EuskirchenDer Schreck sitzt immer noch tief
Euskirchen – Einen Monat ist es genau her, dass die verheerende Detonation einer Luftmine aus dem Zweiten Weltkrieg auf einem Gelände an der Alfred-Nobel-Straße einen Baggerfahrer in den Tod riss, etliche Menschen verletzte und an zahlreichen Gebäuden in der Innenstadt und dem anliegenden Gewerbegebiet Schäden in Millionenhöhe verursachte.
Wie hoch der Gesamtsachschaden ist, kann man immer noch nicht genau beziffern. Viele betroffene Firmen haben noch keinen abschließenden Bescheid von ihren Versicherungen, die die Schäden größtenteils übernehmen. Bei manch einem stehen noch Gutachten aus, die Mühlen der Bürokratie mahlen auch hier langsam.
Hoher Sachschaden
„Wir haben aber bereits Angebote von Handwerkerfirmen eingeholt; die hintere Wand einer Halle, das Dach einer zweiten Halle sowie die Tore müssen komplett erneuert werden“, sagt Hermann Blatzheim. Die Druckwelle hatte an seinem Firmengebäude an der Gottlieb-Daimler-Straße eine Mauer samt vergitterter Fenster und Rolltor nach außen gedrückt, die Fassade weist tiefe Risse auf. Glücklicherweise kann man die Gebäude sanieren. „Aber es wird sicherlich Mai werden, ehe alle Schäden hier beseitigt sind“, so Blatzheim, der auf die endgültige Freigabe seiner Gebäudeversicherung wartet, um loslegen zu können.
Oliver Hannewald von der Getränkefirma Hutter, ebenfalls an der Gottlieb-Daimler-Straße gelegen, lag mit seiner ersten Schätzung des Schadens unmittelbar nach dem Unglück richtig: Eine halbe Million Euro wird es etwa kosten, die stark beschädigte Lagerhalle und das angrenzende Bürogebäude zu sanieren. Durch die Explosion waren nicht nur sämtlich Fenster und Rahmen zerstört worden. Die massiven Deckenbalken in der Halle zeigten tiefe Risse auf, im Bürogebäude stand keine Wand mehr, wo sie zuvor war, und die Decken waren ebenfalls alle kaputt. Mittlerweile ist dort ein Rohbau mit nackten Wänden, alles wird komplett neu gemacht. „Bei allem Negativem muss man auch das Positive sehen – es wird sicherlich schön, wenn alles fertig ist“, sagt der Unternehmer.
Seine Versicherung hat ebenfalls zugesagt, den Schaden zu übernehmen. Zeit und Nerven, die das Unglück bislang gekostet hat, lassen sich natürlich kaum in Geld aufwiegen. „Seit einem Monat bin ich jedes Wochenende hier und arbeite“, sagt Hannewald. Auf dem Hof steht ein großes Zelt, dass der Unternehmer geliehen hat, um dort Dinge aus der Halle unterzubringen.
Seit einem Monat bin ich jedes Wochenende hier und arbeite.
Seit einem Monat wird ständig hin und her geräumt – zum Beispiel das Büro der Firma. Um die Räume im Obergeschoss sanieren zu können, mussten die Möbel eingelagert und sämtliche Akten und Unterlagen in Kisten verpackt werden. Sie wandern nun ins Erdgeschoss, wo vorher Lagerräume waren. „Und wenn oben alles fertig ist, muss wieder alles verpackt und geschleppt werden. Wir packen alles drei Mal an“, sagt Hannewald.
Die Sanierung der großen Halle, die einen neuen Dachstuhl samt Eindeckung braucht, erfordert die komplette Räumung aller Materialien, die in Hochregalen dort gelagert sind. „Das kommt dann alles ins Zelt und in die Firmenlastwagen – es ist in der Tat eine größere logistische Angelegenheit“, scherzt Hannewald. Dennoch ist der Unternehmer froh, dass kein finanzieller Schaden für ihn bleibt, die Abwicklung verlief weitestgehend reibungslos.
Nur mit der Inhaltsversicherung, eine Art Hausratversicherung für Firmen, gab es Reibereien: Am Freitag des Unglücks habe er die Versicherung umgehend informiert und sich mündlich zusagen lassen, dass die Kosten für einen Wachschutz für das Wochenende übernommen werden. Am Montag hieß es dann, dies sei laut Vertrag nicht gedeckt. „Ich habe dann gefragt, ob ich allen Ernstes einfach hätte nach Hause fahren sollen. Da hieß es, das wäre dann grob fahrlässig gewesen und auch nicht gedeckt.“ Hannewald winkt ab: „Wir werden uns da sicher noch einig werden.“
Nebenan im Kfz-Sachverständigenbüro von Hermann-Josef Pick haben die Handwerker noch nicht beginnen können. „Erst heute war wieder ein Sachverständiger da. Eine genaue Schadenshöhe wissen wir noch nicht“, erklärt Hannelore Haubrich-Pick. Vermutlich lege sie aber nicht unter 100 000 Euro. Auch sie glaubt, dass die gesamte Abwicklung samt aller Reparaturen ein gutes halbes Jahr in Anspruch nehmen wird.
Die ersten Nächte nach dem Unglück habe ihr Mann in den Firmenräumen geschlafen, erzählt die Unternehmergattin. Ob sie geschäftliche Einbußen erlitten hätten? „Nun, mein Mann konnte in den ersten Tagen nicht so viele Termine wahrnehmen, aber in erster Linie freuen wir uns, dass wir so viel Glück gehabt haben.“
Das Fenster an dem Schreibtisch, an dem Hannelore Haubrich-Pick sitzt, wurde durch die massive Druckwelle in Tausende Glassplitter zersprengt. „Ich war nur kurz am Faxgerät, sonst hätte ich sicher was abbekommen.“ Der Schreck sitzt ihr und ihrem Mann noch immer den Knochen. „Ich hätte gedacht, dass man das schneller wegsteckt. Aber laute, dumpfe Geräusche lassen uns noch immer zusammenzucken. Vor allem freitagmittags.“