Precht bei „Markus Lanz“Beim Thema Ukraine geraten Moderator und Philosoph aneinander
Köln – Ob Klimawandel oder Ukraine-Krieg – Richard David Precht hat zu fast jedem Thema etwas zu sagen. So auch am Dienstagabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Am Dienstagabend war der Autor und Philosoph als einziger Gast in die Talkshow geladen – und sorgte mit seinem Auftritt prompt für hitzige Reaktionen in den sozialen Netzwerken.
Zunächst blickten Lanz und Precht, die zusammen einen Podcast betreiben und diesen nun kurzerhand ins ZDF verlagerten, auf den Klimawandel. „Die Industrienationen blasen das CO2 in die Welt“, stellte Precht fest. „Unsere Lebensweise ist in gewisser Hinsicht ein Genozid an der Bevölkerung in Afrika“, so der Philosoph. Es gebe Regionen, wo „ganze Volksgruppen keinerlei Überlebensperspektive“ mehr hätten. Deshalb sei Afrika die „große außenpolitische Herausforderung“.
Richard David Precht beklagt CO2-Austoß, fliegt jedoch gerne nach Afrika
Dass Precht nur wenige Sätze später erklärte, er reise oft und gerne nach Afrika, sorgte unterdessen bereits für die ersten kritischen Reaktionen – kurz zuvor hatte der Philosoph schließlich noch den CO2-Austoß der Industrienationen beklagt. „Der wahre Irrsinn ist, wenn sich Lanz und Precht über den Weltuntergang wegen des Klimawandels einig sind und die Menschheit zur Mäßigung und Verzicht aufrufen und dabei über ihre Liebe zu Fernreisen und regelmäßige Afrikatrips schwelgen“, kommentierte ein Twitter-Nutzer spitzzüngig und erhielt dafür viel Zustimmung.
„Man darf nicht vergessen, es verhungern 25.000 Menschen pro Tag – und davon die allermeisten in Afrika“, behauptete Precht. Lanz fragte nach. „Das ist eine gesicherte Zahl“, versicherte der Philosoph und fuhr fort: „Im Ukraine-Krieg sind bisher 40.000, 50.000, 60.000 Menschen gestorben.“ Als „zynisch“ wollte Precht diesen Vergleich jedoch nicht verstanden wissen. Es sei aber der Grund, warum afrikanische Staaten die Sanktionen gegen Russland nicht mittragen wollten. Zudem tobten in Afrika mehrere Kriege, für die es in Europa wenig Interesse gebe.
Richard David Precht kritisiert Ukraine-Berichterstattung – Markus Lanz hält dagegen
„Man könnte uns aus deren Perspektive einen gewissen Rassismus statt Humanismus nachsagen“, führte Precht aus. Auch dass Länder wie Indien eher Russland die Treue halten, als sich an westlichen Sanktionen zu beteiligen, sei historisch nachvollziehbar, erklärte der Philosoph. Dennoch sei er „ganz sicher, dass wir moralisch auf der richtigen Seite stehen“. Europa müsse jedoch über sein „moralisches Sendungsbewusstsein“ nachdenken, erklärte Precht und wendete den Blick nach Afghanistan – dort sei im Endeffekt kaum etwas erreicht worden, die Situation für die Bevölkerung nun genauso schlimm wie vor dem westlichen Militäreinsatz.
Dann wendeten sich Lanz und Precht schließlich der Ukraine zu. „Es darf in einer pluralen Demokratie nicht passieren, dass die veröffentlichte Meinung so weit von der öffentlichen Meinung abweicht“, kritisierte Precht zunächst die Berichterstattung der deutschen Medien zum Ukraine-Krieg. Es seien viel mehr Menschen gegen Waffenlieferungen als es in den Medien sichtbar werde und er sei sich sicher, das auch mit Zahlen belegen zu können, versicherte Precht, ohne derartige Zahlen vorzulegen.
Markus Lanz: „Der Krieg ist eine ganz einfache Sache: Gut gegen Böse“
Schließlich erklärte Precht erneut die Motivation hinter den offenen Briefen und Appellen, die deutsche Prominente in den letzten Wochen an die Bundesregierung gerichtet hatten. Auch Precht hatte diese unterschrieben und einen sofortigen Waffenstillstand gefordert, ohne zu erklären, wie dieser angesichts der nicht vorhandenen Verhandlungsbereitschaft Moskaus erreicht werden solle. Außenministerin Annalena Baerbock hatte die Wortmeldungen jüngst scharf kritisiert. „Als Ukrainer empfände ich den Brief als naiv, verstörend, überheblich“, sagte sie.
Überzeugen konnte der Philosoph auch Moderator Markus Lanz nicht. „Der Krieg ist eine ganz einfache Sache: Gut gegen Böse. Und unsere Antwort, die wir geben müssen, ist, auf welcher Seite wollen wir stehen“, führte Lanz aus. „Wir müssen dafür sorgen, dass sich Krieg nicht lohnt.“ Keine Waffen mehr zu liefern, sende jedoch das gegenteilige Signal, so Lanz.
Markus Lanz kontert Richard David Precht: „Nicht wir richten dort Unheil an, sondern Wladimir Putin“
Precht gab jedoch nicht klein bei: Die Ukraine habe militärisch ohnehin keine echte Chance, erklärte der Philosoph. „Es gibt keine Vorstellung davon, wie ungeheuer viele Waffen dahin geliefert werden müssten, um da überhaupt noch irgendeine Perspektive zu schaffen“, orakelte Precht. „Der Preis den wir bezahlen, wird enorm werden – und zwar ohne, dass wir am Ende dadurch etwas gewonnen haben.“ Warum „wir“, wollte Lanz wissen. Eine Antwort bekam er jedoch nicht.
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Precht erklärte stattdessen, der Krieg könne zu Millionen Toten in Afrika führen. Deshalb richte die westliche Position nur noch mehr Unheil an. Lanz war nicht einverstanden: „Das ist völlig falsch“, entgegnete der ZDF-Moderator. „Nicht wir richten dort Unheil an, sondern Wladimir Putin“, stellte Lanz fest. Die Ukrainer müssten entscheiden, bis zu welchem Punkt sie zu kämpfen bereit seien und sonst niemand. „Viele Ukrainer sind bitter enttäuscht davon, dass wir ihnen nicht ernsthaft helfen“, führte Lanz aus. Auch dass der Krieg per se nicht zu gewinnen sei, glaubt der ZDF-Moderator nicht und verwies auf die Rückeroberung der strategisch bedeutsamen Schlangeninsel.
Kritik auf Twitter: „Welzer und Precht halten sich für die Guten, sind aber Abrissbirnen der Demokratie“
„Es deutet nichts darauf hin, dass diese Träume in Erfüllung gehen“, entgegnete Precht. Die Wahrscheinlichkeit für einen ukrainischen Sieg sei deutlich geringer als andersrum. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz spreche nicht ehrlich über die Perspektiven, „denn er wird in den deutschen Massenmedien erschossen, wenn er sich da ehrlich macht“. Auch für diese Positionen gab es von Lanz und in den sozialen Netzwerken nur wenig Zustimmung.
„Welzer und Precht halten sich für die Guten, sind aber Abrissbirnen der Demokratie: Sie benutzen Querdenker-Sprache, legitimieren Verschwörungsunsinn und beschwören ein imaginäres ‚Volk‘ als Gegensatz zur Elite der Medien“, kommentierte Autor Philipp Kohlhöfer. „Wahrscheinlich merken die das nicht mal.“ Auch Filmproduzent und Grünen-Politiker Peter Heilrath fand kritische Worte für Prechts Argumentation, die ignoriere, dass Russlands Krieg gegen die Ukraine „kein lokaler Konflikt“ sei. „Tatsächlich will Russland die komplette europäische Sicherheitsordnung verändern und seine imperiale Aggression weiter ausdehnen. Darum geht es in der Ukraine.“
Ein anderer Nutzer verwies unterdessen Prechts Thesen über gleichgeschaltete Medien ins Reich der Fabeln: „Wenn man sieht, dass ständig immer wieder nur Welzer und Precht zu irgendwelchen Talkshows eingeladen werden, könnte an deren These der selbstgleichgeschalteten Medien natürlich was dran sein.“