Bahnverkehr in KölnStellwerk am Eigelstein steuert 1220 Züge täglich

Klaus Gerhards, Betriebsleiter des Bahnbezirks Köln, im Schaltraum des Stellwerks
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Köln – Das Allerheiligste darf der Chef nur in Ausnahmefällen betreten. Aus Sicherheitsgründen. Weil hier Zigtausende kleiner Drähte zusammenlaufen, Schaltrelais seit mehr als 40 Jahren ihren Dienst versehen und jede gebrochene Lötstelle ein Verkehrschaos auslösen könnte.
Wir stehen im Schaltraum des Stellwerks am Eigelstein, das den Bahnverkehr im Kölner Hauptbahnhof steuert und fühlen uns wie aus der Zeit gefallen. 1220 Züge pro Tag – verteilt auf elf Gleise, gesteuert mit einer Technik, die jeder Eisenbahner als robust bezeichnet, die aber allein durch ihr Alter störanfällig ist.
„Diese Zugdichte ist einmalig in Deutschland“, sagt Klaus Gerhards. Er hat viele Jahre als Fahrdienstleiter hier gearbeitet und ist als Bezirksleiter für den Betrieb bei der DB Netz AG dafür verantwortlich, die Züge durch das Nadelöhr Hauptbahnhof zu schleusen. Jede Weichenstellung, jeder Signalwechsel des sechs Kilometer langen Abschnitts zwischen Köln-West und Deutz ist hier zu hören.
Jedes Klicken ein Befehl – zum Beispiel für Zug 10839 auf dem Weg von Ehrenfeld durch den Hauptbahnhof nach Deutz. In den 1970er Jahren waren „Spurplanstellwerke mit selbstständiger Gleisfreimeldeanlage“ technisch unschlagbar, erlauben sie doch Zugfolgen im Abstand von drei Minuten. „Als das Stellwerk in Betrieb ging, hat es fünf Anlagen ersetzt“, sagt Gerhards.
Zwei Stockwerke höher müssen sich sieben Mitarbeiter in der Stellwerks-Kanzel als Schleuser betätigen. Die Reisenden auf den Bahnsteigen bekommen davon wenig mit. Es sei denn, ein ICE von Köln nach München, der für Gleis sechs angekündigt war, wechselt plötzlich auf Gleis sieben. „Da zählt jede Minute. Bei einem Bahnhof dieser Größenordnung muss schnell und kreativ entschieden werden.“
Wird es gelingen, den ICE von Frankfurt, der mit zehn Minuten Verspätung den Hauptbahnhof erreichen wird, an den Parallel-Bahnsteig zu schicken, um den Umsteigern den Anschluss nach Dortmund noch zu ermöglichen? Und wohin schicken wir den Folgezug, wenn der Dortmunder das Gleis fünf Minuten länger als geplant blockiert? „Bei all dem müssen wir immer im Blick haben, dass die Kunden genug Zeit haben, den Bahnsteig zu wechseln.“
Die Aufgaben in der Stellwerkskanzel sind klar strukturiert. Der Fahrdienstleiter West übernimmt den Bereich von Koblenz und Bonn plus den Betriebsbahnhof bis zur Einfahrt in den Hauptbahnhof, der Fahrdienstleiter Ost ist Herr über die Ausfahrt und die Hohenzollernbrücke bis nach Deutz. Betriebsüberwachung, Disposition, die Kontaktaufnahme über den digitalen Zugfunk zu den Lokführern, außerplanmäßige Bahnsteig-Ansagen, die nicht aus dem Computer kommen – hier schlägt das Herz des Hauptbahnhofs.
Und es darf niemals stillstehen. Um gegen einen möglichen Stromausfall gewappnet zu sein, steht im Keller ein mächtiger Zehn-Zylinder-Schiffsdiesel, der in rund 40 Jahren vielleicht auf 150 Betriebsstunden gekommen ist und innerhalb von 45 Sekunden selbst anspringt.
Ein Blick in die Schaltzentrale genügt, um zu erahnen, welches Chaos ein Stellwerksbrand in Köln auslösen würde, wie er sich vor ein paar Wochen in Mülheim an der Ruhr ereignet hat. „Wir sprechen da vom Kern des Ruhrgebiets. Das ist eine unserer wichtigsten Verbindungen“, sagt ein Bahnsprecher. „Im Großraum zwischen Bonn/Köln und dem Ruhrgebiet werden 80 Prozent des gesamten Personenverkehrs in Nordrhein-Westfalen abgewickelt. Wir können da nicht mal eben einen Knopf drücken und den Verkehr auf eine andere Betriebszentrale umschalten.“
Deshalb wird es auch in Köln mindestens vier Jahre dauern, bis die alte Schaltzentrale durch ein modernes elektronisches Stellwerk ersetzt ist, das in unmittelbarer Nachbarschaft gebaut werden soll. 2020 soll nach bisherigen Plänen der S-Bahnverkehr umgestellt werden, vier Jahre später werden der Fern- und Regionalverkehr folgen. Eine neue Weichenverbindung zwischen den Gleisen sieben und acht vor der Hohenzollernbrücke soll dafür sorgen, dass die Fahrdienstleiter bei den Zugfahrten noch flexibler arbeiten können. „Die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs werden wir dadurch aber nicht erhöhen können“, sagt Gerhards.
„Es wird aber weniger Störungen geben, weil wir den Betrieb besser abwickeln können.“ Mehr Züge könne der Hauptbahnhof nur verkraften, wenn die S-Bahn um einen zusätzlichen Bahnsteig mit zwei Gleisen erweitert wird. „Das muss im Hauptbahnhof und in Deutz passieren. Die beste Lösung wäre, auch die Hohenzollernbrücke um zwei Gleise zu erweitern.“