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18,36 oder 17,50 Euro?Karlsruhe steht vor Eil-Entscheidung zu Rundfunkbeitrag

Lesezeit 5 Minuten
Rundfunkbeitrag

18,36 oder 17,50 Euro: Das Bundesverfassungsgericht soll die Entscheidung im Streit um den Rundfunkbeitrag bringen. (Symbolbild)

Karlsruhe/Magdeburg – Das höchste Verfassungsgericht in Deutschland hat übernommen. Der Machtpoker in Sachsen-Anhalt zwischen Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), seinen eigensinnigen Christdemokraten, den Koalitionspartnern SPD und Grünen und angepeitscht durch eine starke AfD in der Opposition ist vom Zankapfel Rundfunkbeitrag nun losgelöst. Es geht um die Frage, ob Haushalte tiefer in die Tasche greifen sollen und einen um 86 Cent höheren Rundfunkbeitrag ab dem 1. Januar 2021 zahlen: 18,36 Euro statt 17,50 Euro.

Das Bundesverfassungsgericht könnte Aufschluss geben, wie die Blockade Sachsen-Anhalts vor einer Woche gegen das Beitragsplus zu deuten ist. Magdeburg setzte sich über den Willen der anderen Länder hinweg, die 86 Cent mittragen. Es müssen alle Länder Ja sagen, deshalb liegt das Vorhaben auf Eis. Die Richter könnten noch im Dezember eine Entscheidung zu einem Eil-Antrag der Sender treffen, in dem Hauptverfahren wird es erst später ein Urteil geben. Eine Anhörungsfrist für die Länder in der Eil-Sache lief am Mittwoch ab. Was das alles für die Geldbeutel der Bürger bedeuten wird? Unklar.

Großer CDU-Streit wegen Rundfunkbeitrag

Rückblick: Die regierende CDU hätte im Landtag in Magdeburg mit der AfD eine Mehrheit gegen 18,36 Euro bilden können und damit das Auseinanderbrechen von Schwarz-Rot-Grün riskiert. Ministerpräsident Haseloff zog die Reißleine und nahm den Gesetzentwurf zum Staatsvertrag wenige Tage vor der Abstimmung zurück. ARD, ZDF und Deutschlandradio klagten in Karlsruhe.Am zähen Magdeburger Krach wurde abseits der politischen Dimension auch deutlich, wie komplex das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem mit einem Dickicht aus Staatsverträgen, Gremien und Ausschüssen ist.

Die Länder sind auf der einen Seite: Sie steuern die Medienpolitik und beauftragen die Sender, greifen aber nicht ins Programm ein - Prinzip Staatsferne. Neben dem Auftrag wird auch dessen Finanzierung festgelegt: der Rundfunkbeitrag. Auf der anderen Seite stehen ARD, ZDF und Deutschlandradio. Sie sind für Programminhalte samt Haushalt mit Personalkosten, Investitionen und konkrete Sparvorhaben in ihren Häusern zuständig.

In Sachsen-Anhalt wurde der Streit um 18,36 Euro so hochgejazzt, dass es mitunter Verwischungen bei dieser Rollenaufteilung gab. Aus der CDU tauchte etwa die Frage auf: Braucht es so viele Programme? Das ist in Staatsverträgen zum Sender-Auftrag geregelt - die Politik richtete die Frage quasi an sich selbst und das überdies zu einem Zeitpunkt, als es bereits um die Beitragshöhe für den Auftrag ging.

Die Koordinatorin der Länder-Rundfunkkommission und rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin, Heike Raab (SPD), machte diese Woche klar: „Wir sind uns darin einig, dass die Entscheidung über die Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht mit medienpolitischen Forderungen verquickt werden darf.“ Die Länder unterstützen bis auf Sachsen-Anhalt die Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe.

Öffentlich-Rechtliche haben großen Marktanteil

Die öffentlich-rechtlichen Sender sind in Deutschland beliebt, sie haben hohe Marktanteile. Beim älteren Publikum sind sie höher als beim jüngeren. Zugleich stehen ARD, ZDF und Deutschlandradio immer wieder in der Kritik: Manchmal ist diese differenziert und konstruktiv, manchmal ist sie emotional bis unerbittlich.

Im Netz ist etwa von einer „Zwangsgebühr“ zu lesen, auch AfD-Politiker wählen diese Tonart mitunter. Ein Reizthema unter Kritikern sind die Intendantengehälter. Und es gibt Forderungen, die Sendern sollten viel mehr Tempo machen beim Sparen. Zum Gesamtbild gehört: Die Häuser haben vor Jahren Sparkurse angeschoben samt Stellenabbau und setzen Einsparziele in Millionenhöhe fort.

Die Länder wollen den Reformprozess zum Auftrag und zur Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorantreiben. Man sehe weitere Einspar- sowie Optimierungsmöglichkeiten bei der Struktur, hieß es von der Rundfunkkommission in dieser Woche. Der sächsische Staatsminister Oliver Schenk (CDU), der Teil des Koordinatorenteams der Kommission ist, betonte, es sei wichtig aus der aktuellen Situation die richtigen Lehren zu ziehen: „Zu diesen gehört im Interesse aller Rundfunkbeitragszahlerinnen und -zahler ein besseres Abbilden der ostdeutschen Wirklichkeit vor und hinter der Kamera [...]“. Damit sprach er einen weiteren Kritikpunkt an.

Inmitten dieser Gemengelage stellt sich nach der Blockade aus Magdeburg die Frage, wie künftig der Rundfunkbeitrag entsteht. Möglicherweise wird Karlsruhe dazu Impulse liefern.

Beitrag ist Haupteinnahmequelle der Sender

Der Rundfunkbeitrag ist die Haupteinnahmequelle der Sender. 2019 kamen rund acht Milliarden Euro zusammen, die Haushalte, Firmen und Institutionen aufbrachten. Für die nächsten vier Jahre wurde eine Finanzlücke von 1,5 Milliarden Euro prognostiziert - so kommen die 86 Cent Rundfunkbeitragsplus zusammen. Es wäre die erste Erhöhung seit 2009.

Die Sender melden ihren Finanzbedarf bei der per Staatsvertrag eingesetzten Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) an. Das unabhängige Gremium prüft auf Sparsamkeit und streicht weg. Hätten die KEF-Experten den Bedarf ohne Abstriche akzeptiert, wären 19,24 Euro Rundfunkbeitrag herausgekommen. Die KEF gibt dann eine Empfehlung zum Beitrag ab wie in diesem Falle 18,36 Euro. Daran orientieren sich die Ministerpräsidenten und Landtage, die das letzte Wort haben. Sie müssen sich aber eng an der KEF orientieren, abweichen ist gemäß Rechtslage nur in engen Grenzen möglich.

Es kommen nun vermehrt Ideen auf, wie man das mehrstufige Verfahren ändern könnte. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sprach sich dafür aus, das Verfahren für Staatsverträge grundsätzlich zu prüfen. Vorstellbar sei, dass nur noch die Regierungsebene entscheide, sagte er der „Welt“. „Dann wären die Parlamente außen vor.“ Schon länger gibt es die Idee eines Index, nach dem sich die Höhe des Beitrags anlehnend etwa an Verbraucherpreise oder Inflation automatisch mitbewegen könnte.

Die CDU-Fraktion in Baden-Württemberg ging am Mittwoch im Landtag flankierend zu ihrer Kritik eines fehlenden Reformwillens bei der ARD sogar grundsätzlich auf das System des Rundfunkbeitrags ein: Sie brachte eine Öffnung für andere Medien sowie einen Medienfonds ins Gespräch. (dpa)