Kein flächendeckender Plagiats-Check an Universitäten
Frankfurt/Main. Wenn es ums Abschreiben geht, ist das Internet Fluch und Segen zugleich: Es ist leichter geworden, Textstellen für eine wissenschaftliche Arbeit zu finden und kopieren - ohne die Quelle zu nennen. Doch es ist auch einfacher geworden, solche Betrugsversuche zu enttarnen. Viele Hersteller bieten inzwischen Plagiatserkennungs-Software an. An den hessischen Hochschulen werden sie bislang aber nicht flächendeckend eingesetzt, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab. Die meisten Unis investieren lieber in Prävention. Sie verteilen Infomaterial, lassen Selbstverpflichtungserklärungen unterzeichnen oder richten Ombudsstellen ein.
An der Goethe-Universität FRANKFURT wird Plagiatssoftware in großen Fachbereichen wie Rechtswissenschaft seit Jahren genutzt. Von einer flächendeckenden Einführung solcher Technik hält die Goethe-Uni nichts. «Gute Wissenschaft basiert stets auf einem Vertrauensverhältnis», argumentierte Sprecher Olaf Kaltenborn. An Hessens größter Hochschule wurde aber die Rahmenpromotionsordnung geändert: Wer einen Doktortitel erwerben will, muss eine Selbstverpflichtungserklärung abgeben und darin versichern, «sich an die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis zu halten». Plagiatsfälle gab es an der Goethe-Universität in den letzten Jahren nicht.
An der Justus-Liebig-Universität GIESSEN bekommen ab dem nächsten Wintersemester alle Studierenden bei der Einschreibung - gegen Unterschrift - ein Merkblatt. In dem Flyer werden die Grundsätze beim Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten erläutert, auch das Thema Plagiate wird dort behandelt. Die Uni Gießen habe verschiedene Typen von Erkennungs-Software getestet und sich inzwischen auch für einen Hersteller entschieden, berichtete Sprecherin Caroline Link. Wo genau und in welchem Umfang diese Software eingesetzt wird, ist noch nicht entschieden. Anfang 2012 gab es in Gießen einen Plagiatsfall, das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
An der Universität KASSEL gibt es schon seit 2011 eine «Untersuchungskommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis», die über Verdachtsfälle berät. Darüber hinaus stehen zwei Vertrauenspersonen zur Verfügung, an die sich Hochschulangehörige wenden können, wenn sie einen Kollegen im Verdacht haben, unsauber zitiert zu haben. Wie mit der Gefahr von Plagiaten umgegangen werde, liege «weitestgehend in der Verantwortung der Fachbereiche», sagte Sprecher Karl Guido Rijkhoek. Die Studiendekane hätten sich gegen eine uniweite Lösung ausgesprochen, unter anderem, weil sich viele Softwarelösungen in Tests nicht bewährt hätten. Ob es 2012 Betrugsfälle in Kassel gab, konnte der Sprecher nicht sagen.
Die Philipps-Universität MARBURG checkt alle Arbeiten «im Zuge der Prüfungsbewertung», wie Sprecherin Gabriele Neumann erklärte. Dabei kämen hin und wieder auch technische Hilfsmittel zum Einsatz, «zum Beispiel Googlen». Plagiatserkennungs-Software jedoch werde in Marburg nicht benutzt. «Es gibt zwar eine Vielzahl von Produkten, aber auch eine Vielzahl von Problemen, die damit verbunden sind», etwa bei Zuverlässigkeit oder Datenschutz. 2012 gab es in Marburg zwei neue Verdachtsfälle, die aktuell noch geprüft werden. In den vergangenen zehn Jahren wurden vier Doktortitel entzogen.
Auch an der Technischen Universität DARMSTADT wurde keine zentrale Software angeschafft. «Wir sind der Auffassung, dass man nicht technisch aufrüsten sollte, um die Misstrauenskultur zu befördern», sagte Sprecher Jörg Feuck. «Wir wollen den umgekehrten Weg gehen und für ein sauberes Arbeiten und ein Klima des Vertrauens werben.» Die ingenieurswissenschaftlichen Studiengänge in Darmstadt seien ohnehin weniger gefährdet. Für die Abschlussarbeit müssten die Studierenden eigene Versuche oder Messreihen machen, «da kann man gar nicht abpinnen». In Darmstadt gab es 2012 keinen entsprechenden Fall.
Seit prominente Plagiatoren am Pranger standen, seien die Hochschulen aufmerksamer geworden, sagen viele. Die Erkenntnis, dass man mit einem Plagiat noch nach vielen Jahren auffliegen könne, habe durchaus «einen abschreckenden Effekt», glaubt nicht nur der Sprecher der Universität Frankfurt, Olaf Kaltenborn. «Gewiss hat sich auch die Sensibilität von Wissenschaftlern, aber auch Studierenden diesem Thema gegenüber deutlich erhöht.» (dpa/lhe)