Von wegen gratisDiese Risiken gehen Sie ein, wenn Sie kostenlose Apps nutzen
Apps sind neugierig. Manche mehr, manche weniger – dennoch sammeln die meisten Informationen über die Smartphones-Nutzer: Standort, Fotos und Kontakte sind nur einige Beispiele. Einmal installiert, laufen sie ständig mit, und kaum jemand weiß, was da wirklich im Hintergrund geschieht.
Kaum jemanden scheint das allerdings auch zu interessieren. Meist löst das Thema Apps und Datenschutz ein Schulterzucken aus. Antworten werden gefunden wie „ich habe doch nichts zu verbergen“, oder „warum sollten die sich ausgerechnet für mich interessieren“? Wer „die“ sind und warum es gar nicht darum geht, ob es etwas zu verbergen gibt, wird nebensächlich. Viel mehr wiegen Bequemlichkeit und Unterhaltung, die durch die App ins Leben kommen.
Darum sollte jeder User seine Daten schützen
„Jeder hat etwas zu verbergen“, sagt Julian Graf, Jurist bei der Verbraucherzentrale NRW. „Sonst würde man ja seinen Kontenstand öffentlich bekanntgeben und seine Krankenakte.“ Das Fatale ist, dass die Daten meist unbemerkt abgegriffen, möglicherweise verkauft werden und der Nutzer selber keinen Einfluss darauf hat, wer was von ihm erfährt, wem es in die Hände geraten könnte.
Als Nutzer weiß ich also letztendlich nicht, wer erfährt, wann ich mich wo aufhalte, was ich gerne esse, wann und wie lange ich welches Spiel spiele. Ich habe keinen Einfluss darauf, was diejenigen, bei denen die Daten ankommen, damit machen. Kochen und Spielen erscheinen harmlos, aber ist es mein Standort auch?
„In Deutschland gilt per Grundgesetz der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, nach dem jeder selber darüber bestimmen kann, was er von sich preis gibt“, sagt Graf. „Doch wer die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit einem Klick akzeptiert, stimmt häufig der Datenweitergabe zu.“ Ein Tastendruck mit weitreichenden Folgen.
Aus diesen Gründen ist das Datensammeln so problematisch
Sensible Informationen
„Auf dem Handy befinden sich häufig intime Inhalte und Informationen, die man eher ins Tagebuch schreiben würde. Persönliche Schnappschüsse und Nachrichten, vielleicht auch im Kalender gespeicherte Arzttermine, Adressen oder andere sensible Informationen“, sagt Martin Müsgens, Referent für die EU-Initiative klicksafe bei der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen.
Verknüpfung der Daten
Im Internet ist es zudem relativ leicht, die an verschiedenen Stellen gespeicherten Daten miteinander zu verknüpfen. Dabei muss nicht jeder Inhalt für sich hochsensibel sein. Aber über die Summe auch kleinerer Informationen kann sich wie bei einem Puzzle ein immer genaueres Bild von Personen zusammensetzen. „Du als Person mit deinen persönlichen Interessen und Vorlieben trittst dabei immer klarer hervor.“
Verlust der Anonymität
Auch wenn es nicht direkt spürbar ist: „Irgendwann bin ich nicht mehr anonym“, sagt Julian Graf. „Dann verbindet man die Daten mit meinem Namen. Dann kennt man meine Gesundheit. Irgendwann bekomme ich von der Krankenkasse einen anderen Tarif wegen einiger Vorlieben, die ich habe.“
Aus den Daten lässt sich auf den Lebensstil schließen. Wer ungesunde Lebensmittel kauft und häufig Auto fährt, könnte benachteiligt werden gegenüber anderen, die viel Sport treiben.
Bewegungsprofile
„Aus den GPS-Daten lassen sich detaillierte Bewegungsprofile erstellen. Mit der Handykamera können Fremde unter Umständen sehen, was ich sehe“, sagt Daniel Strunk, Pressesprecher der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. „Gerade bei Handy-Apps ist daher Transparenz von besonderer Bedeutung.“
Werden die Daten an Dritte weitergegeben? Auch grundlegende Datenschutzrechte, wie zum Beispiel Auskunfts- und Löschungsansprüche, müssen gewährleistet sein. „Von Apps, die damit ein Versteckspiel treiben, ist abzuraten.“
Verlust des Persönlichkeitsrechts
Die Folgen sind vielfältig. „Wir höhlen das Persönlichkeitsrecht aus“, gibt Julian Graf zu bedenken. Auch die Gesellschaft ist betroffen. Was bedeutet es etwa für den Solidaritätsgedanken von Versicherungen, wenn Autofahrer, die ihr Fahrverhalten beobachten lassen, günstigere Tarife erhalten?
„Es kann zu einer Entsolidarisierung unserer Gemeinschaft kommen, wenn jeder auf den eigenen Vorteil bedacht ist“, so Graf. Menschen, die nicht freiwillig ihre Daten herausrücken, könnten irgendwann einen schlechteren Tarif bei den Krankenkassen bekommen. Noch sei diese Vision eine Dystopie, aber nicht völlig abwegig.
Das können Sie gegen die Datenkraken unternehmen
- Datendiät halten
„Wir raten zur Datendiät. Geben Sie nur heraus, was absolut notwendig ist und verringern Sie so die eigenen Spuren im Netz,“ erklärt Martin Müsgens.
- Sensibel werden
Man sollte sensibel sein für Werbung. Ebenso, wenn eine Foto-App urheberrechtliche Nutzungsrechte will: „Räume ich hier entsprechende Rechte ein und kann diese App mein Foto weltweit verbreiten, nutzen? Dann ist die Frage: Ist die App wirklich kostenlos, oder bezahle ich mit meinem Wissen, meinen Daten?“, so Müsgens.
- Auf Bezahl-Apps umsteigen
In allen anderen Lebensbereichen ist klar, dass man für Leistung bezahlt. „Bei Apps erwarten viele, dass sie kostenlos sind“, sagt Martin Müsgens. Oft sei eine App, die man bezahlen müsse, weniger datenhungrig, und das zum kleinen Preis: „Denn in der Regel sind es ja keine riesigen Beträge, meist der Gegenwert eines Milchkaffees. Dafür erwirbt man eine lebenslange Lizenz.“
- Apps die Berechtigungen entziehen
Manche Apps funktionieren allerdings auch mit entzogenen Berechtigungen, zum Beispiel Gmail von Google: Ohne Zugriff auf Kontakte, Kalender und sogar Körpersensoren behauptet die App, nicht arbeiten zu können. Tatsächlich ist es nur etwas mühsamer, sie zu handhaben.
- Verantwortung übernehmen
Ab Mai 2018 gilt eine EU-weite Datenschutzverordnung. Sie vereinheitlicht europäisches Datenschutzrecht. Unklar ist, wie sich das hierzulande auswirkt. „Wir haben ein historisch gewachsenes hohes Datenschutzrecht in Deutschland“, sagt Graf.
Eine gute Basis, die allzu leicht aufs Spiel gesetzt wird. Die Verantwortung liegt bei jedem einzelnen. Kritisch sein macht es manchmal etwas unbequemer. Doch auf manches lässt sich gut verzichten – etwa die Taschenlampe, die ins Adressbuch schaut.