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Günter Wallraff wird 80Undercover-Journalist spricht über Alter, Tod und neue Rolle

Lesezeit 12 Minuten
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Günter Wallraff

  1. Im Gespräch blickt Wallraff zurück auf seine Rollen und verrät Zukunftspläne
  2. Nach einem Zusammenbruch vor einigen Monaten habe er nicht damit gerechnet, 80 zu werden
  3. Der Tod sei ihm Freund und ständiger Begleiter - er habe ihn in seinen zum Teil gefährlichen Rollen auch gesucht

Herr Wallraff, was bedeutet Alter für Sie?Günther Wallraff: 50, 60, 70, das waren noch Schwellen. 80 zu werden, hätte ich nie für möglich gehalten. Jetzt hat mich dieses Alter eingeholt – und ich akzeptiere es, obwohl es jenseits meines Vorstellungsvermögens lag. Es gibt mittlerweile natürlich bestimmte Rollen, die mir altersbedingt nicht mehr vergönnt sind. Lange konnte ich mich jünger machen, aber irgendwann war eine Grenze erreicht. Es gibt Jüngere in meinem „Team Wallraff“ bei RTL, bei denen ich sehe, wie ernst sie das angehen und auch bereit sind, sich solchen Recherchen längerfristig aussetzen.

Sie hatten vor drei Jahren einen schweren Fahrradunfall mit einem komplizierten Trümmerbruch, vor wenigen Monaten hatten Sie einen Zusammenbruch und lagen im Krankenhaus – jetzt laufen Sie wieder durch den Garten, spielen Tischtennis, joggen sogar…

Ich trainiere wieder, wie vor dem Unfall, mehrmals wöchentlich, doch früher war mein Training oft ein Wettkampf gegen mich selbst. Ich lief den Marathon in zwei Stunden 50, verdammt lang her. Heute trainiere ich notgedrungen insgesamt weniger leistungsbetont und jogge meistens spät abends, weil ich inzwischen so langsam laufe, dass das nicht jeder sehen muss. Am liebsten laufe ich am Friedhof Melaten, da ist eine wunderbar friedliche Stimmung.

„Ewige Ruhe noch lange genug vergönnt“

Sie waren gerade mit der Sendung „Team Wallraff“ wieder mal für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Warum machen Sie eigentlich immer weiter?

Ich tu’, was ich nicht lassen kann. Die ewige Ruhe ist uns noch lange genug vergönnt! Ich bin von Natur aus ein eher unruhiger Mensch. Wäre ich ruhiger, würde ich meditieren. Als junger Erwachsener habe ich sogar darüber nachgedacht, als Weltflucht in ein Kloster einzutreten. Die Trappisten haben mir imponiert – die schliefen damals noch in ihren eigenen Särgen. Aber da ich nicht gläubig bin, war das kein Weg für mich. Mich erreichen täglich Mails und Anrufe, oft Hilferufe, in denen mir von sozialen und wirtschaftlichen Missständen berichtet wird. Dem kann ich mich nicht entziehen. Ich kann nicht einfach sagen: Ich bin überfordert, kann ich nichts machen. Kann ich ja manchmal doch noch.

Lesung in Köln

Günter Wallraff tritt bei der lit.Spezial in Köln am 9. Oktober um 17 Uhr im WDR-Funkhaus auf: „Die Zukunft des investigativen Journalismus – Günter Wallraff trifft Mely Kiyak und Georg Restle“ heißt der Abend, für den es noch Karten gibt. Weitere Informationen und Karten gibt es hier.

Also arbeiten Sie, bis Sie irgendwann umfallen?

„Leben als ob es der letzte Tag sei und trotzdem nicht anders leben“, habe ich als 18-Jähriger in mein Tagebuch geschrieben. Das ist natürlich nur als Annäherung möglich …Solange es geht, möchte ich mich nützlich machen. Dazu gehört, auch jenseits meiner Veröffentlichungen Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen.

Günter Wallraff fordert Nobelpreis für Assange und Nawalny

Bei Ihrer Initiative für Julian Assange wandten Sie sich offensiv und immer wieder an die Öffentlichkeit.

Julian Assange hat Kriegsverbrechen der USA öffentlich gemacht. Er war es, der 2010 die Kriegsverbrechen das USA im Irak und Afghanistan offenlegte: Tausendfache Folter und schon zu diesem Zeitpunkt mehr als 15.000 zusätzlich von der US-Armee getötete Zivilisten, als offiziell bekannt war. Er offenbarte das sogenannte „collateral murder“ Video: US-Soldaten massakrieren aus einem Hubschrauber heraus in Bagdad Menschen und feuern sich gegenseitig an, als wäre das Ganze ein Videospiel. Die Mörder wurden nie vor Gericht gestellt, aber Assange wegen Spionage angeklagt, bei einer Höchststrafe von 175 Jahren.

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Also ergriffen Sie Partei für ihn - weil mit seiner Verurteilung die Fundamente von Demokratie und Meinungsfreiheit auf dem Spiel stehen - und erstaunlich wenig berichtet wurde...

Vor der Solidaritäts-Aktion wurde Julian Assange und sein Einsatz auch in Deutschland weitgehend ignoriert oder kritisch gesehen. Deshalb kontaktierte ich Ende 2019 Gerhart Baum, von 1978 bis 1982 Bundesinnenminister, der sich seit jeher für Menschenrechte einsetzt und den ehemaligen Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. Beide konnte ich für ein Engagement für Julian Assange überzeugen. Zusammen haben wir im Rahmen der Bundespressekonferenz das Schicksal von Assange wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Zeitgleich habe ich eine ganzseitige Anzeige in einer großen deutschen Zeitung geschaltet. Den Appell haben weit über hundert Personen des öffentlichen Lebens aus Politik, Kultur und Medien unterzeichnet, etwa Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die heutigen Bundesminister Robert Habeck, Cem Özdemir und Karl Lauterbach, aber auch acht ehemalige Bundesministerinnen und -minister. Im Sommer 2021 habe ich einen Brief an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben, dem sich 120 prominente Unterstützer anschlossen, und sie anlässlich ihres Besuchs bei US-Präsident Biden aufgefordert, den Fall von Assange zur Sprache zu bringen.

Warum setzen Sie sich so stark für Assange ein?

Ich fühle mich Menschen verbunden, die als Inbegriff des Bösen und Verwerflichen hingestellt werden, die vernichtet werden sollen, an denen Rufmord im wortwörtlichen Sinne praktiziert wird. Seit zwölf Jahren muss Assange Verfolgung erdulden und ist psychischer Folter ausgesetzt, so der damalige UN-Beauftragte Nils Melzer. Wenn dann noch der mächtigste Geheimdienst der Welt, die CIA, gezielte Desinformation betreibt, und einen Straftäter als Kronzeugen zu Falschaussagen erpresst. Sein Fall – wie aus einem Lehrbuch für Geheimdienste entsprungen. Das Verfahren gegen ihn wegen eines vermeintlichen Fehlverhaltens ist längst eingestellt worden – doch die öffentliche Meinung wurde weiter manipuliert. So wurde er zur Unperson, zum Aussätzigen, zum egozentrischen Dämon, zum Monster fabriziert. Für mich ist Julian Assange genauso wie Alexei Nawalny ein Mensch, der sich mit seinem Leben für Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte einsetzt. Mein Vorschlag: ihnen gemeinsam den Friedensnobelpreis zu verleihen. Das wäre ein wichtiges politisches Signal. Sie sind zwei der wichtigsten politischen Oppositionellen überhaupt – zentrale Pole in ihren jeweiligen Systemen, an denen sich zeigt, wie diktatorische Regime, aber auch Demokratien wie die USA zurückschlagen, wenn unangenehme Wahrheiten ans Licht kommen.

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Tischtennis ist sein größtes Hobby.

Die Bundesregierung misst dem Fall keine Priorität bei. Warum?

Noch als Bundestagsabgeordnete hat Annalena Baerbock vor etwa einem Jahr die „sofortige Freilassung“ von Julian Assange gefordert, als Bundesaußenministerin schwieg sie zunächst beharrlich um dann zu erklären: „Die Bundesregierung hat keinen Anlass, an der Rechtstaatlichkeit, des Verfahrens und des Vorgehens der britischen Justiz zu zweifeln.“ Als Alexei Nawalny in Russland verhaftet wurde, hallte völlig zu Recht ein Aufschrei durch Politik und Medien hierzulande.

Wallraff: Bereit, sein Leben aufs Spiel zu setzen

Ist Ihre Arbeit eigentlich auch eine Ablenkung vor der Endlichkeit? Anders gefragt: Haben Sie Angst vor dem Tod?

So lange wir da sind, ist er nicht und wenn er da ist, sind wir nicht mehr, sagte schon Epikur. Für mich ist der Tod Freund und ständiger Begleiter. Die direkte Konfrontation mit dem Tod hat sicher auch mit meiner Kindheit zu tun, als die erstickende Dunstglocke des Nationalsozialismus nach dem Krieg weiter über Deutschland waberte. Viele Nazis kamen in Führungsämter, es herrschten Sterilität, Gehorsam, Kumpanei und beredtes Schweigen. In der Schule gab es einen jüdischen Mitschüler, der sich nicht traute, über die Verfolgung seiner Familie zu sprechen. Ich identifizierte mich recht früh mit den französischen Existentialisten, wollte autonom und eigenverantwortlich sein. Risiko spielte immer eine Rolle. Es kann vorkommen, dass ich mich mit etwas so identifiziere, dass ich alles riskiere. Und unter Umständen auch bereit bin, mein Leben auf‘s Spiel zu setzen.

Wann waren Sie während Ihrer Arbeit in Lebensgefahr?

Vor allem bei der Griechenland-Aktion. Um auf das Schicksal politischer Gefangener aufmerksam zu machen, die während der Militärdiktatur in Griechenland als verschollen galten und um die Zustände im Land stärker ins Bewusstsein zu bringen, begab ich mich 1974 nach Athen. Ich kettete mich auf dem Syntagma-Platz vor dem weggeputschten Parlament an einen Lichtmast und begann, Flugblätter zu verteilen. Sofort waren Geheimpolizisten da und schlugen mich noch an Ort und Stelle zusammen. Weil man mit allem rechnen musste, hatte ich zuvor ein Testament verfasst. In den Verhören wurde ich gefoltert. Ich wurde zu 14 Monaten verurteilt, doch nach 77 Tagen brach das Regime zusammen und ich kam frei.

Rolle bei der „Bild“-Zeitung war die schlimmste

Welche Rolle hat sie am meisten verfolgt?

Das war die Rolle bei der Bild-Zeitung, die hat mich psychisch nachhaltig beschädigt. Das war meine gröbste Schmutzrolle. Sie mussten ständig liefern, mussten Geschichten aufbauschen oder erfinden. Ich habe mich bestimmten Sachen verweigert oder habe sie unterlaufen. Wenn Kinder Opfer eines Sexualmordes wurden und die Eltern nicht bereit waren, einem Reporter der „Bild“ ein Foto ihres Kindes herauszugeben. Dann hörten die Eltern den Standardsatz: „Wenn Sie uns das Foto nicht freiwillig geben, wir haben auch Fotos aus dem Leichenschauhaus, und das sieht dann gar nicht so gut aus.“ Ich habe in solchen Fällen den Eltern geraten, kein Foto herauszugeben und mich bitte nicht zu verraten. Man durfte die „Bild“ damals aufgrund meiner Beweisführung in drei Büchern „professionelle Fälscherwerkstatt“ oder „Zentralorgan des Rufmords“ nennen: Zu recht.

Wie haben Sie die jahrelangen Kampagnen und Prozesse von Springer gegen Sie weggesteckt?

Die Prozesse waren sehr mühselig. Ich hatte gute Anwälte, allein der „Bild”-Prozess hat mich zwischenzeitig 250.000 Mark gekostet. Im Nachhinein wurde durch die Prozesse noch mehr Aufmerksamkeit auf die Themen gelenkt.Infolge des „Bild“-Prozesses gab es auch ein Grundsatzurteil, dass für Journalisten bis heute Undercover-Recherchen ermöglicht …Meine Methode wurde in oberster Instanz vom BGH und Bundesverfassungsgericht nicht nur gebilligt, sondern als grundsätzliche Notwendigkeit anerkannt.

Lex Wallraff nach Prozess der Boulevardzeitung

Es gilt seitdem das so genannte „Lex Wallraff“, in dem es heißt: Wenn es um gravierende Missstände geht, hat die Öffentlichkeit ein Recht, darüber informiert zu werden, auch wenn dies unter Identitätswechsel oder Täuschung zustande gekommen ist.

Inzwischen gibt es auch andere Kollegen, die davon Gebrauch machen und juristisch dadurch abgesichert sind. Infolgedessen ist überhaupt mein Format „Team Wallraff“ bei RTL möglich, wo Kolleginnen und Kollegen regelmäßig undercover recherchieren.

Sie waren der türkische Gastarbeiter Ali, als Hans Esser bei der Bild-Zeitung, haben im Obdachlosen-Asyl gelebt, waren Dienst- und Paketbote, Napalm-Produzent, Mönch, Waffenschieber, Callcenter-Mitarbeiter, Schwarzer und vieles mehr. Welche Rolle fehlt noch?

Ich habe noch was vor. Zwei Jahre – vielleicht auch drei Jahre brauche ich noch. Die lebe ich sehr bewusst, um das noch zu erreichen. Und wenn es ein Jahr ist, dann muss ich mich beeilen. Ich bereite noch eine neue Rolle vor und hoffe, dass es gelingt! Zur Zeit schreibe ich an meiner Autobiografie.

Vor ein paar Wochen hat der Ravensburger Verlag Winnetou-Bücher, die zum Start eines Films erscheinen sollten, zurückgezogen. Sie haben sich immer mit so genannten Indianern identifiziert. Genauso mit Schwarzen, die heute „People of Color“ genannt werden. Da haben Sie auch Kritikerfahren. Wären einige Ihrer Rollen angesichts der Debatten um kulturelle Aneignung, die immer grundsätzlicher geführt werden, heute noch möglich?

Da gibt es selbsternannte Chefidelog:innen und Dogmatiker:innen, die am liebsten ein Berufsverbot verhängen würden! (lacht) Zumal es mir ja nicht allein um die Aufdeckung von Missständen ging, sondern immer auch um Selbsterfahrung durch Identifikation mit Ausgestoßenen, am Rande der Gesellschaft Lebenden.

Kritik an Rolle als Schwarzer nennt Wallraff „teilweise vordergründig“

Würden Sie nochmal in die Rolle als Schwarzer schlüpfen, um auf die Benachteiligung von „People of Color“ aufmerksam zu machen? Ihnen wurde Blackfacing und kulturelle Identitätsaneignung vorgeworfen…

Die Kritik daran war teilweise vordergründig. Ein Hauptargument war: So sehe kein richtiger Schwarzer aus. Aber wie hat denn ein „echter“ Schwarzer auszusehen? Oder wie ein „echter“ Weißer? Ich habe auch in einem Asylbewerberheim in München übernachtet, da sagte mein Zimmernachbar aus Somalia: Du siehst aus wie mein Onkel.

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Beim Gespräch kurz vor seinem 80.

Es geht mir nicht allein um die Aufdeckung von Missständen, sondern immer auch um Selbsterfahrung durch Identifikation mit Ausgegrenzten und Unterdrückten. Mich hatte damals ein Freund beraten, Mouctar Bah, das war der beste Freund von Oury Jalloh, der in einer Polizeizelle in Dessau verbrannt wurde. Ich habe mehr als 100 Zuschriften von hier lebenden Schwarzen bekommen, die das ähnlich oder schlimmer erlebten und sich darin wiedererkannt haben: ‚Endlich macht das mal jemand! Uns glaubt man ja nicht.‘ Als der Film „Schwarz auf weiß“ in den USA gezeigt wurde, erhielt er auf einem der wichtigsten Filmfestivals in New York den ersten Preis in der Sparte Dokumentarfilm.Was denken Sie, wenn heute von „alten weißen Männern“ die Rede ist?

Die Zuschreibung hat etwas überheblich-Abwertendes und Aggressives. Ich spreche lieber mit „alten, weisen Männern“, zu denen ich aber definitiv nicht gehöre. Ich bin zu unfertig und nicht abgeklärt. Ich kenne einige alte weise Männer, Gerhart Baum, der frühere Innenminister, zum Beispiel, der sich vorbildlich für Menschenrechte und eine liberale Demokratie einsetzt. Baum hat gerade erst eine Einigung mit den Opfer-Familien des Olympia-Attentats von 1972 erreicht.

Identitätspolitik schaffe neue Gräben

Wie stehen Sie zur Identitätspolitik?

Das Grundanliegen ist im Prinzip berechtigt und überfällig. Doch es gibt momentan bestimmte Lager, die sich im Besitz der reinen, der absoluten Wahrheit wähnen und keine Differenzierungen mehr zulassen – sie schaffen dadurch oft neue Gräben und Grenzen. Hier werden gesellschaftliche Strömungen totalitär und verselbständigen sich zum Dogma. Wenn wir uns nicht mehr hinterfragen und offen und angstfrei verständigen können, sind wir als Gesellschaft gelähmt. Mir ist das Freund-Feind-Denken fremd, weil ich glaube, dass es am Ende eher die radikalen Ränder stärkt.

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Wem haben Sie sich zugehörig gefühlt?

Dem Establishment sicherlich nicht. Als Kind war Till Eulenspiegel ein Held für mich und auch später – in meinen Rollen – hat mir immer wieder mal Schwejk über die Schulter geschaut. Aber um sich dummzustellen, darf man nicht ganz blöd sein. Dem Narr sagt man die Wahrheit.

Träumen Sie noch immer manchmal vom Fliegen?

Ja, nur leider viel zu selten. Träume vom Fliegen sind meistens befreiende Träume: Ich breite die Arme oder Flügel aus, steige auf und fliege über Städte und Landschaften. Die Untenstehenden blicken gen Himmel und ich rufe: „Seht her, ich habe die Schwerkraft überwunden! Versuchts auch!“ Aber sie tun nichts dergleichen.

Traumatische Erfahrung in der Kindheit

Sie haben mal erzählt, dass Sie auch oft Albträume haben. Immer noch?

In letzter Zeit durchlebe ich, wenn ich nachts nicht schlafen kann, vermehrt vieles, was unbewältigt, unerledigt ist. Versäumnisse, Verletzungen, eigenes Versagen. Vielleicht liegt es an einer traumatischen Erfahrung: Meine Mutter lag nach meiner Geburt mit Kindbettfieber und lag einige Wochen im Koma. Als sie erwachte, erkannte sie mich nicht wieder. Einige Jahre später brachte sie mich aus wirtschaftlicher Not in ein Kinderheim. Die Szene habe ich noch heute wie im Film vor Augen: Ich betrete das Heim an der Hand meiner Mutter, dann ist sie plötzlich verschwunden. Die Nonnen nehmen mir meine Kleidung ab und stecken mich in Anstaltskleider. Es fühlt sich so an, als nähmen sie mir meine Identität. Vielleicht habe ich sie dann in meinen jeweiligen Rollen gesucht und gefunden.