmt die Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiter. Potenziale bleiben ungenutzt und ganze Abteilungen hinter ihren Möglichkeiten. Negative Auswirkungen für das Unternehmen wie sinkende Umsätze können die Folgen sein.

Für die Filmfigur Jordan Belfort endet der Egotrip zunächst im beruflichen Ruin. Soweit muss es in der Realität nicht kommen. (dpa)

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