BelarusHunderttausend demonstrieren in Minsk – Lukaschenko posiert mit Waffe
Minsk – Trotz der erneuten Massenproteste in der belarussischen Hauptstadt Minsk setzt Machthaber Alexander Lukaschenko weiter auf Härte und zeigt keinerlei Kompromissbereitschaft. Er ließ sich am Sonntagabend bewaffnet und in schusssicherer Weste von einem Hubschrauber in seinen Präsidentenpalast bringen, wie Staatsmedien zeigten. Lukaschenko bezeichnete die Demonstranten als „Ratten“. Das Staatsfernsehen zeigte auch, wie Lukaschenko mit einer Kalaschnikow-Maschinenpistole in der Hand in schwarzer Montur den Hubschrauber verließ und zum Palast ging. Oppositionsnahe Quellen im Nachrichtenkanal Telegram hoben hervor, dass in der Waffe kein Magazin gewesen sei.
Der Palast der Unabhängigkeit, wie er offiziell heißt, glich einer Festung. An den Zufahrten waren gepanzerte Fahrzeuge zu sehen und Einheiten mit Sicherheitskräften. Sie sollten verhindern, dass die wütende Menge den Palast stürmt. Dort hatten sich auch Menschen versammelt.
Lukaschenko dankt Sicherheitskräften
Lukaschenko dankte den Sicherheitskräften für ihren Einsatz und für seinen Schutz vor den Demonstranten. „Danke, Ihr seid tolle Typen!“, sagte er bei einem Besuch an den Absperrungen seines Präsidentenpalastes. „Wir stehen an Ihrer Seite bis zum Ende“, riefen die Uniformierten und applaudierten dem 65-Jährigen.
Lukaschenkos Sprecherin Natalja Eismont wies im Staatsfernsehen mit Blick auf einen Flug des Präsidentenhubschraubers Spekulationen in sozialen Netzwerken zurück, wonach Lukaschenko habe fliehen wollen. „Er hat den ganzen Tag im Lagezentrum des Palastes der Unabhängigkeit gearbeitet und die Lage kontrolliert“, sagte sie. „Wie der Präsident versprochen hat, wird der nirgendwohin gehen.“ Lukaschenko arbeite nach einem Hubschrauber-Rundflug über der Stadt weiter im Palast.
Mehr als 100.000 Menschen hatten zuvor trotz Warnungen von Polizei und Militär vor einem Demonstrationsverbot in Minsk bei einer Großkundgebung den Rücktritt von „Europas letztem Diktator“ gefordert. „Hau ab!“, skandierten die Menschen in Sprechchören auf dem Unabhängigkeitsplatz in Minsk. Anschließend gab es einen friedlichen Protestzug durch Minsk - und scharfer Beobachtung von Uniformierten. Die Polizei warnte in Lautsprecherdurchsagen immer wieder vor der Teilnahme an der ungenehmigten Kundgebung.
Staatschef Lukaschenko hatte mit „hartem Durchgreifen“ gedroht, um die Ex-Sowjetrepublik wieder zur Ruhe zu bringen. Allerdings war die Menge auf den Straßen so groß, dass die Polizei dem nichts entgegensetzen konnte. Einige oppositionelle Plattformen im Internet schätzten die Zahl auf 200 000 Menschen - etwa so viele wie am Sonntag vor einer Woche, als es zum ersten Mal überhaupt Proteste in dieser Größenordnung gab. Sie gelten als historisch.
Lukaschenko hatte immer wieder damit gedroht, notfalls auch die Armee zur Sicherung seiner Macht einzusetzen. Viele Bürger in Belarus betonen aber seit Wochen, dass sie keine Angst mehr hätten vor „Europas letztem Diktator“.
Solidarität mit Demonstranten in europäischen Städten
Auch in anderen Städten kommt es seit der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August täglich zu Protesten und Streiks in den Staatsbetrieben. Die von Vorwürfen beispiellosen Betrugs begleitete Präsidentenwahl hat die größte innenpolitische Krise des Landes ausgelöst. Lukaschenko hatte sich nach 26 Jahren an der Macht mit 80 Prozent der Stimmen zum sechsten Mal in Folge zum Sieger der Präsidentenwahl erklären lassen.
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