„Erstaunlich uninformiert“Welche Vorwürfe Trumps ehemaliger Sicherheitsberater erhebt
Washington – In seinem neuen Enthüllungsbuch erhebt der frühere Nationale Sicherheitsberater John Bolton schwere Vorwürfe gegen US-Präsident Donald Trump. Besonders explosiv: Trump habe den chinesischen Präsidenten Xi Jinping gebeten, ihm bei der Wiederwahl im November zu helfen, schreibt Bolton US-Medien zufolge in seinem knapp 600 Seiten umfassenden Werk. Es trägt den Titel „The Room Where It Happened“ (etwa: Der Raum, in dem es geschah). Konfrontiert mit den Vorwürfen sagte Trump dem „Wall Street Journal“, Bolton sei ein „Lügner“.
Wahlhilfe aus China?
„Es ist wirklich schwierig, irgendeine signifikante Entscheidung Trumps während meiner Zeit im Weißen Haus zu identifizieren, die nicht von Überlegungen zu seiner Wiederwahl getrieben war“, schreibt Bolton in einem vorab vom „Wall Street Journal“ veröffentlichten Kapitel. Selbst das Ringen mit China um ein Handelsabkommen habe Trump ganz offen für seine Wiederwahl einsetzen wollen, schrieb die „New York Times“ unter Berufung auf das Buch. So habe Trump Xi gebeten, amerikanische Agrarprodukte zu kaufen, um ihm zu helfen, landwirtschaftlich geprägte Bundesstaaten für sich zu gewinnen.
Machtmissbrauch und Verhinderung von Ermittlungen
Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wäre nicht nur wegen der Vorwürfe in der Ukraine-Affäre, sondern auch wegen anderer Fälle gerechtfertigt gewesen, schreibt Bolton nach Angaben der „New York Times“. Trump habe mehrfach strafrechtliche Ermittlungen zugunsten von „Diktatoren“ unterbunden, etwa in Bezug auf China und die Türkei. Dabei sei es unter anderem um Ermittlungen gegen die Unternehmen ZTE und Halkbank gegangen, schreibt Bolton demnach. „Das Verhaltensmuster sah nach Behinderung der Justiz als Alltagsgeschäft aus, was wir nicht akzeptieren konnten“, so Bolton. „Ein Präsident darf die legitime Macht der Regierung nicht missbrauchen, indem er seine persönlichen Interessen mit den Interessen des Landes gleichsetzt ...“.
Was sagt bolton zur Ukraine-Affäre?
Zur Frage, ob Trumps Handeln in der Ukraine-Affäre zu einer Amtsenthebung hätte führen sollen, nehme Bolton nicht eindeutig Stellung, schrieb die „Washington Post“. Er lasse aber keinen Zweifel daran, dass er Trumps Vorgehen für politisch motiviert und falsch halte. „Ich dachte, die ganze Angelegenheit war schlechte Politik, juristisch fragwürdig und für einen Präsidenten inakzeptables Verhalten“, zitierte das Blatt aus Boltons Buch. Der Präsident habe sich von „Verschwörungstheorien“ beeinflussen lassen. Trump war in der Affäre vorgeworfen worden, bereits vom Kongress bewilligte Militärhilfen für die Ukraine zurückzuhalten, um Kiew zu Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden zu drängen. Das Repräsentantenhaus wollte Trump des Amtes entheben, der von Republikanern kontrollierte Senat sprach Trump Anfang Februar frei.
Die Vorgeschichte
Trump hatte den Republikaner Bolton wegen Meinungsverschiedenheiten im September geschasst. Bolton sagte, er habe gekündigt, Trump hingegen will ihn rausgeschmissen haben. Bolton sagte damals, er werde seine Sicht auf die Dinge zu gegebener Zeit darlegen. Anfang des Jahres weigerte er sich, im Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einer Aufforderungen der Demokraten nachzukommen und vor dem Repräsentantenhaus auszusagen. Kritiker werfen ihm vor, auf diese Weise möglichst viel Profit aus seinem Buch schlagen zu wollen.
Weltpolitische Wissenslücken
Bolton, der eineinhalb Jahre lang eng mit Trump zusammengearbeitet hatte, warf dem Präsidenten auch vor, seine Außenpolitik basiere häufig auf Bauchgefühl und Unwissenheit. So habe Trump etwa nicht gewusst, dass Großbritannien eine Atommacht sei und einmal gefragt, ob Finnland zu Russland gehöre, wie Bolton der „New York Times“ zufolge schreibt. Zudem soll Trump einen Nato-Austritt ernsthaft erwogen und eine Invasion in Venezuela als „cool“ bezeichnet haben. Trump sei nicht nur „unberechenbar“, sondern auch „erstaunlich uninformiert“, zitierte die „Washington Post“ aus dem Buch.
Kaum Interesse an Menschenrechten
Bolton beschreibt, wie Trump bei einem Treffen Xi gesagt habe, dieser sei „die tollste Führungsperson der chinesischen Geschichte“. Die Lage der Menschenrechte in China - etwa die Demokratiebewegung in Hongkong oder die unterdrückte muslimische Minderheit der Uiguren - hätten Trump demnach nicht interessiert. Trump soll Xi zur weiteren Unterdrückung und Internierung der Uiguren in Umerziehungslagern ermuntert haben. „Das ist nicht wahr“, erwiderte Trump im „Wall Street Journal“ in der Nacht zum Donnerstag. Er verwies darauf, dass er das zuvor vom Kongress beschlossene Sanktionsgesetz unterzeichnet hatte, mit dem China für die Verfolgung der Uiguren bestraft werden soll. „Ich hätte das sehr leicht abschmettern können“, sagte Trump demnach.
Weitere Details aus dem Buch
Bolton beschreibt der „Washington Post“ zufolge ein Treffen im Sommer 2019, bei dem Trump gesagt habe, Journalisten sollten inhaftiert werden, damit sie ihre Quellen preisgeben. „Diese Menschen sollten hingerichtet werden. Sie sind Mistkerle“, habe Trump gesagt. Trump soll Xi auch gesagt haben, dass die Amerikaner eine Verfassungsänderung wollen, damit er länger Präsident bleiben könne, schrieb das Blatt unter Bezug auf Boltons Buch. Nach der US-Verfassung sind lediglich zwei Amtszeiten zulässig.
Weißes Haus will Veröffentlichung verhindern
Die US-Regierung hatte am Dienstag eine Klage gegen die für den 23. Juni geplante Veröffentlichung des Buchs eingereicht. Bolton verbreite geheime Informationen und gefährde damit auch die nationale Sicherheit, hieß es zur Begründung. Bolton habe rund zwei Millionen Dollar (1,78 Millionen Euro) für das Buch erhalten, hieß es weiter. Der Verlag Simon & Schuster kritisierte die Klage scharf und sprach von Bemühungen, unliebsame Informationen zu unterdrücken. Auch das US-Justizministerium will die Veröffentlichung des Buches vorläufig stoppen. In dem Antrag auf eine entsprechende einstweilige Verfügung beim zuständigen Gericht in Washington vom Mittwoch heißt es, ein Erscheinen würde die nationale Sicherheit der USA gefährden. Das Ministerium beantragte eine Anhörung am Freitag. (dpa)