Zweimal im Jahr die Uhren umstellen, das finden viele Menschen nervig. Die EU hatte die Zeitumstellung bereits abschaffen wollen – eigentlich. Wo hakt es?
Winter, Sommer, ÄrgerzeitWarum ist die Zeitumstellung immer noch nicht abgeschafft?
Die Zeitumstellung sollte man abschaffen. Das finden 84 Prozent der Europäerinnen und Europäer, die im Jahr 2018 an einer Onlineumfrage teilgenommen hatten. Zwar ist diese Befragung nicht repräsentativ, spiegelt aber die Stimmen von 4,6 Millionen Menschen wider.
Doch auch knapp sechs Jahre später ist es nun wieder mal so weit. Am 27. Oktober stellen wir die Uhr eine Stunde zurück und schleppen uns spätestens am Montag mit Mini-Jetlag zur Arbeit. Warum muss das – immer noch – sein? Antworten auf Fragen rund um das Abschaffen der Zeitumstellung.
Wird die Zeitumstellung abgeschafft: Ja oder Nein?
Die grundsätzliche Antwort auf diese Frage lautet: Ja. Die EU-Kommission hat im September 2018 vorgeschlagen, das Umstellen von Winter- auf Sommerzeit (und andersherum) zu beenden. Das EU‑Parlament unterstützt seit dem März 2019 diesen Vorschlag.
Warum ist die Zeitumstellung noch nicht abgeschafft?
Bisher sind sich nicht alle Mitgliedsstaaten der EU einig, ob sie die Zeitumstellung abschaffen wollen oder nicht. Sobald sie sich dafür entschieden haben, kann laut dem Vorschlag der EU jedes Land selbst entscheiden, ob es fortan für immer Sommer- oder Winterzeit hat.
„Es ist wünschenswert, dass die Mitgliedsstaaten die Entscheidungen über die Standardzeit, die jeder von ihnen anwenden wird, in abgestimmter Weise treffen“, schreibt die EU und warnt vor einer „Zersplitterung des Binnenmarktes“, die sonst verursacht werden könnte. Wenn jedes Land selbst entscheidet, ob dort fortan die Winter- oder Sommerzeit gelten soll, entsteht im schlimmsten Fall ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Zeitzonen. Das erschwert das Reisen, das Planen des Verkehrs und könnte sich negativ auf die Wirtschaft auswirken.
Wann wird die Zeitumstellung abgeschafft?
Einen Stichtag gibt es noch nicht, da sich die Mitgliedsstaaten der EU bisher nicht geeinigt haben. Ursprünglich hätten sie ihre Entscheidung bis April 2020 mitteilen sollen. Geplant war, die Zeitumstellung im Jahr 2021 abzuschaffen.
Was ist der Sinn hinter der Zeitumstellung?
Die Sommerzeit wurde in der Bundesrepublik Deutschland erst 1980 eingeführt, nachdem sich Frankreich vier Jahre zuvor im Zuge der Ölkrise aus energiepolitischen Gründen für die Zeitumstellung entschieden hatte. Die Idee dahinter war, durch mehr Tageslicht im Sommer weniger Energie zu verbrauchen. Viele Mitgliedsstaaten aus der EU zogen aus wirtschaftlichen Gründen nach.
Die Zeitumstellung in der BRD wurde auch aufgrund der Teilung in West und Ost beschlossen: Nachdem die DDR 1979 die Sommer- und Winterzeit einführte, wollte man in dem ohnehin geteilten Land eine unterschiedliche Zeit vermeiden.
Seit 1996 wird die Zeit innerhalb der EU in allen Mitgliedsstaaten einheitlich umgestellt – und zwar jeweils am letzten Sonntag im März und Oktober um eine Stunde vor oder zurück.
Hilft die Zeitumstellung tatsächlich dabei, Energie zu sparen?
Wahrscheinlich nicht oder nur sehr wenig. „Wie viel Energie durch die Umstellung auf Sommerzeit tatsächlich eingespart wird, lässt sich nicht genau beziffern, denn: Die Umstellung führt an der einen Stelle zu einem geringeren und an der anderen zu einem höheren Verbrauch“, schreibt das Umweltbundesamt.
Im Sommer ist es zwar länger hell und Menschen müssen die Lampen erst später anknipsen. Wiederum sind Leuchtmittel heute aber auch energieeffizienter als in den 1980er-Jahren. Die Ersparnis dürfte also gering ausfallen. Und: Wenn die Uhr eine Stunde vorgestellt wird, müssen Menschen früher aufstehen. Da es im Frühjahr und Herbst morgens oft kühl ist, steigt als Folge der Sommerzeit der Verbrauch an Heizenergie.
„Daneben gibt es Auswirkungen auch an anderer Stelle. Die längere Tageshelligkeit am Abend kann zu einem veränderten Freizeitverhalten führen“, wirft das Umweltbundesamt ein. Ein Beispiel: Wenn es länger hell ist, fährt so mancher nach der Arbeit doch noch mit dem Auto an den See, statt es sich mit einem Buch auf der Couch gemütlich zu machen.
Was war die ursprüngliche Zeit, Sommer oder Winter?
Zwischen 1950 und 1980 gab es in Deutschland keine Zeitumstellung. Was heute umgangssprachlich Winterzeit genannt wird, war damals einfach die Standardzeit. Dabei handelt es sich um die sogenannte normale Mitteleuropäische Zeit (MEZ) – auch Normalzeit genannt. Tatsächlich ist die Winterzeit also die normale beziehungsweise „richtige“ Zeit in Deutschland.
In welchen Ländern gibt es keine Zeitumstellung mehr?
Die Menschen in Island, China, Russland und der Türkei müssen ihre Uhren nicht mehr umstellen – was auf den Großteil der mehr als 190 Länder weltweit zutrifft. „International wird die Sommerzeitregelung in etwa 60 Ländern eingehalten, hauptsächlich in Nordamerika und Ozeanien“, so die EU.
Auch in Teilen der USA – etwa in den Bundesstaaten Hawaii und Arizona – wird die Uhr nicht umgestellt. Das Gleiche gilt für die australischen Staaten Queensland und Western Australia.
Zeitumstellung oder Uhrumstellung: Welche Bezeichnung ist eigentlich korrekt?
Genau genommen ist „Zeitumstellung“ nicht der richtige Begriff für das, was EU‑Bürgerinnen und EU‑Bürger jedes Jahr im Frühjahr und Herbst einmal tun. Denn schließlich stellen sie nicht die Zeit um. Die Minuten, Stunden und Tage verrinnen wie immer. Wer ganz korrekt sein möchte, spricht also von der „Uhrumstellung“.
Jedoch, der Begriff „Zeitumstellung“ ist weitaus geläufiger. Im März 2022 haben 1,22 Millionen Menschen bei Google danach gesucht – und nur 60.500 nach dem Wort „Uhrumstellung“. Auch dem Duden ist die „Zeitumstellung“ geläufig. Er definiert den Begriff als „die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit bzw. von Winter- auf Sommerzeit“. Das Wort „Uhrumstellung“ ist dagegen nicht Bestandteil des Standardwerks.
Mitarbeit: Patrick Fam, Ben Kendal und Ina Johannsen