AboAbonnieren

Glotzen statt helfenDiese Strafen drohen Gaffern

Lesezeit 4 Minuten
Schaulustige_bei_Unf_50237333

Gaffen bei einem Unfall ist kein Kavaliersdelikt - Schaulustigen drohen hohe Strafen.

Nach einem schweren Unfall zählt jede Minute. Leben oder Tod können davon abhängen, wie schnell die Rettungskräfte bei den Verletzten sind. Doch immer wieder behindern Gaffer die Arbeit von Polizei und Helfern. Die Schaulustigen zücken ihre Handys, fotografieren und filmen das Geschehen am Unfallort. Manche widersetzen sich den Anweisungen der Polizei.

Neugier ist den Menschen in die Wiege gelegt, Sensationslust offensichtlich auch. «Ich vermute, es ist ein tiefgründiger Trieb oder Instinkt», sagt der emeritierte Psychologie-Professor der TU Dortmund, Bernd Gasch. Bereits im alten Rom habe es etwa bei Kämpfen viele Zuschauer gegeben. «Es muss einen besonderen Reiz haben», erklärt Gasch, der sich mit Notfallpsychologie beschäftigt hat. Auch heute bedeute es für viele Menschen wohl einen Lustgewinn, das Geschehen am Unfallort aus nächster Nähe zu beobachten. Für viele Schaulustige sei der Drang, dabei zu sein und zu filmen, stark.

Meldungen über Schaulustige, die Helfer behindern, gibt es inzwischen bei nahezu jedem größeren Unfall. Ein besonders drastischer Fall ereignete sich im Mai im nordrhein-westfälischen Hagen. Rund 150 Gaffer liefen an der Unfallstelle herum. Polizei und Feuerwehr wurden massiv bei ihrer Arbeit behindert.

Seit dem Smartphone gibt es mehr Gaffer

«Das Problem wird größer», sagt der Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow. In den vergangenen fünf Jahren habe die Zahl der Schaulustigen, die Rettungskräfte und Polizei behindern, deutlich zugenommen.

Malchow erklärt sich die große Zahl der Gaffer unter anderem mit der Verbreitung des Smartphones. «Die Menschen wollen Geschichtenerzähler sein», sagt er. Ihm zufolge stellen viele Schaulustige Fotos und Videos der Unfälle ins Internet - ohne Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der Opfer. Um eine möglichst gute Geschichte zu bekommen, sei es manchen egal, ob sie am Unfallort die Rettungskräfte behindern.

Für die Polizei bedeutet die Entwicklung einen enormen Aufwand. Bei fast allen großen Unfällen auf Autobahnen werden inzwischen Sichtschutzwände aufgebaut, bei vielen Unfällen braucht es mehr Personal, etwa um Platzverweise auszusprechen.

Der Unfall-Voyeurismus ist kein Kavaliersdelikt. Gaffer müssen mit Sanktionen rechnen. Welche das genau sind und wie sich Verkehrsteilnehmer bei einem Unfall verhalten sollten, lesen Sie hier.

Zugangswege freihalten!

Im Notfall zählt jede Sekunde. Eine Reanimation nach einem Herzstillstand oder die Stoppung einer Blutung, müssen sofort erfolgen. Wenn Gaffer jetzt den Zugangsweg versperren, kann das tödliche Konsequenzen haben. „Autofahrer auf der Autobahn sollten unter keinen Umständen den Pannenstreifen befahren, wenn hier die Fahrzeuge vom Rettungsdienst die Zugangswege benötigen“, rät der Verband für bürgernahe Verkehrspolitik e.V. (VFBV).

Mobile Sichtschutzwände sollen verhindern, dass Gaffer den Verkehr aufhalten.

Zudem sollte jeder Verkehrsteilnehmer darauf achten, im Notfall eine Rettungsgasse für die Einsatzkräfte zu bilden, um diesen einen schnellen Zugang zu den Verletzten zu ermöglichen, anstatt schaulustig und provokant langsam am Unfallort vorbeizufahren.

„Wer als Schaulustiger einen Unfall beobachtet und dabei abbremst, um eine bessere Sicht auf das Geschehen zu haben, behindert nicht nur den Notdienst, sondern kann sich auch selbst gefährden und einen Auffahrunfall verursachen“, heißt es vom VFBV.

Es kann nicht nur teuer werden - Gaffern droht auch das Gefängnis

Fotografieren und gaffen, statt Hilfe holen. Das ist nicht nur gefährlich, sondern auch strafbar.

Nicht nur die Behinderung von Einsatzkräften, auch das Fotografieren oder Filmen von verunglückten Autos und Verletzten ist ein Riesen-Problem. „Dieses Vergehen ist eine Straftat und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe sanktioniert werden. Dabei ist es unerheblich, ob die Fotos weitergegeben oder veröffentlicht werden; was zählt ist allein die Anfertigung einer solchen Aufnahme, die laut § 201a des StGB 'die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt'“, so der VFBV.

Wichtig: Die Polizei darf in einem solchen Fall sogar das Handy des Gaffers sofort einziehen.

Doch auch wer keine Fotos macht und „nur gafft“, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Schaulustigen droht dann ein Bußgeld von bis zu 1000 Euro.

So teuer kann es werden

„Wenn Sie einen Unfall im Straßenverkehr beobachten, sind Sie verpflichtet, zu helfen. Unterlassene Hilfeleistung ist nicht nur eine Verkehrsordnungswidrigkeit, die laut Verkehrsrecht und StVO einen Bußgeldbescheid zur Folge hätte, sondern eine Straftat, die eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen kann“, warnt der VFBV. (mit dpa/chs)

Das kosten die einzelnen Vergehen

  1. „Gaffen“ als Ordnungswidrigkeit: Bußgeld von 20 bis 1000 Euro
  2. Behinderung der Rettungskräfte durch Befahren des Seitenstreifens auf der Autobahn: Bußgeld von 20 Euro
  3. Behinderung der Rettungskräfte durch Parken auf dem Seitenstreifen der Autobahn: Bußgeld von 25 Euro
  4. Unterlassene Hilfeleistung: Straftat! Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe
  5. Fotos oder Filme von einem Unfall machen: Straftat! Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe